Deutschland

Deutschlands Stahlindustrie: Gibt Corona der Branche den Rest?

Die Pandemie trifft die deutsche Stahlbranche sehr hart. So reagiert auch der Branchenprimus ThyssenKrupp mit drastischen Maßnahmen.
06.07.2020 17:34
Aktualisiert: 06.07.2020 17:34
Lesezeit: 3 min
Deutschlands Stahlindustrie: Gibt Corona der Branche den Rest?
Illustration: Timo Würz

Der größte deutsche Traditionskonzern ThyssenKrupp, einstmals das Flaggschiff der deutschen Industrie, steht vor einem massiven Einschnitt: Sparten mit 20.000 Mitarbeitern und sechs Milliarden Euro Umsatz sollen verkauft werden, so dass das Unternehmen erheblich verkleinert wird.

„Wir haben in den vergangenen Monaten jeden Stein umgedreht und uns das individuelle Entwicklungspotenzial der Geschäfte sehr genau angesehen“, sagte die Vorstandschefin, Martina Merz. „Mit dieser Neubewertung des Portfolios haben wir schwierige und längst überfällige Entscheidungen getroffen, die wir jetzt konsequent umsetzen. Thyssenkrupp wird kleiner, aber stärker aus dem Umbau hervorgehen“, fügte die Managerin hinzu.

Die drastische Veränderung beim Branchenprimus steht für die gesamte Entwicklung des Wirtschaftszweiges, der besonders stark von der Pandemie gebeutelt wird. Grund: Der Sektor ist eine Grundlagenindustrie für Branchen, die noch mehr leiden – beispielsweise die Autoindustrie. Zudem ist er in die komplexen Wertschöpfungskette der EU eingebunden und spürt somit die Probleme besonders stark, die es in anderen Ländern gibt. „Die Auswirkungen der Pandemie sind für die deutsche Stahlindustrie dramatisch“, kommentiert folglich die deutsche Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Die Rohstahlproduktion in Deutschland ist im März um über zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat auf 3,3 Millionen Tonnen zurückgegangen. Nach einem ohnehin niedrigen Ergebnis im Vorjahreszeitraum fiel die Stahlerzeugung in den ersten drei Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitrum um rund sechs Prozent.

Die Pandemie ist deswegen so ungünstig, weil die Branche gerade dabei war, sich gegen den konjunkturellen Abschwung zu stemmen, der sie schon vorher belastet hatte. So hatte es im Januar und Februar vor dem Shut-Down in den Wirtschaftsindikatoren erste vorsichte Anzeichen einer Erholung gegeben. Das Niveau war zwar sehr niedrig gewesen, aber doch sichtbar.

Diese Erholung wäre umso wichtiger gewesen, weil der Abschwung vorher bereits gewaltig gewesen war, wie aus den Statistiken hervorgeht. Bereits im vergangenen Jahr hat sich das Gesamtvolumen auf dem Stahlmarkt in Deutschland um zwölf Prozent verringert und damit das zweite Jahr in Folge reduziert. Doch das war noch nicht alles: Die Herstellung war das erste Mal seit der Großen Finanzkrise 2009 mit 39,7 Millionen Tonnen unter die Marke von die 40 Millionen Tonnen gefallen. Auch die Lieferungen hatten sich ähnlich negativ entwickelt.

Aufgrund der Pandemie hat die Branche nun kaum eine Chance mehr, sich zu erholen. Dies wird nicht zuletzt im Verhalten der Unternehmen deutlich, die geplante Investitionen verschieben oder ihre Budgets verringern. Wie aus einer Umfrage des Deutschen In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer­ta­ges (DIHK) hervorgeht, verringern 36 Prozent der Be­trie­be ihre Investitionen Zu­dem müss­ten 43 Prozent der Un­ter­neh­men Kos­ten sen­ken und 35 Prozent Per­so­nal ab­bau­en. Die deutsche Industrie sei sonst ein „Trei­ber für In­no­va­ti­on“ gewesen, fügte die Organisation hinzu.

So wirft auch die Wirtschaftsvereinigung Stahl einen sehr skeptischen Blick nach vorne: „Die Corona-Krise dürfte wohl tiefe Einschnitte in der Stahlnachfrage in Deutschland wie auch weltweit hinterlassen. Die globale Marktversorgung Walzstahl könnte in diesem Jahr stärker zurückgehen, als es noch während der großen Finanzkrise der Fall gewesen ist. Den aktuellen Verwerfungen dürfte sich dabei keine Region vollständig entziehen können“, schreibt die Organisation einem Kommentar.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht zum Wochenstart ab: Liquidationswelle bringt Kryptowährungen unter massiven Druck
01.12.2025

Der Bitcoin-Kurs startet tiefrot in den Dezember: Ein Wochenend-Schock hat den Markt binnen Stunden umgekrempelt. Liquidationen rollen auf...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Wird 2026 alles steigen? Prognose für Aktien, Bitcoin-Kurs und Goldpreis
01.12.2025

Der November brachte an den US-Börsen einen synchronen Aufschwung über sämtliche Anlageklassen hinweg. Jetzt legen die größten Häuser...

DWN
Finanzen
Finanzen Airbus-Aktie fällt nach A320-Software-Update
01.12.2025

Ein Pflicht-Update für die A320-Reihe schickt die Airbus-Aktie auf ein Zweimonatstief. Airlines reagieren hektisch, doch der Hersteller...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividenden-Aktien: Wie Anleger jetzt potenzielle Dividendenrenditen erkennen
01.12.2025

Dividenden-Aktien gewinnen für Anleger in unsicheren Zeiten an Bedeutung, da sie regelmäßige Ausschüttungen mit potenziellem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Industriestimmung trübt sich stärker als erwartet ein
01.12.2025

Die Industriestimmung in der Eurozone zeigt sich schwach am Jahresende: Der Einkaufsmanagerindex ist im November erneut unter die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs vor dem Jahresende: KI-Blase oder Rally?
01.12.2025

Auf Jahressicht glänzt der DAX-Kurs mit einem kräftigem Plus – doch unter der Oberfläche wächst die Nervosität. Zum Auftakt der...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen: Wie laufen die Gespräche über ein Kriegsende in der Ukraine?
01.12.2025

Erstmals seit Kriegsbeginn sitzen westliche und russische Vertreter offiziell über einem Plan zum Kriegsende in der Ukraine. Nach heftiger...

DWN
Politik
Politik Heuchelei als Strategie: Warum ausgerechnet Trumps Freunde den größten Beitrag zu Russlands Kriegskasse leisten
01.12.2025

Donald Trump wirft Europa vor, Putins Krieg gegen die Ukraine mitzufinanzieren. Doch die Fakten zeigen etwas anderes: Nicht Brüssel oder...