Der krisengeplagte Aachener Elektroautohersteller e.Go Mobile hat ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Das Amtsgericht Aachen habe das Verfahren eröffnet und den bisherigen Vorstand sowie zwei Anwälte als operative Verantwortliche benannt, gab das Unternehmen am vergangenen Donnerstag bekannt. Bereits Anfang April hatte e.Go ein Schutzschirmverfahren zur Rettung des Unternehmens beantragt. e.Go Mobile muss bis Ende Juli einen „hohen zweistelligen Millionenbetrag“ aufbringen, sagte Geschäftsführer Günther Schuh am vergangenen Donnerstag. Eine exakte Summe nannte er nicht.
Für den Monat Juli kündigte der Autobauer an, die Produktion und weitere Entwicklungen auszusetzen. Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise hatten die Bänder bei e.Go bereits wochenlang stillgestanden. Für betroffene Mitarbeiter habe man nun Kurzarbeit angemeldet – das betrifft nach Angaben einer Sprecherin 80 Prozent der Belegschaft und damit etwa 340 Angestellte.
Das Hauptproblem: die produzierten Autos finden einfach nicht genug Käufer. Die Aachener hatten im vergangenen Jahr ihr selbst gestecktes Ziel verfehlt, 1.000 Fahrzeuge zu verkaufen. Am Ende waren es nur 540, berichtet der WDR. Das Phänomen der Kaufzurückhaltung ist bei nahezu allen Herstellern von Elektrowagen zu erkennen – obwohl die Nachfrage in vielen Ländern mithilfe von staatlichen Subventionen seit Jahren gestützt wird. e.Go betonte laut Mitteilung, weiter mit potenziellen nationalen sowie internationalen Investoren zu verhandeln. „Wir sind daher zuversichtlich, mit etwas mehr Zeit eine gute Lösung zu finden“, sagte Schuh.
Corona hat schon mehreren E-Zombies den Rest gegeben
Die Schwierigkeiten, in denen sich der deutsche Elektroautobauer befindet, werfen ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der gesamten Branche weltweit. So ist auch der chinesische Elektroautobauer Byton wegen der Corona-Pandemie in schwere Bedrängnis geraten.
Die vor drei Jahren mit ehrgeizigen Expansionsplänen gegründete Firma kündigte Ende Juni an, die Produktion ab 1. Juli auszusetzen, um sich neu aufzustellen. „Die neue Coronavirus-Pandemie hat die Finanzierung und den Produktionsbetrieb von Byton vor große Herausforderungen gestellt“, erklärte das Unternehmen, zu dessen Investoren der große staatliche Autohersteller FAW und der bedeutende Batteriehersteller CATL gehören. Man habe sich nach Abstimmung mit den Aktionären daher entschlossen, einen Plan zur Senkung der Personalkosten und zur strategischen Neuorganisation auf den Weg zu bringen.
Byton gehört zu einer Reihe von neu gegründeten Tesla-Herausforderern, mit denen China eine eigene E-Autoindustrie aufbauen will. Dabei wurde dem Startup aus Nanjing als einem der wenigen zugetraut, auch außerhalb Chinas Fuß zu fassen. Auf mehreren Automessen, zuletzt bei der IAA vergangenes Jahr in Frankfurt, trommelte das Management für den Elektro-SUV M-Byte, der 2021 auch in Europa auf den Markt kommen soll.
Erst im April hatte der Branchendienst Electrek berichtet, dass Byton Hunderte Mitarbeiter in Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien in Zwangsurlaub geschickt habe. Byton wurde im September 2017 von Future Mobility aus der Taufe gehoben, einem Unternehmen, das von ehemaligen BMW- und Nissan-Managern mitgegründet wurde.
Auch beim US-Autobauer und Zulieferer Karma Automotive herrscht eine sehr angespannte Lage. Wie der Branchendienst electrive.net berichtet, steuert das Unternehmen auf einen Insolvenzantrag nach Kapitel 11 der amerikanischen Insolvenzordnung zu – was das Unternehmen allerdings in einem Brief, den kein verantwortlicher Manager unterschrieben hat, verneint.
Dennoch gesteht Karma Automotive in dem Schreiben ein, dass die Lage derzeit kompliziert ist, wie electrive.net weiter berichtet. „Die gesamte Autoindustrie war von der Pandemie außerordentlich stark betroffen. Trotz dieser herausfordernden Bedingungen wird sich Karma aggressiv darauf konzentrieren, ehrgeizige und aufregende Möglichkeiten zu verfolgen, die von seinen einzigartigen Technologien, Produkten und Lösungen profitieren“, heißt es in dem Brief. Die Wanxiang Group – welche das Unternehmen seit 2015 besitzt – stimme diesen Aktivitäten „voll und ganz zu und hat zusätzliche finanzielle Unterstützung gewährt“.
Das Scheitern ist der Normalfall
Die österreichische Kronen Zeitung berichtete Ende März in einer interessanten Auflistung, dass das Scheitern bei Elektroautobauern weltweit zum Normalfall gehört. In den vergangenen Jahren seien demnach zahlreiche Unternehmen vom Markt verschwunden oder stehen derzeit kurz davor. Sinnbildlich dafür steht etwa der Hersteller Aptera, über dessen junge Firmengeschichte die Kronen Zeitung schreibt:
Ebenfalls ein frühes E-Auto entwickelte die 2005 in Kalifornien gegründete Firma Aptera Motors. Die Idee war der Bau eines besonders windschlüpfigen Niedrigenergie-Fahrzeugs mit fast schon erwachsenen Fahrleistungen und 160 Kilometer Reichweite. Ursprünglich wurde ein Stückpreis von 25.000 US-Dollar angepeilt, Anzahlungen hat Aptera in größerer Zahl entgegengenommen. 2011 folgte allerdings die Pleite. Auch hinter einem 2013 angekündigten Comeback steckte wohl nur wenig mehr als heiße Luft. Umso erstaunlicher erscheint die Neugründung von Aptera im Jahr 2019, der einige erfolgreiche Finanzierungsrunden folgten. Ob der Neustart dieses Mal gelingt, bleibt abzuwarten.
Zu den gescheiterten E-Projekten der vergangenen Jahre gehören demnach auch Lightning GT aus Großbritannien (Produktion wurde nie aufgenommen), das südafrikanische Van-Projekt Joule (Pleite 2012), der finnisch-norwegische Kleinstwagen Think City (Pleite 2011) und der Kleinwagen Mia Electric (Pleite 2013).
Auch in der jüngeren Vergangenheit riss die Pleitewelle indes nicht ab, sondern der Umfang von Insolvenzen oder nie realisierten Projekten nahm eher noch zu. So haben sich die großen Hoffnungen, welche in das US-Projekt Detroit Electric und den von Chinesen übernommenen Traditionshersteller Borgward gesetzt wurden, nie materialisiert.
„Bereits Ende 2018 erteilte Tech-Gigant Apple seinem E-Auto-Projekt und damit mehreren Tausend daran beteiligten Angestellten eine Abfuhr. Im Oktober 2019 hat die für ihre Designer-Staubsauger bekannte Firma Dyson ihr erst 2017 angekündigtes E-Auto-Projekt beendet, da Firmengründer James Dyson keine kommerziellen Chancen sieht. Erst kürzlich hat die US-Firma Workhorse verraten, die Entwicklung des E-Pick-ups W-15 nicht mehr weiter voranzutreiben. Jüngster Aussteiger ist die Deutsche Post, die noch in diesem Jahr die Produktion des Lieferwagens Streetscooter einstellen will, in welche das Logistikunternehmen bislang eine dreistellige Millionensumme investiert hat“, schreibt die Kronen Zeitung.
Sono Motors aus München oder das Micro-Mobil One des schwedischen Start-ups Uniti sind zwar nicht insolvent, beide Unternehmen kämpfen derzeit aber mit finanziellen Schwierigkeiten, wodurch die Markteinführung eines solarbetriebenen Kleinbusses (Sono Motors) beziehungsweise des Kleinstwagen von Uniti bislang nicht realisiert werden konnte. Und in jüngerer Vergangenheit haben nicht nur Morgan und Aston Martin ihre Elektro-Ambitionen auf Eis gelegt, sondern auch der Nissan-Ableger Infiniti hat seine 2012 angekündigten E-Projekte nie verwirklicht – ebenso wie die namhaften Hersteller General Motors, Mini, Fiat, Mercedes oder Volvo.
Es gibt aber auch Lichtblicke
Der ebenfalls schon in schweres Fahrwasser geratene chinesische Elektroautohersteller Nio lieferte im Juni 3.740 Fahrzeuge aus, was einen neuen Monatsrekord darstellt. Mit Auslieferungen von 10.331 Fahrzeugen im zweiten Quartal wurde zudem die vorherige Prognose übertroffen. „Im Juni erreichten wir einen historischen Höchststand bei den monatlichen Auslieferungen und trugen damit zu unserem besten Quartalsergebnis bei", sagte William Bin Li, Gründer und Vorstandsvorsitzender, in einer Erklärung.