Politik

Heftiger Streit erschüttert die UN: Bisher standen immer andere am Pranger, jetzt wird der Westen von seiner Kolonial-Vergangenheit eingeholt

Bei den Vereinten Nationen tobt ein heftiger Streit. Die Hochkommissarin für Menschenrechte fordert Reparationen für Jahrhunderte der Sklaverei, afrikanische Staaten planen eine Untersuchungskommission zu Rassismus in den USA. Den Westen holen die Schatten der Vergangenheit ein.
17.06.2020 17:23
Aktualisiert: 17.06.2020 17:23
Lesezeit: 2 min
Heftiger Streit erschüttert die UN: Bisher standen immer andere am Pranger, jetzt wird der Westen von seiner Kolonial-Vergangenheit eingeholt
Ein Mann betrachtet im Generalversammlungsgebäude der Vereinten Nationen in New York Gemälde der ehemaligen UN-Generalsekretäre Boutros Boutros-Ghali (l), Kofi Annan und Ban Ki Moon (r). (Foto: dpa) Foto: Hannibal Hanschke

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, fordert Reparationen für Jahrhunderte voller Gewalt und Diskriminierung infolge von Sklavenhandel und Kolonialisierung. Nötig seien unter anderem auch formelle Entschuldigungen, sagte Bachelet am Mittwoch bei einer Dringlichkeitsdebatte über Rassismus im UN-Menschenrechtsrat in Genf. Afrikanische Staaten hatten die Debatte als Reaktion auf den gewaltsamen Tod von George Floyd in US-Polizeigewahrsam angestoßen.

Sie verlangten eine Untersuchungskommission, um Rassismus und mögliche Menschenrechtsverletzungen in den USA und anderen Staaten der Welt zu beleuchten. Über eine entsprechende Resolution wurde noch verhandelt. Eine Abstimmung war frühestens am Donnerstag zu erwarten.

Eine solche Kommission, die sich in erster Linie mit der Situation in einem westlichen Land befasst, wäre ein beispielloser Vorgang. Keine der 31 Untersuchungskommissionen und Missionen zur Faktenfindung, die der Rat seit 2006 beschlossen hat, bezogen sich auf die Lage in einem westlichen Land. Die seit 2017 eingerichteten Kommissionen drehten sich um die Lage in Venezuela, Myanmar, dem Kongo, den palästinensischen Gebieten und im Jemen.

Am Mittwochnachmittag beginnt auf Antrag der afrikanischen Staaten eine Dringlichkeitsdebatte im Rat, der diese Woche seine im März wegen der Corona-Krise abgebrochene Frühjahrssitzung fortsetzt. Die Antragsteller wollten auch einem Mitglied der Familie von George Floyd Gehör verschaffen. Floyd, ein Schwarzer, war am 25. Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis getötet worden. Sein Tod hat Massenproteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in US-Städten und weltweit ausgelöst.

Im Entwurf der Resolution heißt es, dass Misshandlungen von Menschen mit afrikanischen Wurzeln etwa durch Sicherheitskräfte untersucht werden müssten, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Der Entwurf lieg der Deutschen Presse-Agentur vor.

Resolutionen können im UN-Menschenrechtsrat mit einfacher Mehrheit der 47 Ratsmitglieder beschlossen werden. Die Mitglieder werden jeweils für drei Jahre von der UN-Vollversammlung gewählt. Deutschland ist zur Zeit dabei, ebenso Brasilien, Libyen, der Kongo und Venezuela. Die USA waren 2018 aus dem Rat ausgeschieden. Sie warfen ihm unter anderem Israel-Feindlichkeit vor. Resolutionsentwürfe werden vor Abstimmungen in Verhandlungen immer noch stark verändert.

Der US-Botschafter in Genf, Andrew Bremberg, teilte mit, die USA seien der größte Verfechter der Menschenrechte weltweit. Andere Länder sollten sich ein Beispiel an der Art und Weise nehmen, wie die USA Menschenrechtsverletzer zur Rechenschaft ziehe. „Leider gibt es zu viele Orte in der Welt, wo Regierungen schwere Menschenrechtsverletzungen begehen und wo systematischer Rassismus an der Tagesordnung ist, während viele von denen, die in Genf versammelt sind, schweigen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...

DWN
Politik
Politik Kanada knickt ein: Handelsgespräche mit den USA nach Steuer-Rückzug wieder aufgenommen
30.06.2025

Die Regierung Trudeau muss einlenken: Kanada streicht die Digitalsteuer für US-Konzerne – sonst drohen massive Strafzölle. Die USA...

DWN
Politik
Politik Analyse: „Achse des Bösen“ knistert – Iran hat keine Freunde
30.06.2025

Die „Achse des Bösen“ wackelt: Nach den westlichen Angriffen auf Iran schweigen Russland, China und Nordkorea auffällig. Für den...

DWN
Politik
Politik Iran droht Trump indirekt mit dem Tod – Waffenruhe in Gaza in Sicht?
30.06.2025

Zwischen Drohungen, Diplomatie und geopolitischem Kalkül: Der Iran richtet scharfe Worte an Donald Trump und spricht gleichzeitig über...

DWN
Politik
Politik Citigroup-Chefin sieht Revolution der Wirtschaft: Größer als Trumps Handelskrieg
30.06.2025

Citigroup-Chefin Jane Fraser sieht im Exklusiv-Interview die KI als größte Umwälzung seit Jahrzehnten. Trump, Handelspolitik und Zölle...

DWN
Panorama
Panorama Merz-Fake News: Warum sich Falschnachrichten über Kanzler Merz derzeit so stark verbreiten
30.06.2025

Gezielte Falschinformationen, manipulierte Videos und absurde Behauptungen über Kanzler Merz fluten die sozialen Netzwerke. Was steckt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Payback-Punkte sammeln mit der Girocard: Sparkassen schließen sich an
30.06.2025

Payback kooperiert jetzt mit den Sparkassen – ein wichtiger Schritt für das größte Bonusprogramm Deutschlands. Doch wie funktioniert...