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Gegen China: Deal zwischen Israel und VAE bildet Startschuss für „arabische Nato“

Lesezeit: 6 min
14.08.2020 15:05  Aktualisiert: 14.08.2020 15:05
Das jüngste Friedensabkommen zwischen Jerusalem und Abu Dhabi zielt offenbar darauf ab, eine „arabische NATO“ gegen den Iran, aber eigentlich gegen China zu gründen. Sie soll aus den Golfstaaten und mit Unterstützung der USA, Israels und der NATO Chinas Pläne zur Neuen Seidenstraße vereiteln. Wenn das gelingen sollte, wäre das ein harter Schlag gegen das Reich der Mitte.
Gegen China: Deal zwischen Israel und VAE bildet Startschuss für „arabische Nato“
„Arabische NATO“ (rot), Unterstützer (grün), Gegner (blau). (Grafik: DWN/Google Maps)

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Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben mit Unterstützung der USA ein historisches Friedensabkommen erzielt. US-Präsident Donald Trump kündigte am Nachmittag des 13. August den „Durchbruch“-Vertrag an und nannte Israel und die VAE die „großen Freunde“ der USA. Die Vereinbarung wurde in einem Telefonat zwischen Trump, dem israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu und Sheikh Mohammed Bin Zayed, dem Kronprinzen von Abu Dhabi, besiegelt. In einer gemeinsamen Erklärung sagten Israel, die VAE und die USA, das Abkommen werde den Frieden im Nahen Osten fördern. In der Erklärung wurde die „kühne Diplomatie“ und „Vision“ der drei Staats- und Regierungschefs gelobt.

„Alle drei Länder stehen vor vielen gemeinsamen Herausforderungen und werden gegenseitig von den heutigen historischen Errungenschaften profitieren“, heißt es in der Erklärung. Der Erklärung zufolge werden sich Delegationen aus Israel und den VAE innerhalb weniger Wochen treffen, um bilaterale Abkommen über Investitionen, Tourismus, Direktflüge, Sicherheit, Telekommunikation, Technologie, Energie, Gesundheitswesen, Kultur, Umwelt und die Einrichtung gegenseitiger Botschaften zu unterzeichnen.

Dies ist das erste Friedensabkommen zwischen einem arabischen Staat und Israel seit mehr als 25 Jahren. Andere Golfstaaten, darunter Bahrain und Saudi-Arabien, könnten in die Fußstapfen der VAE treten. Dies würde zu mehr Druck auf die Palästinenser sowie auf Syrien, den Iran und den Libanon führen. Trumps Nationaler Sicherheitsberater Robert O'Brien sagte: „Wir sind überzeugt, dass weitere Länder in den Startlöchern stehen“.

Eine „arabische NATO“ gegen den Iran

Der von der US-Regierung initiierte Deal ist Teil eines Plans, den die USA im Jahr 2018 verkündet hatten. Dem US-Militärmagazin Defense News zufolge wollen die USA im Nahen Osten eine „arabische NATO“ gegen den Iran – und letztendlich gegen China – gründen.

Eine „arabische NATO“ würde sich aus sechs Golfstaaten (Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait, Bahrain, Oman und Katar) sowie Ägypten und Jordanien zusammensetzen.

„Es ist eine amerikanische Idee, die von den arabischen Golfstaaten genehmigt wurde, aber noch keine Form angenommen hat. Ich gehe davon aus, dass eine solche NATO erfolgreich sein wird, aber wir stehen noch am Anfang“, so Generalmajor Hamad bin Abdallah al-Khalifah, der Befehlshaber der Luftwaffe Bahrains.

Im Ausbau der militärischen Fähigkeiten der Golf-Staaten (GCC) soll auch der NATO eine neue wichtige Rolle zukommen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte im April 2017 angekündigt, die militärische Kooperation zwischen der Nato und den Golf-Staaten voranzutreiben. „Mein Ziel ist es, die Kooperation mit der GCC voranzutreiben. Die neue regionale Kooperationsstelle der Nato in Kuwait bietet uns die Möglichkeit, um unsere Partnerschaften zu verstärken. Die Stelle wird im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit von Nato und des GCC stehen (…) Das König Abdullah Operationszentrum in Jordanien ist eine weitere Plattform für die Zusammenarbeit. Es entspricht Nato-Standards und hier werden die irakischen Offiziere trainiert (…) Überall in der Regionen sagen mir sie Staatsführer, dass sie mehr mit der Nato kooperieren wollen.“

Während des 2. Manama Airpower Symposiums am 13. November 2018 sagte der Befehlshaber der US-Luftwaffe des Central Command (CENTCOM), Generalleutnant Joseph Guastella, der Iran sei eine Bedrohung für die Stabilität in der Golfregion

„Der Iran löst weiterhin Risiken für andere Nationen aus und wirkt in dieser Region als destabilisierender Agent. Die Iraner zielen darauf ab, das Gleichgewicht der Kräfte zu stören und den Lebensunterhalt der Bürger zu gefährden. Ihre Aktionen zielen direkt auf alle unsere Volkswirtschaften ab", so Guastella. Guastella meint, dass die Gründung einer „arabischen NATO“ in der Region möglich sei.

Iran kritisiert Deal zwischen Israel und VAE

Der Iran und die Türkei haben die jüngste überraschende Annäherung zwischen Israel und den VAE scharf kritisiert, berichtet der Guardian. „Das war eine strategische Dummheit, die letztendlich nur die anti-israelische Widerstandsfront stärken wird“, erklärte das iranische Außenministerium am Freitag. In einer Mitteilung des türkischen Außenamts hieß es, die Emirate hätten die Interessen der Palästinenser verraten.

Der englischsprachige Dienst von Reuters zitiert das türkische Außenministerium: „Die Geschichte und das Gewissen der Völker der Region werden dieses heuchlerische Verhalten der VAE nicht vergessen und niemals verzeihen, dass die VAE die palästinensische Sache wegen ihrer eigenen Interessen verraten haben. Es ist äußerst besorgniserregend, dass die VAE mit einer einseitigen Aktion versucht, den von der Arabischen Liga entwickelten arabischen Friedensplan (2002) abzuschaffen.“

Der Nachrichtenagentur Isna zufolge hieß es in der Erklärung des iranischen Außenministeriums, die Regierung in Abu Dhabi habe mit dieser „beschämenden, illegitimen und gleichzeitig gefährlichen“ Entscheidung das palästinensische Volk betrogen. „Die Palästinenser werden diese Einigung mit dem kriminellen Regime Israels nie vergeben.“ Das türkische Außenministerium teilte mit, die Menschen in der Region würden das heuchlerische Verhalten der Emirate niemals vergessen oder vergeben. Auch der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Ibrahim Kalın, kritisierte die Einigung auf Twitter.

Der britische Premier sagte hingegen: „Die Entscheidung der Vereinigten Arabischen Emirate und Israels, die Beziehungen zu normalisieren, ist eine äußerst gute Nachricht. Ich hatte die tiefe Hoffnung, dass die Annexion im Westjordanland nicht zustande kommt, und die heutige Vereinbarung, diese Pläne auszusetzen, ist ein willkommener Schritt auf dem Weg zu einem friedlicheren Nahen Osten.“

Doch Außenminister Dominic Raab fügte hinzu, dass es Zeit sei „für direkte Gespräche zwischen den Palästinensern und Israel“. Dies sei der einzige Weg, um einen dauerhaften Frieden zu erzielen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde kritisierte die Einigung zwischen Israel und der VAE. „Die palästinensische Führung lehnt die trilaterale, überraschende Ankündigung der VAE, Israels und der USA ab und verurteilt sie“, so ein Sprecher der Behörde. Es handele sich dabei um einen Verrat an Jerusalem, Al-Aqsa und der palästinensischen Sache.

Jordanien sagte, dass das Abkommen zwischen den VAE und Israel festgefahrene Friedensverhandlungen vorantreiben könnte, wenn es Israel gelingt, einen palästinensischen Staat auf dem Boden zu akzeptieren, das Israel seit dem arabisch-israelischen Krieg von 1967 besetzt hält.

„Wenn Israel dies als Anreiz zur Beendigung der Besatzung betrachtet (…) wird es die Region in Richtung eines gerechten Friedens bewegen“, sagte der jordanische Außenminister Ayman Safadi in einer Erklärung in den staatlichen Medien.

Die jüdische Siedlerbewegung ist unzufrieden. „Er (Netanjanhu, Anm.d.Red.) hat uns betrogen. Er hat eine halbe Million Einwohner der Region und Hunderttausende von Wählern getäuscht“, zitiert die New York Times David Elhayani, Vorsitzender des Siedlerrates von Yesha.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah el-Sisi, ein enger Verbündeter der VAE, Oman und Bahrain begrüßten das Abkommen. Doch auch Frankreich und Deutschland unterstützen die Einigung zwischen Israel und der VAE.

China ist das Hauptziel der israelisch-arabischen Kooperation

Der Deal zwischen Jerusalem und Abu Dhabi dürfte vor allem China beunruhigt haben, zumal sich in der Region allmählich eine einheitliche Front gegen den Iran aufbaut.

Nach Angaben des englischsprachigen Dienstes von Reuters war China bisher der größte Rohölkunde des Iran mit einem Gesamtimport-Volumen von rund 29,3 Millionen Tonnen im Jahr 2018. Das waren ungefähr sechs Prozent der gesamten Ölimporte Chinas.

Obwohl China angekündigt hat, an den iranischen Rohölimporten festhalten zu wollen, bleibt es unklar, wie lange die Regierung in Peking an dieser Politik festhalten kann. Schließlich verfügen die USA auch über handelspolitische (Strafzölle) und militärische Instrumente (Präsenz im Südchinesischen Meer), um China auf Linie zu bringen.

Die chinesische Regierungs-Zeitung Global Times veröffentlichte am 24. April 2019 einen Artikel, in dem eine scharfe Kritik an der US-Regierung vermieden wird. Stattdessen beschränkt sich der Artikel auf den Versuch, Chinas Interessen im Nahen Osten zu „klären“ und herauszufinden, wie die potenziellen Verluste aus den Sanktionen verringert werden können. “Wir sind der Meinung, dass China seine Interessen und Prinzipien im Zusammenhang mit dem Kauf des Öls aus dem Nahen Osten klarstellen und versuchen sollte, den Verlust der nationalen Interessen Chinas auf ein Minimum zu beschränken (...) China will weder einen Showdown mit den USA aufgrund des Iran haben, noch kann Peking Washington einfach das machen lassen, was es will”, so die Global Times.

Vor der Corona-Krise war China der wichtigste Investor im Iran. Der staatliche chinesische Eisenbahnbauer China Civil Engineering Construction Corp (CCEC) hat mit der iranischen Construction & Development of Transportation Infrastructures Company im Januar 2018 einen Eisenbahnbau-Vertrag mit einem Wert von umgerechnet 543,6 Millionen Dollar unterzeichnet, berichtet das Financial Tribune. Im Rahmen des Vertrags soll ene neue Eisenbahnstrecke mit einer Länge von 263 Kilometer erbaut werden.

Nach Angaben von iranischen Behörden soll das neue Eisenbahnbau-Projekt Teil des chinesischen Seidenstraßen-Projekts “One Belt, One Road” (OBOR) werden. Im Rahmen von OBOR sollen Autobahnen über Eisenbahnen bis hin zu Kraftwerken und Häfen gebaut werden, um den Handel zwischen China und Europa zu beleben.

China hat ein Darlehen in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar bereitgestellt, um die Elektrifizierung der 926 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsstrecke von Teheran in die östliche Stadt Mashhad zu finanzieren. Das war das erste vom Ausland unterstützte Projekt im Iran nach dem Atomabkommen 2015.

Die Eisenbahnstrecke Teheran-Maschhad ist ein Teilstück der neuen Seidenstraße - ein 3.200 Kilometer langes Eisenbahnprojekt, das Urumqi, die Hauptstadt der westlichen chinesischen Provinz Xinjiang, mit der iranischen Hauptstadt Teheran verbindet. auf dieser Strecke werden zudem Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan und Turkmenistan miteinander verbunden.

Nach Angaben des Global Construction Review wird China insgesamt sieben neue Eisenbahnstrecken im Iran bauen. Die Eisenbahnnetze sollen nicht nur den Übergang von China nach Europa schaffen, sondern auch in den Nord-Süd-Korridor in Richtung Russland führen.


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