Die Bilanzen der Zentralbanken haben durch die massiven Wertpapierkäufe in den letzten Wochen neue Rekordniveaus erreicht. In der Theorie sollen die mit frisch gedrucktem Geld gekauften Wertpapiere irgendwann wieder an den Markt verkauft werden, sobald sich die Lage wieder beruhigt hat. Doch die letzte Finanzkrise hat gezeigt, dass dies schon bei im Vergleich kleineren Summen nicht geschieht. Denn zwar sind die Bilanzen nach der Krise vorübergehend wieder leicht zurückgegangen. Doch der Trend zu immer größeren Bilanzsummen scheint unaufhaltsam.
In der aktuellen Krise ist ein Abbau der Zentralbank-Portfolios noch viel unwahrscheinlicher, da der Kampf gegen die Corona-Pandemie Unternehmen und Staatshaushalte überall auf der Welt in beispielloser Weise belastet. "Sehen Sie sich nur an, wie lange die Erholung von der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 gedauert hat", sagt Torsten Slok, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Und jetzt nähmen die Zentralbanken Wertpapiere in ihre Portfolios auf "in einem Tempo, das um ein Vielfaches schneller ist".
Laut einer Analyse von Bloomberg haben die Zentralbanken der G7-Gruppe allein im März Papiere im Umfang von 1,4 Billionen Dollar gekauft. Das ist fast fünfmal so viel wie der bisherige monatliche Rekord vom April 2009. Die Fed hat angekündigt, bei Bedarf unbegrenzte Mengen an US-Staatsanleihen und hypothekarisch gesicherten Wertpapieren zu kaufen. Zudem kauft sie im großen Stil Anleihen von Unternehmen und Kommunen. In der Woche bis zum 15. April hat sie ihre Bilanz um etwa 41 Milliarden Dollar pro Tag ausgeweitet.
Auch die Zentralbanken in der Eurozone, in Japan und im Vereinigten Königreich haben ihre Wertpapierkäufe wieder ausgeweitet. Und die Zentralbanken von Kanada, Neuseeland, Australien haben zum ersten Mal große Käufe getätigt. Zwar werden die Käufe in den kommenden Monaten voraussichtlich etwas zurückgehen, wenn die Märkte wieder hinreichend liquide sind. Doch die große Bilanzausweitung wird weiter voranschreiten. Die Zentralbanken werden sich wieder darauf konzentrieren, die Kreditkosten der Staaten niedrig zu halten.
Können Zentralbanken unbegrenzt Geld drucken?
Globaler Vorreiter beim Gelddrucken war Japan. Daher können die dortigen Erfahrungen nun als Leitfaden beziehungsweise als Warnung dienen. Die Bank of Japan startete bereits im Jahr 2001 ein erstes QE-Programm (Quantitative Easing, quantitative Lockerung). Die Wertpapierkäufe im großen Stil waren eine Reaktion darauf, dass die Blasen auf den Aktien- und Immobilienmärkten geplatzt waren und sich eine starke Deflation anbahnte. Eine Deflation ist ein Problem für Schuldner - allen voran für den Staat, da die Zinslast real teurer wird.
Seitdem hat die japanische Zentralbank mehrere Versuche unternommen, Teile der erworbenen Wertpapiere wieder zu verkaufen und ihre Bilanz wieder auf ein normales Maß zu reduzieren. Doch stattdessen sah sie sich zu immer neuen Käufen gezwungen. Sie hält heute 43 Prozent des gesamten Bestands an japanischen Staatsanleihen. Zudem besitzt sie etwa 5 Prozent der japanischen Unternehmensanleihen und über seine Käufe von börsengehandelte Fonds auch etwa 5 Prozent des japanischen Aktienmarktes.
Die Bilanzsumme der Bank of Japan liegt heute bei 604 Billionen Yen (rund 5,2 Billionen Euro). Dies ist mehr als die jährliche Wirtschaftsleistung des Landes. Im Vergleich dazu sind die Federal Reserve mit etwa 30 Prozent des BIP und die EZB mit etwa 39 Prozent noch relativ bescheiden. Zwar hat die Fed angekündigt, künftig auch ETFs mit Unternehmensanleihen zu kaufen, darunter auch Schrottanleihen. Und auch bei der EZB wird dies diskutiert. Doch die beiden werden auf absehbare Zeit nicht annähernd das Niveau Japans erreichen.
Die Folgen des Gelddruckens
Als die großen Zentralbanken nach der Finanzkrise in nie dagewesenem Maß Geld druckten, warnten Kritiker, dies könne zu einer galoppierenden Inflation führen. Doch tatsächlich blieb die Inflation moderat. Denn während die Zentralbanken Geld druckten, wurde in der Folge der Finanzkrise auch viel Geld vernichtet, vor allem indem Kredite bei den Geschäftsbanken zurückgezahlt und weniger neue Kredite aufgenommen wurden. Dies könnte sich nun auf ähnliche Weise wiederholen.
Eine negative Folge der Rettungspolitik seit der Finanzkrise war die Erfahrung, dass Unternehmen und sogar Staaten gerettet werden, wenn sie in finanzielle Schieflage geraten. Dies reduzierte allenthalben den Anreiz zur verantwortungsvollen Planung, der zuvor darin bestanden hatte, dass man pleite gehen konnte und dies zu vermeiden suchte. Im Übrigen sagte die stellvertretende Fed-Chefin Richard Clarida kürzlich, dass solche Bedenken derzeit "keine relevanten Überlegungen" seien, da Corona "ein völlig von außerhalb kommenden Ereignis" sei.
Zwar haben die bisherigen Wertpapierkäufe in der Corona-Krise dazu beigetragen, die Kurse an den Finanzmärkte zu stabilisieren. Doch eben damit haben sie eine weitere langjährige Kritik an den Zentralbanken ins Rampenlicht gerückt: Wertpapierkäufe sind nichts anderes als staatliche Umverteilung. Sie bringen eine Rettung der Investoren auf Kosten der Allgemeinheit. Die Finanzmärkte werden stabilisiert, indem die Währungen verwässert werden - und zugleich steigt derzeit überall die Arbeitslosigkeit.
Die Bilanzen der weltweiten Notenbanken werden voraussichtlich weiter steigen und anschließend auch nicht wieder zurückgehen, sondern auf einem hohen Niveau verharren. Dies haben die Erfahrungen nach der Finanzkrise gezeigt, wo Versuche einer Reduzierungen immer wieder zu Marktturbulenzen führten und daher wieder abgebrochen wurden. "Wir müssen uns einfach an eine neue Welt gewöhnen, in der die Bilanzen der Zentralbanken viel größer sind", sagt Torsten Slok, Chefvolkswirt der Deutschen Bank.