Wirtschaft

Russland: Bruttosozialprodukt bricht ein, Staat leistet kaum Hilfe

Das russische BIP wird dieses Jahr stark zurückgehen.
25.07.2020 08:33
Lesezeit: 2 min

Das russische Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird im Zuge der Corona-Krise dieses Jahr von einem starken Rückgang betroffen sein. Wie hoch dieser ausfällt, ist allerdings unter Ökonomen umstritten. Die Prognosen reichen von minus 2,0 Prozent bis minus 8,2 Prozent. Das russische Wirtschaftsministerium geht von minus 4,8 Prozent aus.

Hier eine Übersicht der Prognosen ausgesuchter Banken, Wirtschaftsinstitute, internationaler Organisationen und Regierungseinrichtungen (in Prozent):

  • Commerzbank: -2,0
  • Sberbank (größte Bank Russlands): -4,2
  • Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): -4,2
  • OPEC: -4,5
  • Reuters-Umfrage unter Analysten: -4,5
  • Russisches Wirtschaftsministerium: -4,8
  • The Economist: -5,2
  • Unicredit: -5,4
  • Weltbank: -6,0
  • Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel): -6,5
  • Internationaler Währungsfonds (IWF): -6,6
  • Ifo-Institut: -7,5
  • OECD: -8,0
  • CMASF (Think Tank in Moskau) -8,2

Die starke Varianz der Zahlen überrascht (und lässt den Beobachter bis zu einem gewissen Grad am Aussagewert solcher Prognosen zweifeln). Zwei Faktoren können allerdings in gewissem Maße die Unterschiede erklären:

  • Zum einen die starke Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von Rohstoffen, vor allem Erdöl und Erdgas, aber auch Metallen. Im März gab Russlands Finanzminister Anton Siluanov bekannt, dass das Land in diesem Jahr beim Export von Öl und Gas Einbußen von fast 40 Milliarden US-Dollar verzeichnen wird. Abhängig davon, wie sich die Preise für die beiden wichtigen Exportgüter für den Rest des Jahres entwickeln werden, fällt auch der Rückgang des russischen BIP aus – was wiederum bedeutet, dass die Prognosen für den BIP-Rückgang in hohem Maße davon abhängen, wie die jeweiligen Prognostiker die Entwicklung der Rohstoff-Preise einschätzen.
  • Zum anderen, dass der Anteil des informellen Sektors an Russlands Volkswirtschaft sehr hoch ist, Schätzungen zufolge einen Umfang von fast 40 Prozent am gesamten BIP-Volumen hat. Die Prognose für den BIP-Rückgang hängt also auch stark davon ab, wie hoch die einzelnen Prognostiker den Umfang und die Dynamik der Schattenwirtschaft einschätzen, vor allem vor dem Hintergrund der Corona-Krise (schließlich betraf der Lockdown die nicht-staatlichen Unternehmen massiv), und in welchem Umfang sie diese Schätzung in ihre Prognose mit einfließen lassen.

Kaum Hilfe vom Staat

Vom Staat können Russlands Unternehmen nur vergleichsweise wenig Hilfe erwarten: Er macht lediglich eine Milliarden-Summe im unteren bis mittleren einstelligen Bereich locker (zum besseren Verständnis: der gesamte föderale Haushalt für 2020 beträgt rund 280 Milliarden Euro, das russische BIP betrug 2019 1.657 Milliarden Euro). Der Grund: Man will die sehr guten Haushaltszahlen nicht gefährden – die Verschuldung beträgt gerade einmal 15 Prozent des BIP, wobei der russische Finanzminister letztes Jahr sogar ein Plus von 1,8 Prozent verkünden konnte. Dieses Jahr wird es wohl ein Minus von circa 5 Prozent geben – immer noch wenig verglichen mit dem Haushaltsminus der meisten westlichen Industriestaaten (beispielsweise verbuchte der Haushalt der Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2020 ein Minus von 33 Prozent; allein die Höhe der kurzfristig beschlossenen zusätzlichen Kredite beträgt 156 Milliarden Euro).

Sparsamkeit hat ihren Preis

Aber die Sparsamkeit des russischen Staates hat ihren Preis: So schätzen Experten, dass bis August rund eine Million Unternehmen ihren Betrieb eingestellt haben werden. Nach Berechnungen des „Economist“ wird Russland erst Ende 2024 wieder das Niveau von Ende 2019 erreicht haben. In allen anderen BRICS-Nationen (Brasilien, Indien, China, Südafrika) soll der Aufschwung rascher vorangehen, ebenso in allen anderen G7-Staaten mit Ausnahme von Japan (Deutschlands Wirtschaft soll sich Ende 2021 oder Anfang 2022 wieder auf dem Stand der Vor-Corona-Zeit befinden).

Immerhin: Die Stimmung in der russischen Wirtschaft befindet sich wieder deutlich im Aufwind. Der Einkaufsmanager-Index für das Verarbeitende Gewerbe sprang von 36,2 Punkten im Mai auf 49,4 Punkte im Juni (Veröffentlichung: 1. Juli) und befand sich damit denkbar knapp von der 50-Punkte-Marke entfernt, die eine unveränderte (also nicht negative) Geschäftsentwicklung anzeigt. Auch der Einkommensmanager-Index für den Dienstleistungs-Sektor verbesserte sich kräftig, und zwar von 35,9 Punkten im Mai auf 47,8 Punkte im Juni (was natürlich immer noch im Negativ-Bereich liegt, aber auf einen baldigen Sprung in den neutralen oder sogar positiven Bereich hoffen lässt).

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell weiter auf hohem Niveau: Kurs steigt deutlich über 4.100 Dollar – Blick geht zur Fed
25.11.2025

Der Goldpreis zieht weiter an und überschreitet wieder wichtige Marken. Doch hinter dem jüngsten Sprung stehen mehr als nur kurzfristige...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Großprojekt Suedlink: Baubeginn trotz jahrelanger Debatten
25.11.2025

Nach jahrelangen Diskussionen fällt heute im thüringischen Wasungen der offizielle Startschuss für den Bau der Stromautobahn Suedlink,...

DWN
Politik
Politik Putins Risikooffensive: Warum 2027 zum Wendepunkt für Europa werden kann
25.11.2025

Ein zunehmend risikofreudiger Kreml und eine bröckelnde amerikanische Schutzgarantie treffen auf ein Europa, das gefährlich unvorbereitet...

DWN
Politik
Politik G20 in Afrika: Geschlossenheit trotz US-Abwesenheit – Signal für Frieden und Entwicklung
24.11.2025

Beim ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden bleibt der Platz der USA demonstrativ leer – doch die übrigen Mitglieder setzen ein...

DWN
Panorama
Panorama Abnehmwirkstoff ohne Alzheimer-Erfolg: Novo-Nordisk-Studie enttäuscht Anleger
24.11.2025

Der Pharmakonzern Novo Nordisk hat mit seinem Abnehmmittel Semaglutid in einer Alzheimer-Studie einen Rückschlag erlitten. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktrisiko: Weshalb Topinvestoren jetzt Alarm schlagen
24.11.2025

Die jüngsten Kursstürze an den Märkten zeigen, wie angespannt die Lage geworden ist. Während Anleger nervös auf jede Bewegung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konjunkturtrübung: Ifo-Index sinkt überraschend – Hoffnungen auf Erholung schwinden
24.11.2025

Die Stimmung in den deutschen Chefetagen hat sich unerwartet eingetrübt: Im November fiel das Ifo-Geschäftsklima auf 88,1 Punkte und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktien auf Jahreshoch: Pharma-Erfolg mit dem Gerinnungshemmer Asundexian
24.11.2025

Nach Jahren des Abstiegs erlebt die Bayer-Aktie einen überraschenden Kursschub. Ein neuer Studienerfolg weckt Hoffnung auf...