Wirtschaft

Widersacher von Nordstream 2 erhalten Verstärkung: Deutsche Behörde baut neue Hindernisse auf

Seit Jahren torpediert die US-Regierung das Ostseepipeline-Projekt Nordstream 2 aus dem fernen Washington. Schützenhilfe erhalten die Amerikaner jetzt nicht nur von der EU-Kommission, sondern auch von einer deutschen Behörde.
20.05.2020 17:22
Aktualisiert: 20.05.2020 17:22
Lesezeit: 2 min
Widersacher von Nordstream 2 erhalten Verstärkung: Deutsche Behörde baut neue Hindernisse auf
15.11.2018, Mecklenburg-Vorpommern, Laage: Das Verlegeschiff "Audacia" des Offshore-Dienstleisters Allseas verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2. (Foto: dpa) Foto: Bernd W

Für die Betreibergesellschaft der geplanten Ostsee-Erdgaspipeline Nord Stream 2 gibt es einen weiteren Rückschlag. Die Bundesnetzagentur hat den Antrag der Nord Stream 2 AG abgelehnt, die Röhrenleitung von der EU-Regulierung im deutschen Hoheitsgebiet auszunehmen. Sie begründete die Entscheidung am Freitag damit, dass die Pipeline von Russland nach Deutschland am Stichtag 23. Mai 2019 nicht fertiggestellt gewesen sei.

Von diesem Tag an gelte aber eine geänderte EU-Gasrichtlinie, welche die EU-Kommission nicht zuletzt ins Leben gerufen hatte, um den Einfluss des russischen staatlichen Gasunternehmens Gazprom bei dem Projekt zu schwächen. Demnach darf der Lieferant des Gases (Gazprom – die Red.) jetzt nicht mehr zugleich der Betreiber der Pipeline sein (Gazprom war auch als Betreiber vorgesehen – die Red.); Dritten muss Zugang zur Leitung gewährt werden.

Pikant ist der Verweis der Bundesnetzagentur auf die nicht erfolgte Fertigstellung am 23. Mai 2019, weil das Projekt seit Jahren ins Visier der US-Regierung und mehrerer EU-Staaten geraten war, welches es mit Sanktionen (USA) oder verfahrenstechnischen Hindernissen und Einsprüchen auf EU-Ebene (etwa Polen und Dänemark) behindert hatten. Zuletzt hatte die Lobby-Organisation „Deutsche Umwelthilfe“ versucht, den Weiterbau mit sonderbar konstruiert wirkenden Vorwürfen zu verzögern.

Nicht vergessen werden darf hierbei, dass neben Gazprom auch Unternehmen aus vier EU-Ländern am Projekt beteiligt sind – es sich also nicht um ein rein russisches Projekt handelt. Während Gazprom alleiniger Eigner der Betreibergesellschaft ist, bilden ENGIE (Frankreich), OMV (Österreich), Royal Dutch Shell (Niederlande und Großbritannien), Uniper (Deutschland) und Wintershall Dea (Deutschland) den Kreis der Finanziers, wie der offiziellen Homepage zu entnehmen ist.

Die Nord Stream 2 AG erklärte sich mit der Entscheidung der Bundesnetzagentur nicht einverstanden. Nach ihrer Ansicht war die Pipeline zum Stichtag im wirtschaftlichen Sinne fertiggestellt, erläuterte ein Sprecher. Es seien damals 50 Prozent der gesamten Leitung verlegt gewesen, der 54 Kilometer lange Abschnitt im deutschen Hoheitsgebiet sei fertig gewesen. Das Unternehmen habe sechs Milliarden Euro investiert - lange bevor die Europäische Kommission ihren Plan bekanntgab, die Gasrichtlinie zu ändern, erklärte der Sprecher. Das Unternehmen ziehe rechtliche Schritte in Betracht.

Nord Stream 2 sieht sich durch die geänderte Gasrichtlinie und die Entscheidung der Bundesnetzagentur diskriminiert. Gleichwohl habe die Ablehnung des Freistellungsantrags keinen Einfluss auf den Weiterbau der Pipeline. Der Bau war vor fünf Monaten unterbrochen worden, nachdem die US-Regierung einseitig Sanktionen gegen Projektbeteiligte ankündigt hatten, woraufhin sich die Betreiberfirma des Verlegeschiffes der Pipelinestränge, die Schweizer Firma Allseas, aus dem Projekt verabschiedet hatte.

Das russische Verlegeschiff „Akademik Tscherski“ soll das Projekt nun zu Ende führen. Es liegt derzeit im Hafen von Mukran auf Rügen. Für die Pipeline sind nahe der dänischen Insel Bornholm noch rund 150 Kilometer Rohre zu verlegen.

Der Bundesnetzagentur zufolge wird die Leitung Nord Stream 2 mit der Inbetriebnahme den deutschen Regulierungsvorgaben und den europäischen Regelungen zur Entflechtung, zum Netzzugang und zur Kostenregulierung unterliegen. Demzufolge darf der Lieferant des Gases nicht mehr zugleich der Betreiber der Pipeline sein. Dritten muss Zugang zur Leitung gewährt werden. Das ist dem Sprecher der Nord Stream 2 AG zufolge nicht möglich. Die Leitung transportiere Gas von Gazprom, das Gas könne nicht zwischendurch den Besitzer wechseln. „Es ist aber unklar, welche Konkurrenz zwölf Meilen weit von der deutschen Küste, an der das europäische Recht und die europäische Regelung beginnen, entstehen kann. Da gibt es einfach keine alternativen Gaslieferanten. Für ähnliche Fälle enthält die EU-Gesetzgebung die Bestimmung, dass eine Ausnahme vom Dritten Energiepaket zu erteilen ist, weil es kein Wettbewerbsumfeld gibt“, zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur Sputnik einen Analysten der Stiftung für nationale Energiesicherheit.

Zudem hätten internationale Rechtsexperten bestätigt, dass eine Reduzierung des Begriffs „fertiggestellt“ auf den Abschluss des physischen Baus einer Gaspipeline den Grundsatz des Vertrauensschutzes und weitere Grundrechte des EU-Rechts verletze. Nord Stream 2 sei ein vollständig genehmigtes Projekt, das im Einklang mit nationalem und internationalem Recht gebaut werde. Ohne Regulierung würde es die Versorgungssicherheit mit Gas in Europa erhöhen und die Gaspreise niedrig halten.

Der Kampf um Nordstream 2 zeigt zweierlei auf: zum einen ist die US-Regierung in der Lage, praktisch überall auf der Welt unliebsame Projekte durch Sanktionen zu stoppen oder zu verzögern. Zum anderen ist die EU in zentralen energiepolitischen Fragen zersplittert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Schadenregulierung: So handeln Sie richtig, wenn die Versicherung nicht zahlt
02.11.2025

Wenn Versicherungen bei einem Schadenfall zögern oder nicht zahlen, beginnt für viele ein nervenaufreibender Kampf. Welche Rechte haben...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersvorsorge: Politik riskiert Rentenkollaps – ist Investieren in Aktien die Lösung?
02.11.2025

Das deutsche Altersvorsorgesystem steht kurz vor dem finanziellen Kollaps: Eine exklusive Forsa-Umfrage im Auftrag der Initiative...

DWN
Politik
Politik Exklusiv-Interview mit Nobelpreisträger James A. Robinson: Warum die Globalisierung auch ohne die USA geht
02.11.2025

Warum gedeihen manche Staaten, während andere im Stillstand verharren? Nobelpreisträger James A. Robinson erklärt im Exklusivinterview,...

DWN
Technologie
Technologie Von Google Glass zu Meta Ray-Ban: Wie Smart Glasses den Markt neu definieren
02.11.2025

Smart Glasses galten lange als Nischenprodukt. Mit dem Aufschwung von KI und neuen Hardware-Initiativen rücken sie nun ins Zentrum...

DWN
Politik
Politik Abhängigkeit von US-Technologie: Welche Herausforderungen Europa jetzt meistern muss
02.11.2025

Technologie und digitale Souveränität stehen im transatlantischen Verhältnis zunehmend im Fokus. Europa nutzt US-amerikanische Systeme,...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersrente berechnen: So hoch ist die Maximalrente in Deutschland - unerreichbar für die meisten
01.11.2025

Im Alter gilt, je mehr Rente, desto besser. Doch selbst mit extra Schichten oder einem hohen Einkommen ist der maximale Betrag an...

DWN
Finanzen
Finanzen Zehn S&P 500‑Aktien mit Aufholpotenzial: So bewerten Analysten Chancen und Risiken
01.11.2025

Zehn S&P 500‑Aktien, die Analysten trotz schwächerer Jahresperformance als chancenreich einstufen, werden auf Wachstum, Bewertung und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lithium und die Energiewende: Wie der Rohstoff Elektronik und E-Mobilität vorantreibt
01.11.2025

Lithium gilt als das Metall unserer Zeit. Smartphones, Laptops und Elektroautos kommen ohne es nicht aus. Die Nachfrage steigt rapide,...