Deutschland

Neues Gesetz zur Überwachung des Internets: Den Deutschen drohen 150.000 Strafverfahren pro Jahr

150.000 Verfahren im Jahr: Das könnten die Folgen des neuen Gesetzes zur Überwachung des Internets sein.
03.06.2020 18:01
Aktualisiert: 03.06.2020 18:01
Lesezeit: 1 min
Neues Gesetz zur Überwachung des Internets: Den Deutschen drohen 150.000 Strafverfahren pro Jahr
Die Fassade des Kriminalgerichts Moabit in Berlin. (Foto: dpa) Foto: Sonja Wurtscheid

Die Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) wird nach Einschätzungen des Bundesjustizministeriums für 150.000 zusätzliche Ermittlungsverfahren pro Jahr sorgen. Mit dieser Zahl rechneten die Fachleute ihres Ministeriums, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) in einem Interview mit der Tageszeitung „taz“ am heutigen Mittwoch.

Mit der Änderung des NetzDG sollen Nutzer von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Instagram mehr Rechte bekommen – etwa, wenn sie im Netz massiv attackiert werden. Gleichzeitig soll das verschärfte Gesetz alle Anbieter sozialer Netzwerke mit mehr als zwei Millionen Nutzern in Deutschland (Facebook, Youtube, Twitter, Instagram und Tiktok) verpflichten, rechtswidrige Hass-Postings dem Bundeskriminalamt zu melden.

Diese Reglung sei bislang einmalig, erklärte Lambrecht: «Eine solche Meldepflicht für strafbaren Hass gibt es unseres Wissens bisher nirgends. Deutschland wird Vorreiter sein.» Die Netzwerke müssten nun ihre Seiten aber nicht generell auf strafbare Inhalte durchkämmen. «Sie müssen dem BKA nur dann Hass-Postings mit Volksverhetzungen und Morddrohungen melden, wenn es eine konkrete Beschwerde gibt und das Posting daraufhin gelöscht wird.»

Das Justizministerium halte 250.000 Meldungen pro Jahr für realistisch. «Ich gehe aber davon aus, dass die Zahl langfristig sinkt. Denn wenn künftig strafrechtliche Sanktionen drohen und durchgesetzt werden, hat das auch einen abschreckenden Effekt.»

Lambrecht betonte, Polizei und Justiz müssten entsprechend ausgestattet werden. «Das BKA wird 252 neue Mitarbeiter bekommen. Und für die Justiz der Bundesländer haben wir einen Mehrbedarf von 265 Stellen bei Staatsanwaltschaften und Gerichten geschätzt.»

Das Gesetz ist in hohem Maße umstritten. Kritiker sehen in ihm einen Versuch, unliebsame Stimmen zu verbieten. Viele haben auch Bedenken, ob private Unternehmen entscheiden sollten, welche Äußerungen in sozialen Netzwerken tatsächlich angezeigt werden. Zum anderen befürchten sie, dass die Justiz mit einer Welle von vergleichsweise harmlosen Fällen überlastet werden könnte.

Bestenfalls führt das Gesetz dazu, dass tatsächlich weniger Hetze im Netz verbreitet wird. Es kann aber auch zu einer weiteren Einschränkung der Meinungsfreiheit führen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Wall Street schließt dritten Tag in Folge im Minus
31.12.2025

Die wichtigsten US-Aktienindizes beendeten den Handelstag am Dienstag bereits den dritten Tag in Folge mit Verlusten.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI im Bewerbungsprozess: Was Unternehmen und Kandidaten beachten sollten
30.12.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Bewerbungen – schneller, objektiver, aber nicht immer transparent. Während manche...

DWN
Politik
Politik USA greifen Hafen in Venezuela an: CIA soll angeblichen Drogenumschlagplatz attackiert haben
30.12.2025

Eine Explosion im Hafen, ein Präsident, der offen von einem Schlag spricht, und viele offene Fragen. Donald Trump bestätigt einen...

DWN
Panorama
Panorama Tresor-Coup in Gelsenkirchen: 3.200 Schließfächer aufgebrochen, Beute von 30 Millionen Euro
30.12.2025

"Wir wollen rein", skandiert eine aufgebrachte Menge vor der Sparkassenfiliale in Gelsenkirchen. Doch die Polizei riegelt ab. Was zum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neun von zehn Haushaltshilfen werden schwarz beschäftigt
30.12.2025

Fast vier Millionen Haushalte setzen auf Schwarzarbeit – warum viele die Anmeldung umgehen und wie viel Geld dabei wirklich fließt.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Generation Z: Warum Sinnhaftigkeit zur neuen Währung im Job wird
30.12.2025

Führungskraft? Nein danke. Für die Generation Z zählt im Beruf längst nicht mehr die steile Karriere, sondern Sinn, Freiheit und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lebensmittelpreise 2025: Butter billiger, Schokolade teurer
30.12.2025

2025 wurden Verbraucher bei Lebensmitteln kräftig durchgeschüttelt. Butter fiel im Preis deutlich, während Schokolade, Rinderhack und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Alarm: Deutschland hat die höchsten Unternehmenssteuern der G7
30.12.2025

Deutschland gilt als Hochsteuerland – nun belegen es die Zahlen. Eine große Mehrheit der Unternehmen empfindet Steuern und Abgaben als...