Politik

Finanz-Spekulanten wollen Türkei aus dem östlichen Mittelmeer vertreiben

Die türkische Lira ist einer alljährlichen Spekulanten-Attacke, die auf den Monat August fällt, ausgesetzt. Doch diesmal geht es nicht nur darum, Geld zu verdienen. Die Schwächung der Lira soll offenbar die Aktivitäten der Türkei im östlichen Mittelmeer vereiteln.
14.08.2020 10:15
Aktualisiert: 14.08.2020 10:15
Lesezeit: 3 min
Finanz-Spekulanten wollen Türkei aus dem östlichen Mittelmeer vertreiben
Händler arbeiten am 20. Dezember 2016 an der Schlussglocke in New York, New York, USA, auf dem Parkett der New Yorker Börse. (Foto: dpa) Foto: Justin Lane

Der aktuelle Lira-Verfall in der Türkei ist offenbar auf die alljährliche Spekulanten-Attacke gegen Währungen der Schwellenländer zurückzuführen, die im Regelfall auf den Monat August fällt.

Zuvor hatte der Ökonom Achim Dübel den Deutschen Wirtschaftsnachrichten in einem Interview erklärt: „Auf jeden Fall sehen wir eine typische Sommerattacke in liquiditätsschwacher Zeit. Sie trifft ein Land, das insgesamt zu wenig getan hat, um die risikoreichen Finanzierungskanäle in Fremdwährung zu schließen und Alternativen in Lokalwährung zu öffnen. Als Hintergrund muss man wissen, dass die Bank- und Kapitalmarktregulierer der Türkei in Ankara und nicht am Bankenstandort Istanbul sitzen, und historisch notorisch zurückhaltend, ja geradezu ängstlich sind (…) Man nutzt hier wie immer den liquiditätsschwachen Monat August, um ein Extremszenario durchzusetzen, das so nicht eintreten wird.“

„Die Spekulanten haben ihren Dollar-Short in zehn IMM-Devisentermingeschäften in der Woche bis zum 4. August auf ein Neunjahreshoch angehoben. Wie in den letzten fünf Wochen war die expandierende Dollar-Short-Position jedoch fast ausschließlich auf einen weiteren Anstieg des Euro-Netto-Long auf einen neuen Rekordwert von 22,6 Milliarden Euro zurückzuführen“, zitiert Pound Sterling Ole Hansen von der Saxobank.

Michael Every von der Rabobank argumentiert, dass die Türkei sich an den IWF wenden müsse, sobald die Devisenreserven des Landes aufgebraucht sind. Every zufolge hänge dies unter anderem mit den Aktivitäten der Türkei im östlichen Mittelmeer zusammen. Diese Ansicht sorgt dafür, dass darüber spekuliert wird, ob die Spekulanten-Attacken dazu dienen sollen, die Türkei finanziell zu schwächen, damit sie aus dem östlichen Mittelmeer verbannt wird. Die Bruttowährungsreserven der türkischen Zentralbank sind in diesem Jahr um mehr als ein Drittel auf 49,2 Milliarden Dollar zum 17. Juli gesunken. Einschließlich Gold liegen sie bei 89,5 Milliarden Dollar.

Auf Frage der Deutschen Wirtschaftsnachrichten, ob es aus türkischer Sicht richtig sei, IWF-Kredite abzulehnen, sagte Dübel: „Absolut, und aus vielen Gründen. Zunächst einmal gibt es ein Problem in der Banken- und Unternehmensfinanzierung, das durch Kreditrestrukturierungen und Kapitalzuflüsse der Eigentümer gemanagt werden kann. Der Staat hat hier erst einmal außerhalb seiner eigenen Banken und Unternehmen nichts zu suchen. Die Fremdwährungsbonds der kommenden beiden Jahre sind meines Erachtens zudem problemlos überrollbar. Schlimmer ist, dass der IWF mitverantwortlich für die türkische Krise ist, indem er viel zu lange freie Kapitalmärkte und Zurückhaltung bei öffentlicher Finanzsektorpolitik gepredigt hat. Wohin ich als Finanzsektorentwicklungsberater auch komme, der IWF war schon da und hat die Zentralbank aus der Langfristrefinanzierung in Lokalwährung herausgetrieben. Und was machen die Banken dann, sie gehen in die Auslandsverschuldung.“

Lira-Verfall und östliches Mittelmeer

Bemerkenswert ist, dass sich griechische Zeitungen ihre Hoffnungen in einen weiteren Lira-Verfall setzen, damit die Türkei von ihren Aktivitäten im östlichen Mittelmeer und vor Zypern abgehalten wird. Die Greek City Times berichtet verwundert, dass türkische Jets weiterhin den griechischen Luftraum verletzen würden, obwohl sich die Lira im Sturzflug befindet.

In einem weiteren Artikel des Blatts, in dem die Lira-Schwäche im Zusammenhang mit den türkischen Aktivitäten vor Zypern genannt wird, heißt es: „Die türkische Lira ist die zweitschlechteste Währung der Welt in diesem Monat mit einem Rückgang von über vier Prozent gegenüber dem Dollar, was die Verluste für das Jahr auf über 18 Prozent ausdehnt, berichtete Goldman Sachs. Die offizielle Arbeitslosenquote der Türkei für Mai, die erst kürzlich veröffentlicht wurde, liegt bei 12,9 Prozent, was bedeutet, dass die Quote für August sehr wahrscheinlich höher ist, insbesondere angesichts der massiven Abwertung der türkischen Lira.“

Im zweiten Teil des Artikels werden dann die türkischen Aktivitäten im östlichen Mittelmeer scharf kritisiert.

Unabhängig von den politischen Gegebenheiten, haben Spekulanten und Banken massiv am Lira-Verfall verdient. Während des drastischen Lira-Verfalls im Sommer 2018 verdiente die Deutsche Bank an einem einzigen Tag 35 Millionen Dollar. Die britische HSBC Bank verdiente sogar 120 Millionen Dollar.

Die türkische Finanzaufsicht untersagte vor wenigen Monaten den Banken BNP Paribas, Citi und UBS den Handel mit Lira. Generell wollte Ankara gegen Institutionen vorgehen, die „falsche oder missverständliche Informationen“ an den Börsen verbreiteten. Die Wettbewerbsbehörden teilten mit, Ermittlungen gegen 29 Unternehmen wegen ungewöhnlicher Preisbewegungen in der Pandemie-Zeit eingeleitet zu haben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Erbe aufteilen: So sichern Sie den Verbleib Ihres Partners im gemeinsamen Haus
19.07.2025

Sind Sie wiederverheiratet und haben Kinder aus früheren Beziehungen? Dann ist besondere Vorsicht geboten, wenn es darum geht, Ihr Erbe...

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Kapital und Kontrolle – wem gehört Deutschland?
19.07.2025

Deutschland ist reich – doch nicht alle profitieren. Kapital, Einfluss und Eigentum konzentrieren sich zunehmend. Wer bestimmt wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung: Wann Verspätungszuschläge unzulässig sind
19.07.2025

Viele Steuerzahler ärgern sich über Verspätungszuschläge, wenn sie ihre Steuererklärung zu spät abgeben. Doch nicht immer ist die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...