Politik

Mittelstand: Das Lieferkettengesetz der Bundesregierung ist unrealistisch

Dem Mittelstand zufolge ist das geplante Lieferkettengesetz, wonach deutsche Unternehmen im Ausland die Menschenrechte einhalten sollen, unrealistisch. „Wie soll etwa ein kleines deutsches Textilunternehmen sicherstellen, dass auf den indischen Baumwollfeldern die Pflückerinnen nicht mit Pflanzenschutzmitteln in Berührung kommen?“, fragt der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven.
20.07.2020 09:38
Lesezeit: 1 min
Mittelstand: Das Lieferkettengesetz der Bundesregierung ist unrealistisch
14.07.2020, Berlin: Gerd Müller (CSU), Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, zeigt einen Teebeutel, der unter Einhaltung der Menschenrechte hergestellt wurde. (Foto: dpa) Foto: Michael Kappeler

Entwicklungsminister Gerd Müller, Arbeitsminister Hubertus Heil und Außenminister Heiko Maas setzen sich für ein Lieferkettengesetz für deutsche Unternehmen ein, wonach deutsche Unternehmen im Ausland besser zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden sollen.

Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BMVW), Mario Ohoven, sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Das Lieferkettengesetz soll deutsche Unternehmen, die im Ausland produzieren (lassen), zwingen, dort für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen, bei Verstößen können sie haftbar gemacht werden. Dass die Menschen- und Arbeitsrechte universal gelten und einzuhalten sind, versteht sich von selbst. Ob allerdings der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg zum Ziel führt, ist mehr als fraglich. Am ärgerlichsten ist der implizite Generalverdacht gegen den deutschen Mittelstand, so als hätten die Unternehmer nur Eines im Sinn, die Menschen in den Herstellerländern auszubeuten.“

Das geplante Gesetz habe keinen Realitätsbezug. „Realitätsfern ist das Lieferkettengesetz auch aus einem weiteren Grund. Im Jahr 2018 exportierten deutsche Firmen Waren im Wert von mehr als 1,3 Billionen Euro. In rund 60 Prozent der ausgeführten Güter stecken wiederum Komponenten, die zuvor im Ausland hergestellt wurden. Und gut 85 Prozent des Welthandels finden nicht mehr zwischen Staaten statt, sondern innerhalb von Netzwerken und eben Lieferketten. Nur ein Beispiel: Die globalen Lieferketten der mittelstandstypischen Metall- und Elektroindustrie bestehen im Normalfall aus mindestens 15 Zulieferern“, so Ohoven.

Bei der Umsetzung des geplanten Gesetzes wird es Probleme geben, weil deutsche Unternehmen keinen Einfluss auf die Standards im Ausland haben. Dazu führt Ohoven aus: „Schon der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass angesichts dieses hohen internationalen Vernetzungsgrades kein Unternehmen die Hand für jeden seiner Geschäftspartner vor Ort ins Feuer legen kann. Wie soll etwa ein kleines deutsches Textilunternehmen sicherstellen, dass auf den indischen Baumwollfeldern die Pflückerinnen nicht mit Pflanzenschutzmitteln in Berührung kommen? Doch genau in solchen Fällen müsste der Auftraggeber in Deutschland laut Lieferkettengesetz für seine Subunternehmer haften. Er stünde also latent mit einem Bein im Gefängnis. Es hat keinen Sinn, etwas vorzuschreiben, von dem im Vornherein klar ist, dass es nicht einzuhalten ist.“

Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft stemmen sich ebenfalls gegen eine gesetzliche Regelung. Die deutsche Wirtschaft verhalte sich bei ihren Aktivitäten im Ausland vorbildlich und fühle sich auch dort den Menschenrechten verpflichtet, hatte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung BDA, Steffen Kampeter, dem Deutschlandfunk mitgeteilt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Finanzen
Finanzen Inflationskrise USA: Warum 2026 zum gefährlichsten Jahr werden könnte
26.12.2025

Die Warnung eines führenden Ökonomen zeichnet ein düsteres Bild für die USA. Die Rückkehr einer hartnäckigen Inflationswelle könnte...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Familienunternehmen Voelkel: Mit Ingwer-Shots zur größten Bio-Safterei der Welt
26.12.2025

Voelkel ist bekannt für seine Obst- und Gemüsesäfte aus biologischem Anbau. Stefan Voelkel leitet das Unternehmen in dritter Generation...

DWN
Technologie
Technologie Autonomes Fahren: Bolt bringt chinesische Technologie nach Europa
26.12.2025

Europa erlebt eine neue Phase im Wettbewerb um autonome Mobilität, da chinesische Technologieanbieter zunehmend mit großen...

DWN
Panorama
Panorama Die spektakulärsten Weihnachtsbäume weltweit: Wenn Tradition zur Show wird
26.12.2025

Lichtermeere, Rekordhöhen und ungewöhnliche Kulissen: Rund um den Globus werden Weihnachtsbäume zu echten Spektakeln. Von italienischen...

DWN
Immobilien
Immobilien The Line: Saudi Arabiens hochgestapelte Megacity quer durch die Wüste
26.12.2025

Eines der wohl ambitioniertesten und innovativsten Infrastrukturprojekte unserer Zeit ist The Line. Die von Saudi-Arabien geplante...

DWN
Finanzen
Finanzen Dotcom-Blase der 1990er: Wie Spekulationen den Markt auf den Kopf stellte
26.12.2025

Die späten 1990er Jahre waren geprägt von einem beispiellosen Börsenboom im Technologiesektor, der als Dotcom-Blase bekannt wurde....

DWN
Politik
Politik Demokratie unter Dauerstress: Der globale Trend zur Autokratie
26.12.2025

2026 könnte zum Wendepunkt werden: Von Washington bis Berlin geraten liberale Demokratien unter Druck. Autokraten gewinnen Einfluss,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Prognose: Startet die deutsche Wirtschaft 2026 endlich durch?
25.12.2025

Drei Jahre Flaute, kaum Wachstum – doch 2026 könnte die deutsche Wirtschaft endlich drehen. Prognosen deuten auf leichte Erholung,...