Deutschland

Corona-App kommt nächste Woche - so funktioniert sie

Über eine Corona-Warn-App wird seit Monaten diskutiert, in der kommenden Woche soll die Anwendung endlich zum Herunterladen zur Verfügung stehen. Die App wirft aber auch viele Fragen auf, weil sie in vielen Bereichen Neuland betritt.
08.06.2020 15:37
Aktualisiert: 08.06.2020 15:37
Lesezeit: 4 min
Corona-App kommt nächste Woche - so funktioniert sie
Startschirm der Corona Warn-App. (Foto: dpa) Foto: Stefan Jaitner

Für den Weg aus der Corona-Krise in die Normalität hoffen viel Menschen auch auf die seit Monaten angekündigte Corona-Warn-App. Sie soll dabei helfen, die Infektionsketten frühzeitig zu erkennen und zu durchbrechen.

Was kann die App leisten?

Die App kann dazu beitragen, dass Menschen nachträglich darüber informiert werden, wenn sie sich in der Nähe infizierter Personen aufgehalten haben. Dabei erfährt man nicht, wer diese Personen waren - und auch nicht, ob man sich aktuell neben infizierten Personen befindet.

Wie funktioniert das?

Mit der App verwandelt sich ein Smartphone in einen kleinen «Bluetooth-Leuchtturm», der ständig eine Identifikationsnummer in die nähere Umgebung funkt. Gleichzeitig lauscht das Telefon, ob es Bluetooth-Signale von anderen empfangen kann. Halten sich Nutzer, die beide die App laufen haben, für eine bestimmte Zeit nebeneinander auf, tauschen die Smartphones ihre IDs aus.

Woher erfährt die App, dass jemand infiziert ist?

Ausschließlich dadurch, dass positiv getestete Nutzer das selbst in der App eintragen. Um falsche Meldungen zu verhindern, soll das nur mit der Verifikation durch einen Code vom Gesundheitsamt möglich sein.

Gefährdet die App die Privatsphäre der Anwender?

Bei der Programmierung der App und der dazugehörigen Dienste wurde ein mehrstufiges Konzept umgesetzt, um einen möglichst hohen Datenschutz zu gewährleisten. Es werden nicht die Identitäten der Anwender ausgetauscht, sondern anonymisierte IDs, die sich mehrfach in der Stunde ändern. Die IDs der Kontaktpersonen werden nicht zentral gespeichert, sondern dezentral auf den jeweiligen Smartphones. Nur die Liste der anonymisierten IDs der Infizierten wird auf einem zentralen Server vorgehalten. Der Abgleich findet aber ausschließlich auf den einzelnen Smartphones statt.

Wie unterscheidet sich die Corona-Warn-App von anderen Corona-Programmen?

Nach den Vorgaben von Google und Apple kann es pro Land nur eine offizielle Tracing-App geben, die mögliche infektiöse Kontakte nachverfolgt. Das ist die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts (RKI), die von SAP und Telekom entwickelt wird. Es gibt parallel dazu andere Anwendungen mit anderen Zielen: Die Datenspende-App des RKI etwa sammelt Informationen von Fitness-Trackern ein, um zu sehen, ob es in den Regionen Auffälligkeiten gibt. Andere Apps überwachen, wie viele Menschen sich in einem bestimmten Bereich befinden, etwa an einem Strandabschnitt an der Ostsee.

Wie unterscheidet sich die deutsche App von Anwendungen in anderen Ländern?

Apps in asiatischen Ländern wie China, Singapur, Südkorea oder Indien erfüllen nicht die deutschen Datenschutzanforderungen, weil sie beispielsweise die Nutzer bloßstellen oder durch die Analyse der GPS-Signale ein Bewegungsprofil erstellen können. Die App in Frankreich ähnelt dem Ansatz in Deutschland, besteht aber auf einer zentralen Speicherung der Kontaktdaten. Andere Länder wie die Schweiz oder Österreich folgen wie Deutschland den Datenschutzvorgaben von Apple und Google und können dadurch auch die technischen Schnittstellen (APIs) der Tech-Konzerne nutzen.

Auf welchen Smartphones kann die App installiert werden?

Beim iPhone ist das aktuelle iOS 13.5 Mindestvoraussetzung. Das gibt es für Geräte ab dem iPhone 6s oder dem iPhone SE. Ein altes iPhone 5, 5S oder 6 reicht nicht aus. Bei Android-Handys ist die Lage etwas unübersichtlicher. Hier muss zum einen Bluetooth LE unterstützt werden. Das ist ab Android 6 der Fall. Zum anderen müssen aber auch die Google Play Services laufen, weil der Konzern die Schnittstellen nicht über Android selbst zu Verfügung stellt, sondern über diese Google-Dienste. Android-Handys ohne Google Play Services, wie die neuesten Huawei-Modelle, bleiben außen vor.

Wird die Warn-App durch die Betriebssysteme von Google und Apple automatisch aktiviert?

Nein, der Austausch der anonymisierten Kontakt-IDs via Bluetooth findet nur dann statt, wenn man die Corona-Warn-App freiwillig installiert und dem Datenaustausch aktiv zustimmt.

Besteht die Gefahr, dass die Corona-Warn-App nicht doch heimlich zur Überwachung der Bevölkerung eingesetzt wird?

Nein, das ist quasi ausgeschlossen. Der Quell-Code der App kann auf der Plattform GitHub transparent eingesehen werden. Bei etlichen Analysen des Codes wurden keine Hintertüren oder andere Anomalien entdeckt.

Gibt es für die Warn-App eine eigene gesetzliche Grundlage?

Nein, die Bundesregierung glaubt, dass die bestehenden Datenschutzgesetze ausreichen und wird im Bundestag dabei von der FDP unterstützt. Die Grünen und Linken fordern dagegen, dass der Einsatz der App durch ein Gesetz geregelt wird. So müsse nicht nur die Installation der App freiwillig sein. Es dürfe auch keine Verpflichtung geben, ein Smartphone mit laufender App mit sich zu führen und bei Restaurantbesuchen, beim Einkaufen oder Veranstaltungen vorzuzeigen. Auch die AfD fordert, dass es keine Diskriminierung von Nicht-Nutzern geben dürfe.

Wie viele Menschen müssen die App nutzen, damit der gewünschte Effekt eintritt?

Eine Studie aus Oxford sagt, dass der volle Effekt erst dann erreicht wird, wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung oder mehr beteiligen. Das wird aber vermutlich nicht zu erreichen sein. Selbst eine populäre App wie WhatsApp hat Jahre gebraucht, um eine so hohe Installationsquote zu erreichen. Aber Experten weisen auch darauf hin, dass jede Installation zählt und Effekte schon bei einer deutlich niedrigeren Quote erreicht werden können.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat gesagt, die App müsse auch beim «Musikhören auf dem Handy» noch laufen können - was ist da das technische Problem?

«Musikhören auf dem Handy» steht stellvertretend für Anwendungen, die parallel zur Warn-App laufen. Das könnte auch Google Maps oder eine andere App sein. Insbesondere beim iPhone bestand die Herausforderung, dass Apple einem Programm bislang nicht gestattet hat, ständig Bluetooth-Signale im Hintergrund zu senden und zu empfangen. Mit der API für die Corona-Warn-App macht Apple nun dafür eine gezielte Ausnahme. Und auch bei Google wird der Parallelbetrieb der Apps nun optimiert. Die App-Entwickler mussten nun sicherstellen, dass diese Schnittstellen optimal genutzt werden.

Wie kann verhindert werden, dass die App den Akku zu schnell entlädt?

Das wurde im Prinzip schon dadurch gelöst, dass man sich auf die Verwendung von Bluetooth LE geeinigt hat. LE steht für Low Engergy (geringen Strombedarf). Die Entwickler der App versprechen, dass die Anwendung längst nicht so viel Strom verbraucht wie das Streamen von Musik auf einen Bluetooth-Lautsprecher. Ob das Versprechen gehalten werden kann, wird die Praxis zeigen.

Wie sicher kann die Warn-App gegen Fehlalarme sein?

Da die Bluetooth-Technik nicht für das Messen von Abständen entwickelt wurde, wird es sicherlich auch Fehlalarme geben. Es kann auch sei, dass sich Infizierte hinter einer Glaswand befunden haben und einen Alarm auslösen, obwohl durch den «Kontakt» keine Infektionsgefahr ausging. Daher verweisen selbst die Entwickler darauf, dass die App nur einen begrenzten Beitrag zur Normalisierung liefern kann. Sie ist keine Wunderwaffe. Wer sich und andere vor einer Infektion schützen will, sollte auch mit der App Abstand wahren und eine Maske tragen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs unter Druck: Sorgen um US-Zölle dämpfen Rekordlaune
11.07.2025

Nach seinem Rekordhoch gerät der DAX-Kurs zum Wochenausklang unter Druck. Drohende Zölle aus den USA und schwache Unternehmensdaten...

DWN
Politik
Politik Zölle auf Wein? Deutsche Winzer blicken mit Sorge auf mögliche US-Zölle
11.07.2025

Strafzölle in Höhe von 200 Prozent auf Weinimporte aus der EU – mit diesem Szenario hatte US-Präsident Donald Trump noch im April...