Wirtschaft

Historischer Konjunktureinbruch erschüttert die USA - und Deutschland

Die amerikanische Volkswirtschaft wurde im zweiten Quartal von einem massiven Einbruch erschüttert - ebenso wie ihr deutsches Pendant. Am deutschen Aktienmarkt geraten die Kurse unter Druck.
30.07.2020 14:47
Aktualisiert: 30.07.2020 14:47
Lesezeit: 3 min
Historischer Konjunktureinbruch erschüttert die USA - und Deutschland
US-Flaggen vor dem Kapitol. (Foto: dpa) Foto: Liu Jie

Die Wirtschaftsleistung in den USA ist im zweiten Quartal wegen der Coronavirus-Pandemie trotz gewaltiger Konjunkturpakete dramatisch eingebrochen. Von April bis einschließlich Juni schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufs Jahr hochgerechnet um 32,9 Prozent ein, wie die US-Regierung am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das war der tiefste Einbruch in einem Vierteljahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Nach der in Europa gebräuchlichen Berichtsweise im Quartalsvergleich entspräche das umgerechnet etwa einem Minus von fast 10 Prozent.

Im ersten Vierteljahr war die US-Wirtschaft aufs Jahr hochgerechnet bereits um 5 Prozent geschrumpft. Die Zuspitzung der Corona-Pandemie ab Mitte März stürzte die USA dann aber in eine schwere Wirtschaftskrise. In der zweiten Maihälfte und im Juni gab es bereits wieder Zeichen einer Erholung. Seit Ende Juni hat die Zahl der Neuinfektionen aber wieder dramatisch zugenommen, was zu neuerlichen Einschränkungen des Wirtschaftslebens geführt hat und das Wachstum erneut ausbremsen dürfte.

Die Arbeitslosenquote - an deren Berechnungsmethode es ernste Zweifel gibt - lag im Juni bei 11,1 Prozent. Vor der Pandemie hatte sie noch bei 3,5 Prozent gelegen. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA bleibt auf historisch hohem Niveau. In der Woche bis einschließlich 25. Juli stellten 1,434 Millionen Menschen einen Neuantrag, wie das Arbeitsministerium in Washington am Donnerstag mitteilte. Das war eine leichte Zunahme um 12 000 Anträge im Vergleich zur Vorwoche. Die Neuanträge auf Arbeitslosengeld spiegeln die kurzfristige Entwicklung des Arbeitsmarkts wider.

Die hohen Werte zeigen, dass sich die größte Volkswirtschaft der Welt trotz Lockerungen der Corona-Auflagen immer noch in einer schweren Krise befindet. Die dramatische Zunahme der Neuinfektionen seit Ende Juni hat in vielen Bundesstaaten erneut zu Einschränkungen des Wirtschaftslebens geführt. Vor Beginn der Coronavirus-Pandemie war die Zahl der wöchentlichen Neuanträge selten über 100 000 gestiegen.

Notenbankchef Jerome Powell hatte am Mittwoch bereits vor einem historischen Einbruch des BIP gewarnt. Er erklärte, die weitere Entwicklung der größten Volkswirtschaft der Welt sei wegen der Pandemie höchst unsicher. «Der Verlauf der Wirtschaft wird in sehr großem Ausmaß vom Verlauf des Virus abhängen», sagte Powell. Ohne eine Eindämmung des Virus sei eine vollständige wirtschaftliche Erholung «unwahrscheinlich», warnte er.

US-Präsident Donald Trumps Regierung hingegen hofft auf eine rasche Erholung der größten Volkswirtschaft der Welt im dritten Quartal. Trump drängt daher trotz Pandemie auf eine rasche Normalisierung des Wirtschaftslebens. Analysten sehen die Hoffnung auf einen schnellen Aufschwung allerdings zumeist skeptischer.

In den USA werden derzeit täglich rund 60 000 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Betroffen sind vor allem Bundesstaaten im Süden und Westen des Landes, in denen rund ein Drittel der US-Bevölkerung lebt. Insgesamt gibt es Daten der Universität Johns Hopkins zufolge inzwischen 4,4 Millionen bestätigte Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 und rund 150 000 damit verbundene Todesfälle.

Der US-Kongress und die Regierung haben seit Beginn der Krise bereits Konjunkturpakete in Höhe von fast drei Billionen US-Dollar beschlossen. Das entspricht mehr als zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Derzeit gibt es im Kongress Verhandlungen über ein weiteres Paket. Die Vorstellungen von Republikanern und Demokraten dazu gehen aber noch weit auseinander.

Deutschland durch schwersten Einbruch seit 1970 erschüttert

Auch in Deutschland war das BIP im zweiten Quartal in noch nie da gewesenem Ausmaß eingebrochen. Es schrumpfte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden in einer ersten Schätzung mitteilte. Es war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970. Selbst auf dem Höhepunkt der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 war das Minus mit 4,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal nur etwa halb so groß. Bereits zum Jahresanfang war die Wirtschaftsleistung gesunken. Deutschland steckt in einer tiefen Rezession.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind im zweiten Quartal die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen erheblich eingebrochen sowie die privaten Konsumausgaben und die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen. Der Staat erhöhte dagegen seine Konsumausgaben. Dazu zählen unter anderem Gehälter der Mitarbeiter.

Im Vorjahresvergleich brach die Wirtschaftsleistung um 11,7 Prozent ein. Den bisher stärksten Rückgang gegenüber einem Vorjahresquartal hatte es während der Wirtschafts- und Finanzkrise mit minus 7,9 Prozent im zweiten Vierteljahr 2009 gegeben.

Dennoch stieg die Zahl der Arbeitslosen von Juni auf Juli nur in saisonüblicher Höhe. Im Juli waren 2,91 Millionen Menschen ohne Job, 57 000 mehr als im Juni und 635 000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote legte binnen Monatsfrist um 0,1 Prozentpunkte auf 6,3 Prozent zu. Der Anstieg sei nicht auf die Corona-Krise zurückzuführen, teilte die Bundesagentur mit. Vor den Sommerferien stellen üblicherweise weniger Betriebe neue Beschäftigte ein und Ausbildungsverhältnisse enden.

Im Mai erhöhte sich die Zahl der Menschen in Kurzarbeit auf 6,7 Millionen. Im April waren es noch 6,1 Millionen. Damit war im Mai nach Hochrechnungen die höchste jemals ermittelte Zahl von Kurzarbeitern in der Bundesrepublik erreicht. Im Juli zeigten Unternehmen für 190 000 Menschen Kurzarbeit an. Die Zahl der tatsächlichen Kurzarbeiter liegt erfahrungsgemäß niedriger, weil Unternehmen Kurzarbeit zum Teil vorsorglich anzeigen.

Abverkäufe am Aktienmarkt

Der historische Einbruch der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal und schwache Geschäftszahlen unter anderem von Volkswagen haben den Dax am Donnerstag auf Talfahrt geschickt. Nach seinem bis zur Wochenmitte recht lethargischen Verlauf büßte der deutsche Leitindex bis zum späten Donnerstag-Mittag rund 4 Prozent auf etwa 12.300 Punkte ein. Der MDax der mittelgroßen Werte sank um 1,46 Prozent auf 26 437,46 Punkte. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verlor 1,5 Prozent.

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