Die US-Staatsanwaltschaft hatte sich im Rahmen ihrer Untersuchung von Preisabsprachen bei JPMorgan Chase ungewöhnlich scharf ausgedrückt. Sie beschrieb den Edelmetallhandel bei der Investmentbank als "organisiertes Verbrechen", das über mehr als acht Jahre aktiv war. Der Fall wurde im September 2019 aufgegriffen und unterliegt immer noch einer Untersuchung.
Die Staatsanwaltschaft in Chicago hatte den Leiter des globalen Edelmetallhandels von JPMorgan und zwei weitere Personen angeklagt und ihnen "Verschwörung" zu Aktivitäten des "organisierten Verbrechens" (Racketeering Conspiracy) vorgeworfen, wie es in einer Mitteilung auf der Webseite des US-Justizministeriums heißt.
Diese Formulierung ist ein Hinweis darauf, dass die Staatsanwaltschaft den Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (RICO) zur Anwendung bringt. Dieses Gesetz wird eigentlich gegen das organisierte Verbrechen angewandt, nicht jedoch gegen etablierte Großbanken wie JPMorgan Chase.
"Basierend auf der Tatsache, dass es sich um ein Verhalten handelte, das im Handel weit verbreitet war, dass es in Tausenden von Fällen über einen Zeitraum von acht Jahren eingesetzt wurde, dass es genau die Art von Verhalten ist, die das RICO-Statut bestrafen soll", zitiert Bloomberg Staatsanwalt Brian Benczkowski. "Wir werden den Fakten folgen, wohin sie uns auch führen, sei es hier oder zu einer anderen Bank oder nach oben innerhalb des Finanzinstituts", fügte er hinzu.
Das RICO-Gesetz bezieht sich auf die Verfolgung von Personen, die sich an organisierter Kriminalität beteiligen. 1970 verabschiedete der Kongress das Gesetz, um Mafia-Gruppen zu bekämpfen. Seit dieser Zeit wurde das Gesetz erweitert und verwendet, um eine Vielzahl von Organisationen zu verfolgen, von korrupten Polizeidienststellen bis hin zu Motorradbanden. Das RICO-Gesetz sollte nicht als eine Möglichkeit verstanden werden, die Begehung einer isolierten Straftat zu bestrafen. Das Gesetz sieht vielmehr schwerwiegende Konsequenzen für diejenigen vor, die als Mitglieder eines kriminellen Unternehmens ein Muster von Fehlverhalten aufweisen.
Dieser Fall unterscheidet sich von früheren Fällen von Marktmanipulation unter anderem auch darin, dass so viele Banker involviert gewesen sein sollen. Im Jahr 2015 bekannte sich JPMorgan im Zuge einer Untersuchung von Preisabsprachen an den Devisenmärkten schuldig. Damals wurde gegen einen einzelnen Händler der Bank Anklage erhoben wurde. Doch bei der Metall-Manipulation waren laut Staatsanwaltschaft mehr als ein Dutzend Menschen an dem System beteiligt. Zwei von ihnen haben sich schuldig bekundet und arbeiten mit den Behörden zusammen.
Manipulation bei JPMorgan schädigte auch die eigenen Kunden
Michael Nowak, der Leiter des globalen Edelmetalldesk der Bank, Gregg Smith und Christopher Jordan haben Marktteilnehmer und sogar Kunden der eigenen Bank systematisch abgezockt, indem sie die Preise für Gold, Silber, Platin und Palladium illegal verschoben haben, so das Justizministerium am Montag.
Nowak wurde im August 2019 suspendiert, so eine Person, die mit der Sache vertraut ist. Nowak habe nichts Falsches getan, sagten seine Anwälte. Und es sei "wirklich bedauerlich, dass das Justizministerium sich dazu entschlossen hat, diese Sache voranzutreiben".
Die US-Staatsanwaltschaft hat bereits zwei Manipulationsfälle vor Gericht verloren. Laut Benjamin Singer, einem ehemaligen Leiter der Abteilung für Wertpapierbetrug beim US-Justizministerium, sind die neuen Untersuchungen ein gutes Zeichen, dass die Staatsanwälte "unbeirrt sind und mehr, nicht weniger, aggressiv werden", wenn es darum geht, gegen Marktmanipulationen vorzugehen.
Ex-Staatsanwalt Justin Weddle sagte, dass das Justizministerium seine bereits aggressiven Bemühungen gegen Spoofing noch verdoppelt habe. Spoofing ist eine Form der Marktmanipulation, bei der Kauf- und Verkaufsaufträge für Edelmetall-Terminkontrakte erstellt werden, mit der Absicht, diese Aufträge wieder zu stornieren, bevor sie ausgeführt werden. Doch Spoofing ist erst seit 2011 illegal und viele der in der Anklage beschriebenen Geschäfte und Textnachrichten fanden vor diesem Zeitpunkt statt.
Beschuldigte sollen Ermittler über Jahre angelogen haben
Die Staatsanwaltschaft sagt, dass die drei beschuldigten Männer betrügerische Aufträge platziert hätten, entweder elektronisch und per Telefon mit den Tradern auf dem Handelsparkett. Die Männer hätten auf diese Weise Millionengewinne für sich selbst und für JPMorgan generiert und entsprechende Verluste für die anderen Marktteilnehmer, sagt die Staatsanwaltschaft.
Die Vorfälle hätten begonnen, bevor JPMorgan im Mai 2008 die Pleitebank Bear Stearns kaufte, und seien nach dieser Übernahme noch größer geworden. Jordan war der Anklage zufolge auch an Manipulationen beteiligt, als er im Jahr 2010 etwa sechs Monate lang für die Schweizer Großbank Credit Suisse tätig war. Die Banken werden von der Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich genannt, doch aus dem Text geht klar hervor, dass es sich um JPMorgan, Bear Stearns und Credit Suisse handelt.
Der Anklage zufolge haben Jordan und Smith nicht nur die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch die bankinternen Ermittler über Jahre belogen. Im Jahr 2010 soll Jordan absichtlich einen Ermittler der Börsenaufsicht Commodity Futures Trading Commission (CFTC) im Zusammenhang mit der Manipulation der Silberpreise belogen haben, während Smith drei Jahre später einen Ermittler des Börsenbetreibers CME Group über seine Handelspraktiken belogen haben soll.
Nowak und Jordan sollen auch auf Jahresabschlüssen gelogen haben, wo sie angaben, dass sie in den Jahren 2008 und 2009 in Übereinstimmung mit dem Verhaltenskodex von JPMorgan gehandelt haben, während Smith in den Jahren 2009 und 2010 gelogen haben soll.
Die Untersuchung gegen JPMorgan beruht auf dem Vorgehen der USA gegen mehrere Banken wegen Manipulation der Rohstoffmärkte. Das US-Justizministerium hatte bereits Strafanzeige gegen 16 Personen erstattet, darunter Händler, die für die Deutsche Bank und UBS tätig waren. Sieben plädierten auf schuldig, einer wurde bereits verurteilt und einer wurde freigesprochen.