Außenpolitik nach Bauchgefühl, gefährliches Unwissen und ein unbändiger Wunsch nach einer zweiten Amtszeit - so beschreibt der frühere Nationale Sicherheitsberater John Bolton, der in das Lager der Neocons gehört, den Regierungsstil von US-Präsident Donald Trump. Zudem wirft er dem Präsidenten in seinem neuen Enthüllungsbuch "The Room Where It Happened" vor, seine persönlichen Interessen über die des Landes gestellt und sein Amt wiederholt dafür missbraucht zu haben, wie US-Medien am Mittwoch berichteten. Trump wiederum hat Bolton vorgeworfen, nicht immer die Wahrheit zu sagen. Konfrontiert mit den jüngsten Vorwürfen sagte der Präsident dem „Wall Street Journal“, Bolton sei ein „Lügner“.
Nur an Wiederwahl interessiert?
In Bezug auf China habe Trump in den Verhandlungen um ein Handelsabkommen mehrfach klargemacht, dass es ihm darum gehe, ein Ergebnis zu erzielen, das es ihm erlauben würde, bei der US-Wahl im November in den landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten zu siegen, schreibt Bolton demnach. Chinas Versprechen, mehr landwirtschaftliche Produkte zu kaufen, seien ein wichtiger Teil des Abkommens gewesen. Trump habe Chinas Präsident Xi Jinping gebeten, sicherzustellen, „dass er gewinnen würde“, schreibt Bolton demnach. „Er betonte die Bedeutung von Landwirten und von größeren chinesischen Käufen von Sojabohnen und Weizen für den Ausgang der Wahl“, schrieb Bolton. „Ein Präsident darf die legitime Macht der Regierung nicht missbrauchen, in dem er seine persönlichen Interessen mit den Interessen des Landes gleichsetzt ...“, schreibt Bolton über Trump. Auch gegen Berater des Präsidenten, darunter Schwiegersohn Jared Kushner, teilt Bolton aus - Selbstkritik scheint allerdings Mangelware.
Bolton über China
Bolton wirft Trump vor, gegenüber China viel zu nachsichtig gewesen zu sein. Doch seine Kritik verwundert sehr. Nach Informationen von The Hill sagte er im Jahr 2018 im Zusammenhang mit der Situation in Nordkorea: „Washington kann Peking zwei Zusicherungen anbieten, um die chinesischen Sorgen zu lindern. Erstens würden wir eng mit China zusammenarbeiten, um massive Flüchtlingsströme nach China oder Südkorea zu verhindern. Unsere gemeinsamen Interessen sind hier klar. Zweitens, wenn der Norden zu kollabieren beginnt, werden alliierte Streitkräfte notwendigerweise die Demilitarisierte Zone in Korea (DMZ) durchqueren müssen, um Pjöngjangs nukleare, chemische und biologische Waffenbestände zu lokalisieren und zu sichern und die bürgerliche Ordnung aufrechtzuerhalten“. Er plädierte also für eine Zusammenarbeit mit China, weil beide Länder „gemeinsamer Interessen“ hätten.
Gefahr für die Nationale Sicherheit
Bolton stellte während seiner Amtszeit als nationaler Sicherheitsberater von Trump nach Ansicht von Beobachtern nicht nur eine Gefahr für den Nahen Osten und die Stabilität der EU dar, sondern vor allem auch für die Sicherheit der USA selbst. Während seiner Amtszeit als UN-Botschafter der USA zwischen August 2005 und Dezember 2006 machte er mehrmals seine Verachtung für die UN deutlich. Seine Ernennung zum UN-Botschafter wurde in den USA von zahlreichen US-Diplomaten und Kongressmitgliedern kritisiert, zumal er sich auch schon zuvor im Jahr 1994 im Rahmen einer Senatsanhörung abschätzig über die UN geäußert hatte.
Bolton über Russland
Auffällig ist, dass Bolton zu Beginn seiner Amtszeit als Nationaler Sicherheitsberater den US-Präsidenten insbesondere für dessen Außenpolitik lobte. Im Zusammenhang mit Russland sagte er nach Angaben von Politico über Trump: „Viele der Kritiker des Präsidenten haben versucht, politisches Kapital aus Theorien und Annahmen zu machen, die sich als völlig falsch herausgestellt haben (...) Aber ich denke, der Präsident hat trotz des politischen Lärms in den USA festgestellt, dass die direkte Kommunikation zwischen ihm und Präsident Putin im Interesse der USA, im Interesse Russlands, im Interesse von Frieden und Sicherheit auf der ganzen Welt liegt. Viele Leute haben im Laufe der Zeit gesagt oder angedeutet, dass ein Treffen zwischen Präsident Trump und Präsident Putin irgendwie einen Zusammenhang zwischen der Trump-Wahlkampagne und dem Kreml beweisen würde, was völliger Unsinn ist.“
Nun kommt ein weiterer Widerspruch. Denn in einem Gastbeitrag für The Hill schreibt er: „Putins globale Bestrebungen sind Amerika gegenüber nicht freundlich. Je früher er weiß, dass wir es wissen, desto besser. Es reicht jedoch nicht aus, Strafanzeigen gegen russische Staatsbürger einzureichen. Noch sind auch Wirtschaftssanktionen bei weitem nicht ausreichend, um unseren Unmut zu beweisen ... Wir müssen Strukturen der Abschreckung im Cyberspace-Bereich schaffen, wie wir dies mit Atomwaffen getan haben, um zukünftige russische Angriffe oder Angriffe anderer zu verhindern, die unsere Interessen bedrohen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist eine vergeltende Cyber-Kampagne gegen Russland durchzuführen. Diese Anstrengung sollte nicht proportional zu dem stehen, was wir gerade erlebt haben. Es sollte entschieden unverhältnismäßig sein.“
Ein Hasardeur ernennt einen Hasardeur
Eins ist klar: Die Ausführungen von Bolton sind mit großer Vorsicht zu genießen. Aber: Deutlich ist, dass Trump einen Hasardeur zum Nationalen Sicherheitsberater bestellte. Einen Hasardeur, von dem völlig unklar ist, ob er einer stringenten Strategie folgte, oder genau das tat, was er seinem Präsidenten vorwirft: Außenpolitik nach Bauchgefühl zu treiben. Unklar bleibt auch, wer zu Boltons Zeit wirklich die außenpolitischen Entscheidungen traf: Donald Trump - oder ein entfesselter Nationaler Sicherheitsberater.