Panorama

Warum es eine Bronzezeit, aber keine „Stahlzeit“ gegeben hat

Aufgrund der Bedeutung der Metalle für die Menschheit wurden ganze Epochen als Kupferzeit, Bronzezeit oder Eisenzeit bezeichnet. Doch trotz der enormer Bedeutung des Stahls hat es keine „Stahlzeit“ gegeben - und das aus guten Gründen.
12.07.2020 11:00
Lesezeit: 4 min
Warum es eine Bronzezeit, aber keine „Stahlzeit“ gegeben hat
Stahl ist bis heute ein Standard-Werkstoff im Maschinenbau. (Foto: dpa) Foto: Rolf Vennenbernd

Metalle haben in der Menschheitsgeschichte eine zentrale Rolle gespielt. Die Entwicklung begann noch vor Gold und Silber mit Kupfer. Im heutigen Anatolien wurden Schmuckplättchen aus Kupfer gefunden, die aus dem 8. Jahrtausend v. Chr. stammen. Auch die legendäre Gletschermumie Ötzi aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. hatte ein Kupferbeil bei sich.

Für Waffen war Kupfer allerdings nur wenig brauchbar, da es sich verbiegt und schnell stumpf wird. Dies führte zur Entwicklung der deutlich härteren Bronze, einer Legierung aus 90 Prozent Kupfer und 10 Prozent Zinn. Die Technologie entstand offenbar im 4. Jahrtausend im Zweistromland. Erst deutlich später kam die Bronze auch nach Mitteleuropa.

Die darauffolgende Entwicklung von Eisen hatte ihren Ursprung im 12. Jahrhundert v. Chr. im Nahen Osten und verbreitete sich im Verlauf der Zeit über das Mittelmeer und schließlich bis nach Nordeuropa. Da Eisen rostet, gibt es nur wenige Fundstücke, die aufgrund besonderer Umstände erhalten geblieben sind.

Veredeltes Eisen wurde vor allem für Waffen und Werkzeuge genutzt und verdrängte allmählich die Bronze, da es härtbar und zäher ist. Zudem waren Eisenerze fast überall zu finden, während die für die Bronzeherstellung notwenigen Metalle Kupfer und Zinn selten waren und in der Regel nicht an derselben Stelle vorkamen.

Stahl ist eine Legierung aus Eisen und maximal zwei Prozent Kohlenstoff. Denn Roheisen ist für Werkzeuge und Waffen zu weich. Daher wurde es bereits seit der Antike auf Holzkohlen geglüht, die zum größten Teil aus Kohlenstoff bestehen, wodurch vor allem die äußeren Schichten Kohlenstoff aufnehmen und hart werden.

Im 18. Jahrhundert wurde Holzkohle in den Prozessen zur Stahlerzeugung durch Steinkohle ersetzt. Dadurch wurden Eisenwerkstoffe günstiger und es konnte mehr davon produziert werden. Mit Eisen oder Stahl konnte man nun auch bessere Werkzeugmaschinen herstellen. Der Großteil des produzierten Eisens wurde aber für Dampflokomotiven, Schienen und Brücken verwendet.

Die erste deutsche Gussstahlfabrik wurde 1811 von Friedrich Krupp gegründet. Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Stahlproduktion in Europa sprunghaft an. Die Entwicklung von Eisenbahn und Dampfschifffahrt machte neue große Absatzmärkte für Stahl erreichbar. Auch die Rüstungsindustrie benötigte massenhaft Stahl.

Ein Symbol für die Bedeutung des Stahls in der damaligen Zeit ist der Eiffelturm, der anlässlich der Pariser Weltausstellung von 1889 erbaut wurde und bis heute erhalten ist. Wie Ötzis Kupferbeil für die Kupferzeit steht und die erhaltenen Bronzewaffen aus Palästina für die Bronzezeit, so steht der Eiffelturm für die Industrialisierung.

Es wäre wohl auch vertretbar gewesen, die Periode seit dem 18. Jahrhundert nicht Industrialisierung, sondern „Stahlzeit“ zu nennen. Doch offenbar war bei der Namensgebung die Konkurrenz durch andere Entwicklungen und technologische Fortschritte zu groß, etwa die Landflucht sowie die Nutzung von Kohle, Dampfmaschine und Eisenbahn.

Bis heute ist Stahl der Standardwerkstoff im Maschinenbau geblieben und ein entscheidender Baustoff im Baugewerbe. Von dem in Deutschland genutzten Stahl gehen 35 Prozent ins Bauwesen, 26 Prozent in den Automobilbau, 12 Prozent in Metallwaren, 11 Prozent in den Maschinenbau und 9 Prozent in Rohre.

Zudem ist der Ruf des Stahls anhaltend gut. Schon rein ästhetisch stehen Gegenstände aus Stahl deutlich über Gegenständen aus Plastik – man denke nur an Dinge wie Eisenbahnbrücken, Schienen, landwirtschaftliches Gerät oder Autos. Ästhetisch gesehen kann es der Stahl beinahe mit dem Naturstoff Holz aufnehmen.

Auch der Umweltaspekt spielt möglicherweise eine Rolle beim guten Ruf des Stahls. Während heute zum Beispiel Plastikmüll vor allem in den Gewässern der dritten Welt erhebliche Probleme verursacht, ist Schrott – was für ein wohlklingendes Wort für ein Abfallprodukt – an sich eher harmlos für Mensch und Tier.

Auch in der Literatur ist die wichtige Rolle des Stahls gewürdigt worden. Ein Beispiel ist der Roman „Atlas Shrugged“ von Ayn Rand aus dem Jahr 1957, der zu den am meisten gekauften Büchern der Geschichte gehört. Wegen seiner Darstellung der Anfänge einer wirtschaftlichen Depression ist er heute wieder sehr aktuell.

Der Roman würdigt die Rolle des Stahls und der Eisenbahn bei der Entwicklung der USA. Auch wird darin ein neuartiges Metall erfunden, das besser und billiger ist als Stahl. Der Erfinder und führende Unternehmer weiterer Branchen arbeiten zunächst sehr hart, doch im Verlauf der Handlung stellen sie ihre Produktion gänzlich ein und lassen so die Welt zusammenbrechen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie „DeepL Agent“: Start-up DeepL startet autonomen KI-Agenten
05.11.2025

Der Kölner KI-Übersetzungsspezialist DeepL hat bislang selbst großen Tech-Konzernen erfolgreich die Stirn geboten. Nun fordert das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenabbau Mittelstand: Jedes vierte Familienunternehmen baut Jobs ab
05.11.2025

Auch bei den Familienunternehmen in Deutschland sind zunehmend Jobs in Gefahr: 23 Prozent der Unternehmer wollen in diesem Quartal...

DWN
Politik
Politik New York: Demokrat Mamdani wird Bürgermeister - eine Niederlage für US-Präsident Trump
05.11.2025

Die liberale Hochburg New York bekommt einen neuen Bürgermeister: Zohran Mamdani ist 34 Jahre alt, Muslim – und präsentiert sich schon...

DWN
Technologie
Technologie Reduzierung von CO2: Deutsche Bahn setzt erstmals Schienen aus „grünem“ Stahl ein
05.11.2025

Die Deutsche Bahn schließt einen Liefervertrag mit dem saarländischen Hersteller Saarstahl für klimafreundlich produzierte Schienen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hybrides Arbeiten: Freiheit mit Nebenwirkungen? Wie Flexibilität nicht zur Belastung wird
05.11.2025

Homeoffice und Büro im Wechsel galten lange als Zukunftsmodell. Doch die vermeintliche Freiheit zeigt zunehmend Risse – von sinkender...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Black Friday 2025: So tricksen Händler Kunden weltweit aus
05.11.2025

Die Jagd nach Schnäppchen wird zur Täuschung. Immer mehr Händler erhöhen ihre Preise schon Wochen vor dem Black Friday, um sie später...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rennen um autonomes Fahren: VW baut in China eigene KI-Chips
05.11.2025

Sorgen vor ausbleibenden China-Chiplieferungen und Entwicklungsdruck bei autonomem Fahren plagen die Autoindustrie. Warum VW nun einen...

DWN
Politik
Politik Entlastungskabinett: Regierung berät über Bürokratieabbau
05.11.2025

Bundeskanzler Merz und seine Ministerinnen und Minister beraten in einem sogenannten Entlastungskabinett über Maßnahmen zum...