Deutschland

Dudenhöffer: Deutsche Autobauer steuern auf massiven Stellen-Kahlschlag zu, die einzig verbliebene Hoffnung heißt China

In Europas Automobilsektor bestehen einer Untersuchung des Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer zufolge massive Überkapazitäten, die sich in den kommenden Monaten in schweren Kahlschlägen bei den Beschäftigtenzahlen entladen werden.
05.08.2020 11:00
Aktualisiert: 05.08.2020 11:17
Lesezeit: 3 min
Dudenhöffer: Deutsche Autobauer steuern auf massiven Stellen-Kahlschlag zu, die einzig verbliebene Hoffnung heißt China
Eine Tankanzeige. (Foto: dpa) Foto: Jan Woitas

Der Lock-Down, erhebliche Corona-bedingte Nachfrageeinbrüche in Europa und wichtigen Exportmärkten außer China lassen nach unserer Prognose die Pkw-Produktion in Europa in diesem Jahr um 24% auf 12 Millionen Fahrzeuge sinken. Seit dem Jahr 2017 ist der schrittweise Rückgang der europäischen Autoproduktion beobachtbar. Damit haben sich erhebliche Überkapazitäten in der europäischen Produktion von 7 Millionen Fahrzeugen aufgebaut. In West-Europa sitzen die höchsten Überschuß-Kapazitäten. Da die Erholung in Europa und wichtigen Exportmärkten außer China lang dauert, gehen wir von einem großen Kapazität- und Job-Abbau in der west-europäischen Autoindustrie aus.

Die Abb. 1 vermittelt einen Eindruck von der Autoproduktion in der EU 28. Klarer Trend ist dabei, dass im Zeitraum 2013 – also der Eurokrise – bis 2019 die Pkw-Produktion in den neuen EU-Staaten kontinuierlich ausgebaut worden ist. Es entstanden deutlich Zuwächse in der Produktion-Kapazität in Ost-Europa. Die beiden nachstehenden Abbildungen verdeutlichen den Trend. West-Europa macht einen „Buckel“, spricht nach einem kurzen Höhepunkt im Jahr 2016 und 2917 geht die Produktion wieder zurück. Die Überschuß-Kapazität sitzt damit in West-Europa.

Wie stellt sich jetzt die Prognose für das Jahr 2020 dar? Wir gehen im EU-28-Europa von einem Nachfrage-Rückgang von 25% im Jahr 2020 aus, wie die nächste Abbildung zeigt. Hinzu kommen deutliche Nachfragerückgänge in Russland, USA und anderen Exportmärkten der deutschen Autobauer. Außer China muss mit höheren Einbußen gerechnet werden.

Damit erscheint eine Produktionsprognose von 12 Millionen Pkw im Jahr 2020 realistisch. Das entspricht einem Rückgang von 24% gegenüber dem Jahr 2019.

Kapazitätsbetrachtung

Was lässt sich jetzt hinsichtlich der bestehenden Produktionskapazität und Überschuß-Kapazität unter Nutzung der obigen Daten sagen? Dazu sind in der folgenden Grafik die Annahmen zur Abschätzung der Produktionskapazitäten aufgeführt.

Nach der Euro-Krise des Jahres 2013 konnte in Europa die Kapazitätsauslastung bestehender Werke wieder verbessert werden. Zusätzlich wurden neue Kapazitäten aufgebaut. Durch Produktlebenszyklen und temporäre Schwächen oder Marktanteilsverlusten einzelner Autobauer sind immer – selbst bei steigender Nachfrage – temporäre, nicht genutzte Produktion-Kapazitäten vorhanden. Selbst bei gut funktionieren Märkten lassen sich die temporären Überkapazitäten auf bis zu 10% schätzen.

Unter dieser groben Prämisse wurde die Kapazität der Pkw-Produktion in EU 28-Europa in Abb. 3 berechnet. Damit sind in der EU-28 derzeit Produktionskapazitäten für 19 Millionen Pkw vorhanden. Da im Jahr 2020 nur 12 Millionen produziert werden, ergeben sich nicht-genutzte Kapazitäten für 7 Millionen Fahrzeuge oder eine sehr schlechte Kapazitätsauslastung von 63%.

Auch in den Jahren nach 2020 ist nur mit langsamer Markt-Erholung zu rechnen. Damit bleiben – sollten keine Kapazitätsanpassungen erfolgen – die Autobauer und Zulieferer auf sehr hohen Kostenblöcken sitzen. Dass diese Kostenbelastungen über längere Zeiten „mitgeschleppt“ werden ist äußerst unrealistisch, denn hohe längere Verlustperioden kann man sich im hart umkämpften Automarkt nicht leisten.

Fazit: Hoher Kapazitätsabbau erwartet

Aufgrund der schwierigen, längeren Nachfragesituation in zentralen Automärkten in den nächsten 12 bis 18 Monaten erfolgt nach unserer Einschätzung ein großer Kapazitätsabbau in der europäischen Autoindustrie. Die Negativ-Meldungen zum Job-Abbau bei Autobauern und Zulieferern werden noch eine ganze Reihe von Monaten in der Wirtschaftspresse für Schlagzeilen sorgen. Für Deutschland rechnen wir mit einem Arbeitsplatzabbau durch Kapazitätsanpassungen von 100.000 Arbeitsstellen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik TAURUS für die Ukraine? Hoher Aufwand, fraglicher Nutzen
27.04.2025

Die Lieferung des TAURUS-Lenkflugkörpers an die Ukraine ist technisch derzeit problematisch, da ukrainische Flugzeuge das System weder...

DWN
Politik
Politik Waffenruhe Ukrainekrieg: Bringt der Tod von Papst Franziskus Frieden?
26.04.2025

Historisches Treffen bietet Chance für Durchbruch bei Friedensverhandlungen: Neben dem US-Präsidenten hat sich auch Frankreichs...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
26.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....

DWN
Technologie
Technologie Mit KI zum Durchbruch: Wie die Wellenkraft zur nächsten Energie-Revolution werden soll
26.04.2025

Europa steht vor der nächsten Energie-Revolution: Mit Hilfe künstlicher Intelligenz könnte die bislang unterschätzte Wellenkraft zur...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mobiles Geld: Afrika revolutioniert die Finanzwelt – und überholt den Westen
26.04.2025

Während Europa und die USA noch über die Zukunft digitaler Bezahlsysteme diskutieren, hat Afrika längst Fakten geschaffen. Der Kontinent...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Habecks katastrophale Wirtschaftsbilanz: Wirtschaft stagniert langfristig - drittes Jahr in Folge kein Wachstum
26.04.2025

Ein drittes Jahr ohne Wachstum, eine düstere Prognose und ein scheidender Wirtschaftsminister, der für das desaströse Ergebnis...

DWN
Panorama
Panorama Können Tierversuche durch neue Technologien ersetzt werden?
26.04.2025

Mehr als eine Million Mäuse, Fische, Kaninchen oder auch Affen werden jedes Jahr in Versuchen eingesetzt. Ob es um Medikamente gegen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datenstrategie 2025: Warum KI-Erfolg in Unternehmen ein neues Mindset braucht
26.04.2025

Viele KMU lassen bei Daten und KI ihr Innovationspotenzial ungenutzt. Wiebke Reuter, Fachanwältin für Informations- und Technologierecht...