Finanzen

Wie Deutschlands Tec-Mittelständler die Börsen stürmen

Grundsätzlich scheuen Deutschlands Mittelständler den Gang an den Kapitalmarkt, weil die Kosten und der Aufwand relativ hoch sind. Doch zeichnet sich derzeit ein neuer Trend ab.
18.07.2020 09:10
Lesezeit: 3 min
Wie Deutschlands Tec-Mittelständler die Börsen stürmen
Ein Mitarbeiter der Sartorius AG justiert eine Präzions-Waage. (Foto: dpa) Foto: Swen Pf

„Die Privatplatzierung und Börsennotierung ist der logische nächste Schritt auf unserem Weg, eine der führenden Technologiegruppen mit Fokus auf den deutschen Mittelstand aufzubauen“, so Marco Brockhaus, CEO der Beteiligungsgesellschaft Brockhaus (BCM). „Die geplante Kapitalerhöhung wird es uns ermöglichen, das anorganische Wachstum der Gruppe durch zusätzliche Akquisitionen und die Umsetzung unserer starken Pipeline weiter voranzutreiben“, so der Manager, der auch das Unternehmen gegründet und ihm seinen Namen gegeben hat.

Dies erklärte Brockhaus Anfang Juli, als BCM weitere Einzelheiten seines geplanten Börsenganges der Öffentlichkeit präsentierte. Damit setzt das Unternehmen ihre Pläne für den Bau einer Technologieholding mit einem Initial Public Offering (IPO) konkret um, die erstmals 2017 in der Finanz-Presse die Runde gemacht hatten.

Derzeit investiert die Kapitalgruppe in zwei deutsche Unternehmen. Dazu gehören IHSE, ein Anbieter für besondere IT-Infrastrukturkomponenten, sowie die Palas GmbH, die Mess-Geräte für Partikel in der Luft herstellt.

Dass gerade BCM, das seinen Fokus auf mittelständische Tec-Firmen gelegt hat, momentan sein IPO in Angriff nimmt, ist kein Zufall, sondern spiegelt einen Trend am Markt wider. Denn diese Firmengruppe spielt an der Börse eine immer größere Rolle. So hat der Nürnberger Datenbank-Anbieter Exasol gerade Ende Mai als erstes Unternehmen während der Pandemie den Gang aufs Parkett gewagt.

Die Aktie legte am ersten Handelstag stark um 50 Prozent zu, so dass die Kommentare der Aktienfachdienste allesamt sehr positiv ausfielen: "Man muss lange nachdenken, wann ein Börsengang in Frankfurt zuletzt so erfolgreich war", analysierte "4Investors". „Ein fulminanter Börsengang“, schrieb „Der Aktionär“. "Ein furioser Start", freute sich die ARD.

So positiv der Einstand am Kapitalmarkt verlief, so gut entwickelten sich auch die Geschäfte im ersten Halbjahr: Exasol verzeichnete nach eigenen Aussagen nur geringe Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die finanzielle und operative Performance in den ersten sechs Monaten 2020. So bestätigte die Firma weiterhin starkes Wachstum der Umsätze. Die Erlöse kletterten bis Ende Juni 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30 Prozent auf 20,8 Millionen Euro.

Mittelständler setzen überwiegend auf Eigenmittel und Bankkredite

Der Börsengang von Exasol ist auch deswegen so interessant, weil die mittelständischen Unternehmen es in der Regel scheuen, ihr Kapital von den Aktienmärkten zu holen. In den Statistiken gibt es nicht einmal eine eigene Kategorie für diese Finanzierungsquelle - so gering ist ihr Anteil. Sie versteckt sich in der Rubrik "Sonstiges", die nicht wesentlich mehr als fünf Prozent an den Gesamtvolumina einnimmt. Der Großteil sind Eigenmittel, die rund 45 Prozent der Mittel ausmachen. In vielen Fällen stützen sich die Mittelständler auf Bankkredite (etwa 35 Prozent) Ein nicht unwesentlicher Teil von 15 Prozent sind Fördergelder.

Ein Grund, warum viele Mittelständler einen Bogen um die Kapitalmärkte machen, sind die Kosten und der Aufwand: Die Provision der Banken, die den IPO begleiten und nach interessierten Investoren für das Unternehmen suchen, reißt mit Abstand das größte Loch in Kasse. Mindestens die Hälfte der Aufwendungen entfällt auf die Dienstleistung der Investmentbanken.

Darüber hinaus müssen die Unternehmen IPO-Berater, Rechtsanwälte und die Kosten für das Listing an der Börse bezahlen. Insgesamt nehmen die Vorbereitungen für einen Börsengang zwischen sechs und zwölf Monate in Anspruch. Sie kosten einen Betrag, der etwa zehn Prozent des Bruttoemissionserlöses entspricht. Werden viele Aktien gezeichnet, kommt so schnell ein Millionenbetrag zusammen – also eine Summe, die kleinere Firmen nicht so leicht aufbringen können.

Ein Mittelständler, der diese Mühen nicht gescheut hat, ist der Pharma- und Laborausrüster Sartorius aus Göttingen, der im TecDax eine gewichtige Rolle einnimmt. Die Vorzugsaktien haben in den vergangenen sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahr um fast 60 Prozent auf Werte von mehr als 300 Euro zugelegt – der Pandemie zum Trotz. Bei den Aktienfachdiensten gilt der Ausrüster als „Börsenliebling“. So bringt Sartorius mit knapp 20 Milliarden Euro eine Marktkapitalisierung auf die Waage, die größer ist als bei RWE und bei der Deutschen Bank – den alten Traditions-Unternehmen des Dax.

Diese solide Performance am Kapitalmarkt spiegelt sich auch in den Geschäften des Unternehmens wider: Der Ausrüster hat wahrscheinlich im zweiten Quartal seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Fünftel auf rund 550 Millionen Euro erhöht. Davon gehen aktuelle Schätzungen von Analysten aus. Der Vorstand wird die Ergebnisse am 21. Juli auf der Finanzkonferenz präsentieren.

Auch TeamViewer überzeugt

Ebenso stark zeigten sich die Papiere von TeamViewer, der Software-Hersteller für Videokonferenzen aus Göppingen, der auch von der Pandemie profitiert. Die Aktie ist im vergangenen halben Jahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 70 Prozent auf Niveaus um 50 Euro gesprungen.

Denn die Arbeitgeber haben ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr oft ins Homeoffice geschickt und die Meetings per Videokonferenz abgehalten. Der Produzent hat im ersten Quartal seine Umsätze im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 18 Prozent auf 102,7 Millionen Euro gesteigert. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen (EBITDA) verdoppelte sich sogar auf 73,9 Millionen Euro.

TeamViewer war bereits im September des vergangenen Jahres an die Börse gekommen. Das Unternehmen hatte einen Erlös von 2,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. Aktien-Fachdienste bewerteten dieses IPO zwar kritisch, weil sie sich mehr erhofft hatten. Doch kann man die weitere Performance von TeamViewer trotzdem als positiv bewerten.

Die gute Entwicklung der deutschen Tec-Unternehmen zeigt, dass der CEO von BCM, Markus Brockhaus, einen guten Riecher hatte, auf diese Firmengruppe zu setzen. Doch hat der Manager einmal auf ein völlig falsches Pferd gesetzt – und dieser Lapsus hatte es auch in sich: So gehörte Brockhaus zu den ersten Minderheitsinvestoren beim Münchner Zahlungsdienstleister Wirecard, der gerade unter anderem wegen Marktmanipulation die Schlagzeilen füllt.

Immerhin hatte BCM seine Beteiligung bereits in den Jahren 2006 und 2007 verkauft, so dass man jetzt keine direkte Verbindung mehr zwischen der Kapitalgruppe und dem skandalträchtigen Finanzdienstleister ziehen kann. Hier bleibt allenfalls ein kleiner Nachgeschmack.

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