Finanzen

Russland nimmt Kredite in Höhe von 50 Milliarden auf - und schont seinen riesigen Staatsfonds

Wegen der Corona-Krise benötigt Russland dieses Jahr eine Finanzspritze von fast 50 Milliarden Euro. Dafür nimmt es einen Kredit auf - und schont auf diese Weise seinen Staatsfonds in Höhe von 150 Milliarden Euro.
24.08.2020 18:58
Lesezeit: 2 min
Russland nimmt Kredite in Höhe von 50 Milliarden auf - und schont seinen riesigen Staatsfonds
Russlands Präsident Wladimir Putin - die Pracht des Kreml symbolisiert die Größe des russischen Staatsfonds. (Foto: dpa)

Russland wird aufgrund der Corona-Krise dieses Jahr voraussichtlich insgesamt rund 4,1 Billionen Rubel (knapp 47 Milliarden Euro) an Schulden aufnehmen. Das hat die Russische Rechnungskammer bekannt gegeben. Im ersten Halbjahr waren es 1,6 Billionen Rubel (18 Milliarden Euro). Das heißt, die Rechnungskammer rechnet damit, dass sich die Situation der russischen Wirtschaft im zweiten Halbjahr noch weiter verschlechtern wird. Insgesamt erwartet die Rechnungskammer, dass der staatliche Haushalt am Ende des Jahres ein Defizit von circa fünf Prozent des Bruttosozialprodukts aufweisen wird.

Russland könnte auch darauf verzichten, Schulden aufzunehmen. Das Land – das 2019 dank großer Haushaltsdisziplin einen Haushaltsüberschuss von 1,8 Prozent aufwies – nennt einen Staatsfonds im Wert von rund 150 Milliarden Euro sein Eigen. Es müsste dem Fonds also weniger als ein Drittel entnehmen, um auf die Schuldenaufnahme zu verzichten.

Aber: Seit der Russlandkrise (auch Rubelkrise genannt) von 1998/99, die fast im Staatsbankrott geendet wäre, sind die Russen vorsichtig geworden – über ein möglichst großes Liquiditätspolster zu verfügen, geht ihnen seither über alles. Da nehmen sie lieber Schulden auf – was ökonomisch gesehen auch genau die richtige Entscheidung ist.

· Die Zinsen sind extrem niedrig, niedriger als die Inflation – im Endeffekt wird es sich also für den Staat sogar lohnen, sich zu verschulden.

· Russland ist starkem wirtschaftspolitischem Druck von außen ausgesetzt: Zum einen den Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine, zum anderen Attacken auf seine ökonomische Lebensader Erdgas (Stichwort North Stream 2).

· Sollte es im Laufe der zweiten Jahreshälfte zu einer ausgewachsenen weltweiten Rezession kommen, wird die Nachfrage nach Öl noch weiter sinken. Russland hat es immer noch nicht vermocht, seine Wirtschaft zu diversifizieren und ist daher stark vom Erdöl abhängig. Sinkt der Preis für das Schwarze Gold noch weiter, wird es sich als äußerst vorteilhaft erweisen, über ein Sicherheitspolster zu verfügen, wie es der Staatsfond darstellt.

· Im November finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Sollte – wonach es im Augenblick aussieht – Joe Biden die Wahlen gewinnen, muss Moskau damit rechnen, dass sich das russisch-amerikanische Verhältnis zum Schlechteren verändert, weil eine Biden-Regierung mit ziemlicher Sicherheit russlandkritischer sein wird als es die derzeitige Trump-Regierung ist. Neue und verschärfte Sanktionen könnten dann ins Haus stehen.

· Auch wenn Trump die Wahlen gewinnen sollte, könnte Russland Ungemach drohen. Zu erwarten wäre dann nämlich eine Verschärfung des amerikanisch-chinesischen Handelskrieges, dessen Folgen nicht absehbar sind. Selbst ein amerikanisch-chinesischer Waffengang im Südchinesischen Meer ist nicht ausgeschlossen. Davon abgesehen hat Trump in der Vergangenheit einen erratischen Politikstil gepflegt hat, sodass niemand weiß, ob er nicht von seiner bisher eher russlandfreundlichen Politik abweichen wird.

· Einen nicht unwesentlichen Teil der benötigten 4,1 Billionen Rubel dürfte sich der Staat bei russischen Oligarchen leihen, die im Ausland leben. Primär diejenigen Reichen, die in Russland Geschäftsinteressen (oder sogar Assets) haben, werden sich dem Drängen Moskaus nach Kredit kaum verweigern können. Bei einem Oligarchen in der Kreide zu stehen, ist sicherlich angenehmer, als bei einem Fonds wie Fidelity oder Blackrock. So ist es durchaus möglich, dass der sanfte Hinweis darauf, dass die verliehene Summe ja niemals versteuert wurde und deshalb eine Nachbesteuerung ins Auge gefasst werden könnte, die Kreditgeber davon überzeugt, auf einen Teil der fälligen Rückzahlungen zu verzichten.

Für ihre Entscheidung, in Not geratene Unternehmen nur mäßig zu unterstützen, hat die russische Regierung von Ökonomen viel Kritik einstecken müssen – auch die DWN haben sich tendenziell kritisch gezeigt. In punkto Kreditaufnahme hat die Regierung jedoch ihre wirtschaftspolitischen Hausaufgaben gemacht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Beiträge für Private Krankenversicherung steigen kräftig ab 2026
04.12.2025

Die Mehrheit der Privatversicherten muss kommendes Jahr höhere Beiträge für ihre Krankenkasse bezahlen. Die Branche rechnet mit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schweizer Rohstoffhändler wankt: Gunvor-Chef steigt aus – die Lehren aus Gunvors Buy-out
04.12.2025

Gunvor galt lange als diskreter Globalplayer im Ölhandel – bis der Flirt mit dem russischer Öl- und Gaskonzern Lukoil sowie Vorwürfe...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuer auf Kontoguthaben? Marktforscher wollen höhere Ausgaben anreizen
03.12.2025

Die Stimmung der deutschen Verbraucher bleibt auch beim Weihnachtsgeschäft auf dem Tiefpunkt: Das Land der Sparer hält das Geld zusammen...

DWN
Politik
Politik Falsche Daten, statistische Mängel: Deutsche Klimaforscher ziehen Studie zum Klimawandel zurück
03.12.2025

Falsche Wirtschaftsdaten zu Usbekistan, statistische Mängel: Nach einiger Kritik ziehen Klimaforscher eine Studie des Potsdamer Instituts...

DWN
Politik
Politik EU einig über Importstopp für Gas aus Russland - Kremlsprecher: "EU schadet sich selbst"
03.12.2025

Die EU will bis spätestens Ende 2027 vollkommen unabhängig von russischem Erdgas sein. Das sieht eine Einigung zwischen Vertretern der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Weniger Feiertage, weniger Wirtschaftskrise? Schwäbische Unternehmenschefin für Streichung von Ostermontag
03.12.2025

Weniger Feiertage = mehr Wirtschaftsleistung? Die Debatte reißt nicht ab. Eine Konzernchefin aus Schwaben macht einen konkreten Vorschlag...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Coca-Cola beklagt Standortbedingungen: Deutschland nicht wettbewerbsfähig
03.12.2025

Der Chef des Coca-Cola-Abfüllers bemängelt die Bürokratie und komplizierte Verhältnisse für Unternehmen. Noch steht er zum Standort...

DWN
Politik
Politik Sicherheitspolitik: Deutsche Führungsrolle in Europa? Bevölkerung gespalten
03.12.2025

Russland als Bedrohung, Zweifel an den USA, Europa mittendrin: Eine Umfrage im Auftrag der Münchner Sicherheitskonferenz zeigt, wie...