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Google investiert in Deutschland in journalistische Inhalte – Unabhängigkeit des Journalismus zunehmend in Gefahr?

Lesezeit: 4 min
08.10.2020 08:00
Der US-Tech-Gigant will in den nächsten drei Jahren rund eine Milliarde Dollar in journalistische Inhalte investieren. Das Geld fließt in Lizenzgebühren für große Verlage. Was an der Oberfläche nach einem Einlenken des Großkonzerns in Richtung der Medienhäuser aussieht, könnte in Wahrheit ganz anderen Zwecken dienen.
Google investiert in Deutschland in journalistische Inhalte – Unabhängigkeit des Journalismus zunehmend in Gefahr?
In der Google-Suche werden schon bald vom US-Konzern bezahlte Artikel prominent platziert. (Foto: dpa)
Foto: Marijan Murat

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Wobei: Vielleicht ist Investition nicht das richtige Wort. Denn (noch) sind im Rahmen des Projektes „Google-News-Showcase“ keine Google-exklusiven Inhalte geplant – beispielsweise könnten das Artikel sein, die man nur über die Google-Suchmaschine findet.

Google bezahlt aber ausgewählte Medien für journalistische Inhalte, die dafür prominent in den Suchergebnissen platziert werden. Zumindest perspektivisch. Denn zu Beginn ist „Google News Showcase“ nur in die Google News App integriert. Die selektierten Artikel erscheinen dann in sogenannten Story-Panels. In der Zukunft sollen die Texte auch über Google Discover und in der normalen Google-Suche prominent präsentiert werden. Im Rahmen einer Kooperation erlangt Google auch das Recht, dass die Nutzer von „Google News Showcase“ auf einige kostenpflichtige Artikel ohne Bezahlung zugreifen können.

Deutsche Medienhäuser sind unter den ersten, die an dem Projekt teilnehmen. Bald schon soll der Dienst auf andere Länder wie Großbrittanien, Kanada, Belgien, Niederlande, Indien und Australien ausgeweitet werden. Insgesamt geht es um Lizenzsummen von einer Milliarde Dollar in den nächsten Jahren.

In Deutschland ist fast alles dabei, was Rang und Namen hat, darunter: „Der Spiegel“, „Die Zeit“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Berliner Verlag“ (Berliner Zeitung), „Der Tagesspiegel“, „Burda“ (Focus), „Funke Mediengruppe“, „Gruner + Jahr“ (Stern), „Handelsblatt Media Group“ (Handelsblatt und WirtschaftsWoche), „Ströer“ (t-online), „netzwelt“ und „Computec Media“.

Unterstützung des Qualitätsjournalismus?

Der Google-Chef für Europa, Phillip Justus, meinte, das Bezahlen von Lizenzgebühren für Artikel sei in der Konzerngeschichte der „bislang weitreichendste Schritt, um die Zukunft der Journalismus-Branche zu unterstützen“. Auf dem offiziellen Google-Blog heißt es, man wolle mit Google News Showcase „einen signifikanten Beitrag dazu leisten, dass freier und unabhängiger Journalismus auch in Zukunft auf einem starken wirtschaftlichen Fundament steht.“

Die teilnehmenden Verlage zeigten sich wenig überraschend sehr positiv. Carsten Knop, Herausgeber der teilnehmenden „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ meint: „Das neue Produkt gibt uns die Möglichkeit, unseren Qualitätsjournalismus noch mehr Lesern vorzustellen, die eventuell zu treuen Lesern und Abonnenten werden.“

Auch bei Burda begrüßt man die Idee: „Wir haben hier die Möglichkeit unsere hochwertigen journalistischen Inhalte einer noch breiteren Zielgruppe zur Verfügung zu stellen. Dafür bietet uns Google ein weiteres Schaufenster an, mit dem wir die Marke Focus Online weiter stärken können“, wird ein Pressesprecher zitiert.

Und Stefan Ottlitz, Geschäftsführer des Spiegel-Verlags, sagte: "Mit News Showcase und der neuen Einbindung redaktioneller Inhalte wie vom Spiegel zeigt Google, dass es ihnen ernst ist mit der Unterstützung von Qualitätsjournalismus in Deutschland",

Nun drängt sich aber die Frage auf, wer genau definiert, was eine hohe journalistische Qualität hat und was nicht. Wenn man sich die Teilnehmer der Initiative anschaut, könnte man meinen, die Größe des Medienhauses wäre das wichtigste Qualitätskriterium.

„Geldausschüttung nach Gutsherrenart“

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), dessen Präsident der Springer-Chef Mathias Döpfner ist, reagierte dagegen kritisch. Google erkenne mit dem neuen Angebot grundsätzlich an, dass es für Presseinhalte zahlen müsse. Allerdings: „Es drängt sich der Verdacht auf, dass Google offenbar lieber ein eigenes Angebot lanciert, bei dem es die Teilnahmebedingungen diktieren kann, anstatt Recht und Gesetz in der EU anzuerkennen.“ „Die Geldausschüttung an Verlagshäuser“ erfolge „nach Gutsherrenart“. Das hätte „nichts mit unseren Vorstellungen von einem modernen Urheberrecht im 21.Jahrhundert zu tun“.

Der Strategiewechsel von Google

Googles Schritt gilt in der Branche als Kehrtwende. Denn der US-Tech-Gigant ist seit Jahren im Dauerkonflikt mit einigen Medienhäusern, in Deutschland allen voran mit dem Verlag „Axel Springer SE“ (unter anderem „Bildzeitung“ und „Die Welt“) – die denn auch auf der Partnerliste fehlen. Die Medienbetreiber fordern von Google eine Vergütung für die Online-Veröffentlichung von Pressetexten. Der Konzern lehnte das bisher ab und argumentierte, dass die Beziehung zwischen Onlineseiten und Google eine beidseitige Synergie aufweise: Google profitiert von den Nutzerzahlen und die Online-Medien erreichen auch dank Google gewisse Klickraten (die sich in Werbeeinnahmen ummünzen lassen).

Vor einigen Jahren ist der Markt für Online-Werbung durch die verstärkte Nutzung von Ad-Blockern eingebrochen. Der Journalismus wurde dadurch hart getroffen und musste zunehmend auf Bezahlmodelle umstellen. Durch Corona hat der Werbemarkt eine weitere Delle bekommen. Mit Google News Showcase will der Tech-Riese den Verlagen unter die Arme greifen und redaktionelle Arbeit fördern. Ironischerweise trägt Google (vor allem über Youtube) gemeinsam mit Facebook (Instagram) jedoch dazu bei, dass ein Großteil der Werbegelder in diese zwei Kanäle fließt und deshalb weniger Werbebudget für den Online-Journalismus bleibt.

Außerdem muss die redaktionelle Unabhängigkeit in Frage gestellt werden, wenn die Inhalte direkt von Google vergütet werden. Die kooperierenden Medienhäuser profitieren zwar von der Marktstellung des mächtigen amerikanischen IT-Konzerns, machen sich aber perspektivisch noch abhängiger von den Diensten des amerikanischen IT-Konzerns. Und diese Machtausweitung könnte letztlich der Hauptgrund für das Einlenken von Google sein. Diktiert Google bald, wie Artikel oder Überschriften auszusehen haben. Oder, etwas überspitzt formuliert: Schreibt man die Texte irgendwann einfach selbst?

Die redaktionelle Unabhängigkeit steht auf dem Spiel

Die Unabhängigkeit des Journalismus muss generell in Frage gestellt werden. Denn es geht hier nicht um klassische Interessenskonflikte zwischen Inhalten und Werbepartnern. Die Investitions-Summe ist beachtlich, die Einnahmen aus Google News Showcase könnten für das ein oder andere Medienunternehmen noch überlebenswichtig werden. Das dürfte zur „Selbstzensur“ führen. Kontroverse Themen – ob Google betreffend oder nicht – kämen dann gar nicht mehr auf die Agenda.

Darüber hinaus sollen einige Medienfirmen in Zukunft vom deutschen Staat gepäppelt werden. Und zwar nicht über das Schalten von Anzeigen, wofür die Bundesregierung 2019 kumuliert über alle Medienformen (Print, Online, Fernsehen) rund 43 Millionen Euro ausgegeben hat. Das kann zwar in manchen Fällen einen faden Beigeschmack haben, aber es es handelt sich um eine Vertragsbeziehung mit gegenseitigen Leistungen, was im formalen Sinne von einer Subventionierung weit entfernt ist.

Nun soll es aber in Deutschland Subventionen für die Medien geben: Zum Zweck der „Förderung der Zustellung von Abonnementzeitungen und Anzeigenblättern“ waren im Bundeshaushalt 2020 ursprünglich 40 Millionen Euro eingeplant. De facto hätte es sich um eine verdeckte Subvention der großen Print-Verlage gehandelt. Im zweiten Nachtragshaushalt sind (in einem anderen Haushaltsposten) nur noch 20 Millionen an Fördergeldern für dieses Jahr vorgesehen, jedoch bis zu 200 Millionen in den kommenden Jahren und nicht mal mehr explizit für die überproportional leidenden Print-Sparten. Wörtlich geht es um die "Förderung der digitalen Transformation des Verlagswesens, [..] des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen, -zeitschriften und Anzeigenblättern". Mit den Subventionsgeldern soll offiziell die Medienvielfalt gefördert und der Journalismus gestärkt werden. Es ist aber zu befürchten, dass die Summen am Ende nur dazu dienen werden, den angeschlagenen Leitmedien (Spiegel, FAZ, Zeit und Co.) finanziell unter die Arme zu greifen.

Die Medien sollten die vierte Macht im Staat sein. Das heißt, es ist eigentlich ihre Aufgabe, die Regierenden und Mächtigen kritisch zu betrachten. Wie gut diese Aufgabe wohl erfüllt wird, wenn man zunehmend direkt finanziell von der Regierung und dem mächtigsten Internet-Konzern der Welt abhängig ist?


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