Der Goldpreis ist in den vergangenen zwei Jahren kräftig gestiegen und hat in dieser Woche sogar sein Allzeithoch übertroffen. Vor allem die Corona-Krise hat ihm erheblichen Auftrieb verliehen: Allein seit Mitte März hat er um über dreißig Prozent zugelegt.
Damit hat es das in der Zeit digitaler Krypto-Währungen häufig als „archaisches Relikt“ verspottete Edelmetall seinen Kritikern einmal mehr gezeigt. Zugleich hat sein Höhenflug aber auch eine Reihe von Fragen aufgeworfen: Was treibt den Goldpreis, was bremst ihn immer wieder aus und vor allem: Lässt sich seine weitere Entwicklung zumindest in groben Zügen voraussagen?
Gold gewinnt nicht, aber Währungen verlieren an Wert
Der wichtigste Grundsatz in Bezug auf Gold lautet: Gold ändert seinen Wert (fast) nicht. Gold ist so etwas wie die Urwährung, aus der alle anderen Währungen hervorgegangen sind. Sein Vorrat ist begrenzt und so rar, dass seine weltweite Gesamtmenge, die zurzeit auf knapp 200.000 Tonnen geschätzt wird, in einen Würfel mit einer Kantenlänge von etwas weniger als 22 Meter passen würde. Zudem ist es auch heute noch extrem aufwendig und kostspielig, Gold zu gewinnen, weshalb die globale Menge nur sehr langsam zunimmt.
Während der Wert des Goldes weitgehend gleich bleibt, kann sich sein Preis, wie wir aktuell sehen, kräftig ändern. Das liegt allerdings nicht am Gold, sondern an der Kaufkraft der Währungen, in denen dieser Preis angegeben wird. Derartige Schwankungen traten nicht immer auf, denn es gab Zeiten, in denen der Goldstandard herrschte, Währungen also langfristig fest an das Gold gebunden waren. Auch im aktuellen Finanzsystem, dessen Grundlagen auf die Konferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 zurückgehen, waren die Währungen zunächst über den US-Dollar an das Gold gekoppelt.
Diese Bindung wurde jedoch 1971 aufgehoben. Ein eklatantes Missverhältnis zwischen der im Nachkriegsboom gewaltig angestiegenen Dollarmenge und der nur langsam wachsenden Menge an physischem Gold hatte wegen anziehender Nachfrage zu einem Engpass geführt, der immer kritischere Ausmaße annahm. Dass der Goldpreis nach seiner Freigabe sofort in die Höhe schoss und 1980 einen Höchststand von 850,00 Dollar erreichte, zeigt, dass die US-Währung bereits damals erheblich an Kaufkraft verloren hatte.
Der Goldpreis wird seit Jahrzehnten manipuliert
Zwar hat der Goldpreis seinen Anstieg nach 1980 weiter fortgesetzt, doch verdeutlicht der Chart über die vergangenen vierzig Jahre, dass dieser Anstieg nicht parallel zum Wertverfall des Dollars verlaufen ist. Auch dafür gibt es eine Erklärung: Der Goldpreis wird seit Jahren manipuliert, und zwar deshalb, weil wir seit der Aufhebung der Gold-Dollar-Bindung unter einem Geldsystem leben, das einzig und allein auf dem Vertrauen basiert, das die Menschen ihm entgegenbringen.
Um dieses Vertrauen nicht durch plötzliche Anstiege des Goldpreises untergraben zu lassen, sorgen vor allem die Großbanken der Wall Street dafür, dass der Goldkurs bei jedem Ausbruchsversuch schnellstmöglich wieder eingefangen wird. Das wichtigste Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, war die Schaffung von Papiergold. Das heißt, dass die Goldkäufer kein physisches Gold erhalten, sondern Wertpapiere, die an den Preis des Goldes gekoppelt sind, zum Beispiel Gold-Zertifikate oder börsengehandelte Fonds (ETFs).
Für die Manipulation des Goldpreises hatte die Einführung von Papiergold erhebliche Bedeutung, denn jedes Mal, wenn der Preis anzog, verkauften die Großbanken sich gegenseitig große Mengen von Papiergold und schafften es auf diese Weise, den Preis trotz erhöhter Nachfrage zu drücken.
Wie erfolgreich diese Methode war, zeigte sich 2016 besonders deutlich: Nachdem der Kurs am 6. September auf 1.921,41 US-Dollar angestiegen war, gelang es den Großbanken, ihn bis zum 23. November desselben Jahres bis auf 1.066,80 US-Dollar zu senken und ihn danach nur langsam wieder anziehen zu lassen.
Die Manipulation wird schwieriger
Seitdem allerdings hat sich etwas Grundlegendes geändert. Betrachtet man nämlich die jüngere Vergangenheit, so kann man erkennen, dass die Phasen zwischen einem Rückgang des Goldpreises und seinem erneuten Wiederanstieg immer kürzer werden.
Ganz extrem zeigt sich dieses Phänomen seit Anfang März dieses Jahres. Trotz zahlreicher großer Abverkäufe hat sich der Preis jedes Mal blitzschnell wieder erholt. Das kann nur einen Grund haben, und das ist die extrem hohe Nachfrage nach physischem Gold. Die wiederum ist dem Vertrauensverlust in Papiergold und Währungen auf Grund der aktuellen Krisenlage geschuldet.
Ein entscheidender Faktor für diesen Vertrauensverlust ist die Situation, in die sich die Zentralbanken seit dem Beinahe-Crash von 2007/08 manövriert haben. Zwar ist es ihnen über einen Zeitraum von zwölf Jahren gelungen, das System zu stabilisieren, aber nur um den Preis der Aufblähung der Geldmenge und der kontinuierlichen Senkung von Zinsen.
Nachdem die Federal Reserve – die wegen der Sonderstellung des Dollars bedeutendste Zentralbank der Welt – bei der letzten großen Rettungsaktion im März/April dieses Jahres nicht nur die größten Geldmengen aller Zeiten ins System gepumpt hat, sondern den Zins auch noch auf fast Null senken musste, steht sie den Problemen der Zukunft nun weitgehend hilflos gegenüber. Das hat viele Investoren dazu gebracht, sich vom Papiergold zu verabschieden und die Flucht in den sicheren Hafen physischen Goldes anzutreten – der Hauptgrund für den gegenwärtigen Höhenflug des Edelmetalls.
Den Entscheidern ist die Bedeutung des Goldes bekannt
Natürlich ist den Verantwortlichen der gegenwärtige Anstieg des Goldpreises ein Dorn im Auge. Genau deshalb spielen zahlreiche Journalisten, Wirtschaftsexperten und Politiker seine Bedeutung in der Öffentlichkeit immer wieder herunter. Tatsächlich aber denken die wirklichen Machthaber ganz anders. Dafür gibt es allein im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche Beispiele.
So wurden die ukrainischen Goldreserven nach dem Machtwechsel 2014 in einer Nacht- und Nebelaktion in die USA ausgeflogen, während die britische Nationalbank sowohl die Goldvorräte des libyschen Staatschefs Gaddafi nach dessen Ermordung konfiszierte als auch erst vor Kurzem die Herausgabe der venezolanischen Goldvorräte an Staatschef Maduro verweigerte.
Außerdem haben sowohl die russische als auch die chinesische Zentralbank in den vergangenen Jahren erhebliche Mengen von Gold angehäuft, um sich so für eine weltweite Währungskrise zu wappnen. Mehrere Länder haben in jüngster Vergangenheit ihre im Ausland gelagerten Goldbestände heimgeholt und damit ebenfalls gezeigt, wie wichtig ihnen das Edelmetall ist.
Auch die Bundesbank hat Gold, das bisher in den USA und in Frankreich gelagert war, wieder nach Deutschland geholt. Allerdings nur teilweise, die Hälfte des Gesamtvorrates befindet sich weiter in den USA und in Großbritannien. Dass die USA sich bei der Rückholungsaktion wenig kooperativ zeigten, hat Gerüchten Auftrieb gegeben, die sich seit Jahren halten und die besagen, dass die USA nicht so viel Gold besitzen, wie sie vorgeben. Die USA bestreiten das, haben sich aber bisher geweigert, das Gegenteil zu beweisen, sodass die Gerüchte bis heute nicht entkräftet sind.
Wie geht’s weiter?
Die entscheidende Frage, die alle mit dem Thema Beschäftigten zurzeit stellen, lautet: Wie geht es mit dem Goldpreis weiter? Wird sein Höhenflug wieder ausgebremst oder stehen wir vor einem Durchbruch nach oben, möglicherweise vor einem historischen Anstieg?
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist genau das der Fall. Sowohl die wirtschaftlichen und finanziellen Fundamentaldaten wie auch die mittelfristigen Aussichten waren für Gold noch nie so günstig wie in unseren Tagen.
Die durch Rezession und Lockdown herbeigeführte gegenwärtige Kontraktion der Weltwirtschaft, der weltweit zu erwartende Zusammenbruch von Millionen mittelständischen Betrieben, die Explosion der Arbeitslosenzahlungen, die leeren Staatskassen und vor allem der historisch einmalige globale Schuldenberg von geschätzten 270 Billionen Dollar sind bereits eine überaus brisante Mischung, die es in dieser Form und diesem Ausmaß noch nie gegeben hat. Dazu werden wir massenweise Kreditausfälle erleben, die das Bankensystem ins Wanken bringen werden. Regierungen werden mit Sicherheit gezwungen sein, soziale Unruhen mit Helikoptergeld abzufedern und die Zentralbanken deshalb drängen, noch mehr Geld zu drucken als bisher. Außerdem ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann der Leitzins in negatives Territorium gesenkt werden wird.
All das wird eine Geldschwemme nach sich ziehen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat – und die Nachfrage nach Gold mit Sicherheit explodieren lassen. Trotzdem wird der Aufstieg aller Wahrscheinlichkeit nach immer wieder unterbrochen werden – vor allem dann, wenn Hedgefonds oder Banken in Schwierigkeiten geraten und sich auf der verzweifelten Suche nach Liquidität von ihrem Gold trennen müssen.
Von dieser Entwicklung wird im Übrigen auch ein anderes Edelmetall profitieren, das in den vergangenen Jahren ein eher bescheidenes Schattendasein gefristet hat – Silber. Dessen Preis ist seit April um circa 50 Prozent gestiegen, und seine Aussichten stehen nicht schlecht, denn das historische Preisverhältnis zwischen Gold und Silber lag über Jahrhunderte in etwa bei 15:1. Momentan steht das Verhältnis bei über 80:1 – was eine Unterbewertung des Silbers bedeutet.
Geht man also davon aus, dass der Goldpreis weiter anzieht und das Verhältnis von Gold zu Silber weiter in Richtung seines historischen Wertes tendiert, dann stehen dem Silber noch glänzendere Zeiten bevor als dem Gold.