Politik

US-Wahlkampf: Erstes TV-Duell zwischen Trump und Biden verläuft chaotisch, Märkte werden nervös

Lesezeit: 4 min
30.09.2020 08:36  Aktualisiert: 30.09.2020 08:36
Der US-Präsident fällt seinem Herausforderer ständig ins Wort, Biden wiederum bezeichnet den Amtsinhaber als „Clown“, "Putins Welpen" und „Lügner“.
US-Wahlkampf: Erstes TV-Duell zwischen Trump und Biden verläuft chaotisch, Märkte werden nervös
Das erste Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden. (Foto: dpa)
Foto: Patrick Semansky

Mehr zum Thema:  
Politik > USA >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Politik  
USA  

Die erste TV-Debatte von US-Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden ist in ein chaotisches Wortgefecht mit vielen persönlichen Angriffen ausgeartet. Vor allem Trump (74) fiel Biden (77) immer wieder ins Wort und ließ ihn nicht ausreden. Biden hingegen bezeichnete Trump in 90 Minuten als «Rassisten», «Lügner», «Putins Welpen» und «den schlechtesten Präsidenten, den Amerika je hatte». Trump weigerte sich vor dem riesigen TV-Publikum zu versprechen, dass er sich nicht vor dem offiziellen Wahlergebnis zum Sieger erklärt. Biden tat das. Trump weigerte sich ebenfalls, von einigen Medien als rassistisch bezeichnete Gruppen zu verurteilen. Neue Einsichten brachte das Streitgespräch kaum. Zuschauer reagierten in ersten Umfragen genervt und verärgert.

Das Konzept der TV-Debatte war eigentlich, jeweils 15 Minuten lang sechs Themenblöcke zu diskutieren. Der Moderator stellt eine Frage, die Kandidaten haben jeweils zwei Minuten für ihr Statement, es folgt eine offene Diskussion. Diese Struktur fiel schnell auseinander.

Trump sorgte mit seinen Zwischenrufen dafür, dass Biden viele Gedanken nicht zuendebringen konnte. Der ehemalige Vizepräsident reagierte meist mit Kopfschütteln und einem ironischen Lächeln und wehrte sich gelegentlich in leicht resigniertem Ton. «Würden Sie mal die Klappe halten, Mann?», fragte er an einer Stelle. «Es ist schwer, mit diesem Clown auf den Punkt zu kommen», sagte er. Dem erfahrenen TV-Journalisten Chris Wallace als Moderator entglitt schnell die Kontrolle - vor allem weil er es kaum schaffte, Trump zur Ordnung zu rufen. «Herr Präsident, lassen Sie ihn ausreden», appellierte er.

Bei den Zuschauern kam das Spektakel nicht gut an. Befragt nach ihrem überwiegenden Gefühl beim Anschauen der Debatte antworteten in einer CBS-Blitzumfrage in der Nacht zum Mittwoch mehr als zwei Drittel (69 Prozent), die Diskussion habe sie vor allem verärgert. 48 Prozent sahen Biden als Gewinner der Debatte und 41 Prozent Trump. In einer Umfrage des Nachrichtensenders CNN - der als Plattform für Trumps Kritiker bekannt ist - war das Verhältnis wenig überraschend 60 Prozent zu 28 Prozent für Biden. Im Saal in Cleveland (Bundesstaat Ohio) waren einige Dutzend Zuschauer, sie mussten sich aber leise verhalten.

Wallace wählte als erstes Thema die aktuell laufende Neubesetzung des Posten der verstorbenen Richterin Ruth Bader Ginsburg am Obersten Gericht der USA aus. Daraus wurde schnell eine Debatte über das Gesundheitswesen in der USA, nachdem Biden argumentiert hatte, dass mit der von Trump vorgeschlagenen Richterin Amy Coney Barrett die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama zu Grabe getragen würde. Nach Trumps Behauptungen über angebliche Pläne der Demokraten, die private Gesundheitsversorgung abzuschaffen, platzte Biden zum ersten Mal der Kragen: «Alles, was er bisher sagte, ist einfach gelogen.» Jeder wisse, dass Trump ein Lügner sei, behauptete Biden.

Dieses Muster - Trump unterbricht und stellt ungedeckte Behauptungen auf, Biden schlägt unter der Gürtellinie zurück - bestimmte die Debatte. Auch bei einer zentralen Frage für die USA - der Umgang mit der Corona-Krise - lief es ähnlich. «Er will einen Shutdown dieses Landes, und ich will es offen halten», sagte Trump. Biden konterte, Trump habe sich «völlig unverantwortlich» verhalten und so Tausende gefährdet. Biden betonte, dass er als Präsident zum Tragen von Masken ermutigen würde, weil das viele Menschenleben retten könne. Trump warf ein, dass einige den Nutzen von Masken bestreiten. «Keine ernsthafte Person hat das Gegenteil behauptet», hakte Biden ab. Die Pandemie kostete in den USA bislang mehr als 200 000 Menschen das Leben - allerdings hatten etwa 94 Prozent der Verstorbenen andere, oft schwere, Vorerkrankungen.

Biden schlägt unter die Gürtellinie

Mit dem Vorwurf, dass Trump Kremlchef Wladimir Putin nicht die Stirn biete, preschte Biden im Zusammenhang mit - den inzwischen entkräfteten - Berichten über angebliche Kopfgelder Russlands auf US-Soldaten in Afghanistan vor. «Er ist Putins Welpe», sagte Biden. Bestätigt wurden die Berichte bisher nicht. Überhaupt wurde das Narrativ von der angeblichen Einmischung der Russen in den US-Wahlkampf 2016 inzwischen als Lüge enttarnt.

Trump weigerte sich, Unterstützer-Gruppen wie die sogenannten Proud Boys zu verurteilen. «Wen soll ich verurteilen?», fragte er Moderator Wallace. «Proud Boys - haltet euch zurück und haltet Euch bereit», sagte Trump danach («stand down and stand by»). Der Satz sorgte unter US-Kommentatoren für Stirnrunzeln. Trumps Sohn Donald Trump Jr. sagte nach der Debatte im TV-Sender CBS, dass sein Vater sich wohl versprochen habe. Biden verwies mit einem Retweet darauf, dass die Proud Boys Trumps Äußerung im Netz feierten.

Trump stellte Bidens Intellekt in Frage. Nachdem der Herausforderer sagte, die USA müssten im Umgang mit der Corona-Krise smarter werden, fuhr der Präsident ihn an: «Verwenden Sie nie das Wort smart bei mir. Verwenden sie nie dieses Wort. An Ihnen ist nichts smart, Joe.»

Biden ließ sich von Trump nicht in eine Ecke mit «extremen Linken» stellen, welche in Form von Black Lives Matter-Aktivisten und Antifa-Aktivisten seit Monaten in den USA ebenso wie rechte Bürgergruppen Gewalttaten begehen. Der Präsident behauptet immer wieder, dass Biden deren «Marionette» sei. «Ich bin jetzt die Demokratische Partei», konterte Biden. «Die Plattform der Demokratischen Partei ist das, was ich gutheiße.»

Biden nutzte den Wirtschaftsteil der Debatte, um sich direkt an die Wähler zu wenden. In der Corona-Krise sei es Millionären und Milliardären wie Trump gut ergangen, «aber Ihr Leute zuhause, wie geht es Euch?», sagte Biden in die Kamera. Es ist ein klassischer Zug in TV-Debatten in Amerika, seit der damalige Kandidat Ronald Reagan 1979 die Zuschauer aufrief, darüber nachzudenken, ob es ihnen besser gehe als vor vier Jahren. Trump wiederholte unterdessen, dass er die beste Wirtschaft in der Geschichte des Landes aufgebaut habe.

Ein eher überraschender Moment kam als Trump in der Debatte den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel einräumte - zumindest teilweise. Auf die Frage, ob er glaube, dass Umweltverschmutzung und Treibhausgase zur Erderwärmung beitrügen, sagte er: «Viele Dinge tun das, aber in einem gewissen Ausmaß: ja.» Trump sagte, die Waldbrände an der US-Westküste hätten ihre Ursache auch darin, dass dort anders als in Europa keine ausreichende Forstwirtschaft betrieben werde.


Mehr zum Thema:  
Politik > USA >

DWN
Politik
Politik Trump in Not: Niemand möchte für Sicherheiten in Höhe von 454 Millionen Dollar bürgen
19.03.2024

Gerne betont Donald Trump, wie wenig unangreifbar er sei - wegen seines unermesslichen Reichtums. Dass es damit längst nicht so weit her...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Beliebte Modelle verschwinden vom Markt: Wegen neuer EU-Regeln dünnen Autobauer Palette aus
19.03.2024

Machen wir uns das Leben in der Europäischen Union mal wieder selbst schwer? Weil es wegen Cybersecurity neue EU-Regeln gibt, müssen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldrausch: Warum der Goldpreis immer weiter steigt und deutsche Anleger ausgerechnet jetzt verkaufen
19.03.2024

Der Goldpreis eilt von einem Rekordhoch zum nächsten – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo die Zinsen besonders hoch sind....

DWN
Technologie
Technologie Nvidia-Aktie vor Ausbruch? Chipkonzern will mit neuem Computersystem KI-Dominanz festigen
19.03.2024

Nvidia ist beim Thema Künstliche Intelligenz einer der wichtigsten Player auf dem Weltmarkt. Dank des KI-Hypes befindet sich die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ifo-Institut: „Homeoffice könnte Büroflächenbedarf senken“
19.03.2024

Das Homeoffice senkt in Deutschland den Bedarf an Büroflächen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des ifo-Instituts und des...

DWN
Immobilien
Immobilien Immoscout: Vorsichtige positive Signale auf dem Immobilienmarkt
19.03.2024

Stark ansteigende Kreditzinsen und Baukosten haben den Kauf eines Eigenheims für viele in den vergangenen Jahren unerschwinglich gemacht....

DWN
Finanzen
Finanzen Fundamentale Aktienanalyse - so bewertet man Wertpapiere richtig
18.03.2024

Die fundamentale Aktienanalyse ist ein unverzichtbares Instrument für jeden Investor, der Wertpapiere nicht nur verstehen, sondern auch...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Umfrage: Sehr viele Deutsche sorgen sich vor weiteren Energiepreissprüngen
18.03.2024

Die Menschen in Deutschland haben einer Umfrage zufolge Sorgen vor weiteren Energiesprüngen und allgemeinen Preissteigerungen - trotz der...