Deutschland

Das Wort «Rasse» soll aus dem Grundgesetz gestrichen werden

Für den Vorschlag, das Wort «Rasse» aus Artikel 3 des Grundgesetzes zu streichen, gibt es viel Zuspruch. Vor der möglichen Änderung wird es aber im Bundestag zunächst eine ausführliche Debatte darüber geben.
12.06.2020 17:46
Aktualisiert: 12.06.2020 17:46
Lesezeit: 2 min
Das Wort «Rasse» soll aus dem Grundgesetz gestrichen werden
Bundeskanzlerin Angela Merkel wünscht eine breite Debatte darüber, ob das Wort «Rasse» aus dem Grundgesetz gestrichen werden soll. (Foto: dpa) Foto: Markus Schreiber

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist offen für eine Debatte über die Streichung des Begriffs «Rasse» aus dem Grundgesetz. Das berichtete Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Zu dieser Frage seien in den vergangenen Tagen «nachdenkenswerte Argumente» vorgebracht worden, fügte er hinzu. Eine breite Debatte dazu in Parlament und Gesellschaft sei wünschenswert, schließlich gelte es vor einer möglichen Änderung des Textes mancherlei zu bedenken.

Für eine Streichung des Begriffes sprach sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht aus. Sie sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag), die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten damals «Diskriminierungsgründe formuliert, unter denen Menschen während der Naziherrschaft zu leiden hatten». Die Begrifflichkeit sei zu der Zeit auch richtig gewesen. «Aber wir sind heute in der Diskussion deutlich weiter. Deshalb sollten wir uns im Kampf gegen Rassismus dazu Damit keine Lücke entstehe sollte der Schutz mit einer anderen Formulierung gewährleistet werden.

Die Fraktionschefs der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, schlugen ihren Amtskollegen bei Union, SPD, FDP und Linken vor, einen «breiten Konsens der demokratischen Fraktionen» zu suchen. Einen konkreten Vorschlag für die Änderung schickten sie gleich mit: Demnach soll das Wort «Rasse» gestrichen und durch den Begriff «rassistisch» ersetzt werden. Der Brief und der Gesetzentwurf liegen der Deutschen Presse-Agentur vor.

Im Grundgesetz heißt es: «Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.»

Konkret schlagen die Grünen nun vor, den Satz so zu formulieren: «Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder rassistisch benachteiligt oder bevorzugt werden.» Angefügt werden soll zudem der Satz: «Der Staat gewährleistet Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.»

Der innenpolitische Sprecher der AfD, Gottfried Curio, warf den Grünen vor, sie wollten, «durch Begriffszensur der Wirklichkeit einen linken Deutungsrahmen» aufzwingen. Anstatt den Ausdruck «rassistisch» in den Grundgesetz-Artikel einzufügen, wäre es denkbar «Rasse» durch «ethnische Herkunft» zu ersetzen.

«Der Begriff "Rasse" entspricht weder dem heutigen Sprachgebrauch noch ist er wissenschaftlich korrekt», erklärte der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat. Sein Vorsitzender, Memet Kilic sagte, Deutschland habe aus den Verbrechen der NS-Zeit gelernt und das müsse sich auch in der Sprache widerspiegeln - «denn der steigende Rassismus und der zunehmende Rechtsextremismus zeigen, dass die Lehren noch nicht in allen Köpfen der Gesellschaft angekommen sind.»

Die Streichung des Begriffs aus dem Grundgesetz hätte nach Einschätzung des stellvertretenden Vorsitzenden des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Daniel Thym, vor allem symbolische Bedeutung. Schließlich finde sich das Wort auch in anderen Dokumenten, die Bundestag und Bundesrat nicht ändern könnten - wie etwa der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zudem spiele der Begriff in der Praxis deutscher Gerichte keine große Rolle, erklärte der Jurist. «Solche Symbole können aber wichtig sein, um zu verdeutlichen, dass es keine Rassen gibt und man Menschen nicht wegen des Aussehens diskriminieren darf.»

Amnesty International hält verpflichtende «Antirassismus-Trainings» für alle Mitarbeiter der deutschen Sicherheitsbehörden und der Justiz für sinnvoll und notwendig. «Erste Pilotprojekte in der Justiz und bei der Bundespolizei waren ein wichtiger Anfang, jetzt müssen die Trainings flächendeckend etabliert werden», forderte die Menschenrechtsorganisation am Freitag. «Es geht nicht darum, Polizisten unter Generalverdacht zu stellen oder zu beschuldigen - es geht um die Professionalisierung der Polizeiarbeit, um Transparenz und um die Übernahme von Verantwortung», erklärte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus Beeko.

Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium planen gemeinsam eine Studie zum sogenannten racial profiling bei der Polizei. Von racial profiling spricht man, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale, aber ohne einen konkreten Anlass, kontrolliert werden. Anlass für die geplante Studie sei ein Bericht der Europäischen Kommission für Rassismus und Intoleranz vom vergangenen März, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Die Studie soll nicht nur die Bundespolizei umfassen, sondern auch die Polizeibehörden der Länder.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardärsmanager fliehen aus US-Aktien: Der stille Countdown zur Rezession hat begonnen
17.04.2025

Eine neue Erhebung der Bank of America zeigt: Die Stimmung unter den großen Vermögensverwaltern kippt dramatisch. Während die Finanzwelt...

DWN
Politik
Politik Merz und EU offen für Tauruslieferung an Ukraine: Kreml warnt vor direkter Kriegsbeteiligung
17.04.2025

In der Opposition war Merz offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Als voraussichtlicher Kanzler ist er das...

DWN
Panorama
Panorama Die Macht der WHO: Internationaler Pandemievertrag kommt
17.04.2025

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie haben sich die WHO-Mitgliedstaaten auf ein Pandemieabkommen geeinigt. „Ich habe keinen...

DWN
Technologie
Technologie Mechanische Speicher als geopolitische Alternative: Lithium-Batterien geraten unter Druck
17.04.2025

Angesichts wachsender Abhängigkeit von China bei Lithium-Batterien rücken mechanische Energiespeicher in den Fokus. Eine...

DWN
Technologie
Technologie Japanisches Genie revolutioniert Energiewende – Supermagnet jetzt 20 Milliarden Euro wert
17.04.2025

Im globalen Wettrennen um Energiesouveränität und technologische Vorherrschaft hat sich ein unscheinbares Element als strategischer...

DWN
Politik
Politik Taiwan, Sanktionen und Respekt - China stellt klare Bedingungen für Handelsgespräche mit den USA
17.04.2025

China fordert mehr Respekt und klare Signale der USA, bevor Handelsgespräche beginnen – eine Einigung ist entscheidend für die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steht das Verbrenner-Verbot vorm aus? Europas Rechte bläst zum Gegenschlag gegen EU-Establishment
17.04.2025

Konservative und rechte Kräfte im EU-Parlament wollen das Aus für Verbrennungsmotoren kippen – mit wachsender Unterstützung auch aus...

DWN
Politik
Politik Geheime Chatgruppe: EU-Außenminister betreiben Diplomatie über Signal - auf Einladung Kaja Kallas
17.04.2025

Die Außenminister der Europäischen Union kommunizieren in einer privaten Chatgruppe der verschlüsselten App Signal. Dies bestätigte der...