Politik

Nach Lehrer-Demo: Schwere Ausschreitungen in Rio de Janeiro

In Brasilien ist es in der Nacht zu schweren Ausschreitungen gekommen. Die Lehrer protestierten gegen den Verfall des Bildungs-Systems: Korruption und Geldgier verhindern, dass die jungen Brasilianer faire Chancen für die Zukunft erhalten.
09.10.2013 15:20
Lesezeit: 2 min

Zehntausende Menschen zogen Montag Abend durch die Straßen von Rio de Janeiro, um ihren Unmut über das Bildungssystem zu zeigen. Unter die protestierenden Lehrer und Sympathisanten mischten sich auch Mitglieder des gefürchteten Schwarzen Blocks und andere gewaltbereite Gruppen. Als der Protestzug das Rathaus erreichte, flogen Molotow-Cocktails und Steine, Bankscheiben zerbrachen, ein Bus brannte, weitere wurden demoliert.

Die Polizei ging sofort mit äußerster Härte gegen die Ausschreitungen vor und reagierte mit Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschossen, wie Latina-Press berichtete.

Die seit 46 Tagen streikenden Lehrer wollen auf die schlechten Bedingungen im Schulsystem aufmerksam machen. Dies resultiert in einer hohen Rate an Schulschwänzern und einer überschaubaren Anzahl an Abschüssen. Die Lehrer und ihre zehntausenden Unterstützer wollen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und mehr Lohn. Das Durchschnittsgehalt für Lehrer beläuft sich monatlich auf 1000 Real (umgerechnet 335 Euro).

Eine an den Protesten teilnehmende Lehrerin erklärt dem Guardian, dass sie und ihre Kollegen das Bildungssystem für korrupt halten und seine Bürokratie für völlig überzogen. Heimlich sei das System immer weiter privatisiert worden, wie sie an einem Beispiel erklärt. So sind allein die Verträge mit privaten Unternehmen über die Miete von Klimaanlagen für die Schulklassen so ausgeweitet worden, dass nach Begleichen der Rechnungen kein Geld mehr für die Lehrer bliebe.

Deswegen gibt sich die Lehrerschaft auch nicht mit einem Angebot des Bürgermeisters von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, zufrieden. So soll es eine Gehaltserhöhungen nur für Lehrer geben, wenn diese Vollzeit an einer Schule unterrichten, was aber für einen Großteil nicht möglich ist. Manche unterrichten bis zu zehn Fächer und das jeweils an anderen Schulen. Die Lehrerschaft verlangt deswegen eine umfassende Reform des Bildungssystems.

Der eigentliche Protest der Lehrer begann vor mehr als sechs Wochen, mit einer Gruppe Lehrer, die sich selbst Tropa de Prof (Lehrer-Truppe) nennt. Dazu gesellten sich immer mehr Sympathisanten, die die Zustände im Bildungssystem für unzumutbar hielten. Aber letzte Woche kam es zu Ausschreitungen mit der Polizei – mindestens 15 Personen wurden verletzt.

Aus diesem Grund gingen die Menschen diesmal vermehrt mit Motorradhelmen zu den Protesten, der diesmal am Rathaus eskalierte. Eine weitere Lehrerin erklärt gegenüber Medien, dass sie vermutet, dass die meisten Demonstranten keine Lehrer seien. Noch nie sei die Gesellschaft so mobilisiert gewesen wie jetzt.

Es fiel auch schon im Zusammenhang mit den Protesten der Begriff des Brasilianischen Frühlings. Es geht um den Wunsch, dass öffentliche Gelder nicht in den Sport gesteckt werden, sondern in Ausbildung, Gesundheit und Infrastruktur. Oder wie eine Englischlehrerin gegenüber AlJazeera zu bedenken gibt: Wenn das Land so viel Geld für die Weltmeisterschaft und Olympia hat, wo ist dann das Geld für Bildung und Gesundheit?

Was im Frühjahr als Demonstration gegen die Erhöhung von Fahrpreisen begann, wuchs zum landesweiten Protest. Rund um den Confederations Cup, der Generalprobe zur Fußball-Weltmeisterschaft, gingen hunderttausende Menschen in ganz Brasilien auf die Straße, um gegen die Eventausgaben der Regierung zu demonstrieren, die laufend höher werden als am Anfang versprochen.

Fünf der zwölf Stadien für die WM 2014 werden umgebaut, die restlichen gleich ganz neu errichtet. Allein der Umbau des berühmten Maracana-Stadion in Rio de Janeiro, in dem das WM-Finale stattfinden wird, kostet 425 Millionen Euro, mehr als doppelt so viel wie veranschlagt. Zwei Jahre später findet dort die Eröffnung der Olympischen Sommerspiele statt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Kapitalmarktunion im Rückstand: Banker fordern radikale Integration
12.07.2025

Europas Finanzelite schlägt Alarm: Ohne eine gemeinsame Kapitalmarktunion drohen Investitionen und Innovationen dauerhaft in die USA...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauzinsen aktuell weiterhin hoch: Worauf Häuslebauer und Immobilienkäufer jetzt achten sollten
12.07.2025

Die Zinsen auf unser Erspartes sinken – die Bauzinsen für Kredite bleiben allerdings hoch. Was für Bauherren und Immobilienkäufer...

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....