Politik

Corona-Debatte: Merkel lässt Spahn ins offene Messer laufen, hält sich taktisch zurück

US-Diplomaten bezeichnen die Kanzlerin nicht ohne Grund als „Teflon-Merkel“. Sie bleibe lieber im Hintergrund, bis die Kräfteverhältnisse klar sind, und versuche dann, die Debatte in die von ihr gewünschten Richtung zu lenken, stellten sie vor über zehn Jahren fest. Genau dieses Muster ist auch in der Corona-Krise zu beobachten. Währenddessen prescht Spahn in der Corona-Debatte vor. Merkel lässt ihn klugerweise gewähren.
06.09.2020 17:10
Aktualisiert: 06.09.2020 17:10
Lesezeit: 2 min
Corona-Debatte: Merkel lässt Spahn ins offene Messer laufen, hält sich taktisch zurück
11.03.2020, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht neben Jens Spahn (CDU, l), Bundesminister für Gesundheit, vor einer Pressekonferenz der zur Entwicklung beim Coronavirus. (Foto: dpa) Foto: Michael Kappeler

In den vergangenen Wochen musste die Bundesregierung viel Kritik wegen des ersten Corona-Lockdowns, das massive wirtschaftliche Schäden hinterlassen hat, einstecken.

Die Öffentlichkeit konnte kürzlich beobachten, wie medial und emotional der zweite Lockdown vorbereitet wurde. Doch die heftigen Proteste seitens der Bürger, der Unternehmer und einiger weniger Medien führten dazu, dass einige Regierungsmitglieder dazu gedrängt wurden, regelrechte Geständnisse abzugeben. Der nächste zerstörerische Wind konnte durch den öffentlichen Druck gedreht werden. Allerdings wurden die Proteste auch von subversiven Elementen missbraucht, um das gesamte System in Frage zu stellen.

Jens Spahn, der eine sehr unrühmliche Rolle während der Corona-Pandemie spielte, gab plötzlich Fehler zu, weil der Druck gegen ihn zu stark wurde. Schließlich werden dem ausgebildeten Bankkaufmann Ambitionen auf das Kanzleramt nachgesagt.

Anfang September, wisse man, „wie wir gut etwa im Einzelhandel im Regelbetrieb damit umgehen können, vor allem wenn wir Masken tragen und Abstand halten, ohne dass es zu Einschränkungen kommt“, meint er. Sogar die Besuchsverbote in den Alten- und Pflegeheimen werde es künftig nicht mehr geben, verspricht er.

Spahn, der das Amt des Bundesgesundheitsministers vom kompetenten Politiker Hermann Gröhe - ein überzeugter Christ, Demokrat und Humanist - übernommen hatte, nahm an verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen teil, auf denen er ausgebuht wurde. Andere Politiker provozierten die Bürger mit unqualifizierten Kommentaren.

Doch Kanzlerin Angela Merkel handelte in der heißen Phase vor dem 29. August 2020 am klügsten. Sie hielt sich zurück, so dass die gesamte Republik sich auf Spahn einschoss.

„Teflon-Merkel“ in Aktion

Aus Wikileaks-Dokumenten geht nicht ohne Grund hervor, dass US-Diplomaten die Kanzlerin als „Teflon-Merkel“ bezeichnen - in Anspielung auf die nichthaftende Beschichtung von Bratpfannen.

Die Kanzlerin sei „bekannt für ihren Widerwillen, sich in aggressiven politischen Debatten zu engagieren. Sie bleibt lieber im Hintergrund, bis die Kräfteverhältnisse klar sind, und versucht dann, die Debatte in die von ihr gewünschten Richtung zu lenken“.

Genau dieses interessante taktische Verhalten der Kanzlerin ist aktuell im Verlauf der Corona-Krise zu beobachten. Spahn prescht vor und führt eine PR-Kampagne in eigener Sache in Zusammenarbeit mit der transatlantisch orientierten BILD-Zeitung durch, um seine politische Zukunft zu retten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier befindet sich auf dem Pfad der Abbitte, weshalb er vorgeschlagen hat, „den Corona-Toten“ gedenken zu wollen.

Der „Star-Virologe“ Christian Drosten und der Tierarzt an der Spitze des Robert Koch-Instituts (RKI) sorgen mit ihren Äußerungen immer noch für Verwirrungen.

Doch „Teflon-Merkel“ wartet ab, bis die Kräfteverhältnisse in der Öffentlichkeit klar sind. Sie hält sich im Hintergrund und vermeidet die Teilnahme an hitzigen Debatten. Sie verhält sich also erneut wie eine „Bratpfanne“ mit einer „nichthaftenden Beschichtung“.

Es herrscht Konsens darüber, dass Merkel eine kühle Machtpolitikerin ist, die sich in einer Welt von halb-kompetenten und teilweise frauenfeindlichen männlichen Politikern durchgesetzt hat. Ihre Kritiker unterstellen ihr, dass sie insgeheim plane, ein fünftes Mal für das Bundeskanzleramt zu kandidieren. Doch dafür müsste sie zunächst ihre parteiinternen Konkurrenten „ausschalten“. Möglich ist alles.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Starbucks dreht den Spieß um: Mehr Baristas statt mehr Maschinen
10.05.2025

Starbucks gibt auf die Maschinen auf: Statt weiter in teure Technik zu investieren, stellt das Unternehmen 3.000 Baristas ein. Nach...

DWN
Panorama
Panorama EU-Prüfer sehen Schwächen im Corona-Aufbaufonds
10.05.2025

Milliarden flossen aus dem Corona-Topf, um die Staaten der Europäischen Union beim Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie zu unterstützen....

DWN
Finanzen
Finanzen Estateguru-Desaster: Deutsche Anleger warten auf 77 Millionen Euro – Rückflüsse stocken, Vertrauen schwindet
10.05.2025

Immobilien-Crowdfunding in der Vertrauenskrise: Estateguru kann 77 Millionen Euro deutscher Anleger bislang nicht zurückführen – das...

DWN
Politik
Politik Landtagswahlen Baden-Württemberg 2026: AfD liegt vor den Grünen – eine Partei gewinnt noch mehr
09.05.2025

Die AfD überholt erstmals laut Insa-Umfrage die grüne Partei in Baden-Württemberg, die seit 13 Jahren regiert und die größte...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Kunstmarkt: Familienangelegenheiten im Auktionshaus Lempertz - und was Unternehmer davon lernen können
09.05.2025

Lempertz in Köln ist das älteste Auktionshaus der Welt in Familienbesitz. Isabel Apiarius-Hanstein leitet es in sechster Generation. Erst...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung – Ghettobildung nimmt zu
09.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie auf Rekordkurs nach starkem Quartalsgewinn – und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag zugelegt – und im Handelsverlauf ein neues Jahreshoch erreicht. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU schlägt zurück: Diese US-Produkte stehen nun im Visier von Brüssel
09.05.2025

Die Europäische Kommission hat eine umfassende Liste von US-Produkten veröffentlicht, auf die im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen...