Politik

Ausnahmen von Quarantänepflicht in Kanzleramt und Ministerien

Wer Urlaub in einer ausländischen Corona-Hochburg gemacht hat, muss in Quarantäne. Das soll die Verbreitung des Virus eindämmen. Doch manche Ministerien erlauben Ausnahmen Mitarbeitern Ausnahmen - selbst ohne Coronavirus-Test.
09.10.2020 17:07
Aktualisiert: 09.10.2020 17:07
Lesezeit: 3 min
Ausnahmen von Quarantänepflicht in Kanzleramt und Ministerien
23.03.2020, Berlin: Das Bundeskanzleramt spiegelt sich in der Glasfassade des Paul-Löbe-Hauses. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Von Martina Herzog, dpa

Das Kanzleramt und mehrere Bundesministerien nutzen eine Berliner Sonderregelung, die Rückkehrer aus ausländischen Corona-Risikogebieten von der Quarantänepflicht befreit. Ein Test auf das Coronavirus ist in diesen Fällen nicht vorgeschrieben und wird auch nicht von jedem Haus vor der Rückkehr ins Büro verlangt, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Kanzleramt und Ministerien ergab. Die Klausel wird nur in Ausnahmefällen genutzt - allerdings beantworteten nicht alle Ministerien Fragen dazu.

Menschen, die in den vergangenen 14 Tagen in einem ausländischen Risikogebiet waren, müssen sich nach der Rückkehr beim Gesundheitsamt melden und für zwei Wochen in häusliche Quarantäne. Vermeiden lässt sich die Quarantäne normalerweise nur mit einem aktuellen negativen Coronavirus-Test. Die Berliner Infektionsschutzverordnung sieht zudem Ausnahmen etwa für Piloten, Berufskraftfahrer und Kapitäne vor, die sich nur kurz in einem Risikogebiet aufgehalten haben.

Von der Quarantänepflicht können sich in Berlin aber auch Abgeordnete, Diplomaten oder andere Mitarbeiter von Bundesministerien befreien lassen. Denn Menschen, «deren Tätigkeit für die Aufrechterhaltung der Pflege diplomatischer und konsularischer Beziehungen» nötig ist, können ausgenommen werden. Das gilt auch für Menschen mit Jobs, die «der Funktionsfähigkeit von Volksvertretung, Regierung und Verwaltung des Bundes, der Länder und der Kommunen» oder von EU-Organen und internationalen Organisationen dienen. Aber: Die «zwingende Notwendigkeit ist durch den Dienstherrn oder Arbeitgeber zu prüfen und schriftlich zu bescheinigen». Vergleichbare Ausnahmeregelungen gibt es in Berlin seit April, allerdings haben sich im Laufe der Zeit die Quarantänepflichten verändert - am Anfang galten sie noch für alle Auslandsreisen, nicht nur für Risikogebiete.

Das Kanzleramt nutzte die Klausel, die von der Quarantäne befreit, mit Stand Mittwoch nach Angaben eines Regierungssprechers fünf Mal, schreibt aber keinen Test vor. Die Möglichkeit dazu gebe es aber ab dem fünften Tag nach der Rückkehr. «Zudem werden bei zwingender Anwesenheit vor Ort alle Möglichkeiten ausgeschöpft, möglichst kontaktarm zu arbeiten.»

Vergleichsweise entspannt geht insbesondere das Landwirtschaftsministerium mit der Frage um. Dies erteilte die Ausnahmegenehmigung bislang für «unter zehn Personen» und verlangt kein negatives Testergebnis von Rückkehrern. «Ein solcher Test ist nach der Berliner Verordnung nicht vorgesehen», sagte ein Sprecher.

Besonders strikte Vorkehrungen für Rückkehrer aus Risikogebieten gelten hingegen im Finanz-, Innen- und Verteidigungsministerium sowie im Arbeitsministerium. Auch das Familienministerium nutzt die Ausnahmeklausel nicht, das Umweltministerium bislang ebenso wenig.

Das Finanzministerium erteilt die Erlaubnis für Dienstreisen in Risikogebiete nur «im absoluten Ausnahmefall». Rückkehrer dürfen das Ministerium selbst mit negativem Testergebnis zwei Wochen lang nicht betreten und müssen zu Hause arbeiten. Das Innenministerium hat die Ausnahme nach Angaben eines Sprechers bislang nicht genutzt und würde Mitarbeiter bis zum Vorliegen eines negativen Testergebnisses ins Homeoffice schicken.

Hausinterne Regeln des Verteidigungsministeriums sehen zwei Wochen Quarantäne nach Auslandseinsätzen oder der Rückkehr aus Risikogebieten vor. Das Arbeitsministerium erteilte zwei Genehmigungen und schickte die Rückkehrer in die Quarantäne bis zwei negative Testergebnisse vorlagen.

Auch das Forschungsministerium hat die Regelung bereits angewendet, die betreffenden Mitarbeiter seien im Anschluss negativ auf das Coronavirus getestet worden, erklärte ein Sprecher.

Das Entwicklungsministerium, wo bislang fünf Personen von der Quarantänepflicht entbunden wurden, schickt Rückkehrer bis zu einem Negativ-Test ins Homeoffice. Wer unbedingt ins Büro muss, werde gleich nach der Rückkehr getestet und erneut am fünften Tag danach. Bis dahin muss er «möglichst kontaktarm» arbeiten und eine Mund-Nasen-Maske tragen.

Das Gesundheitsministerium griff nach eigenen Angaben bislang einmal auf die Ausnahme zurück. Ob Rückkehrer auch ohne negative Tests zurück ins Büro dürfen, werde im Einzelfall entschieden, häufig sei aber die Arbeit im Homeoffice möglich.

Das Justizministerium wollte sich nicht zu «organisationsinternen Maßnahmen äußern», versicherte aber, eine Erlaubnis werde nur «sehr restriktiv» erteilt. Auswärtiges Amt und Wirtschaftsministerium erklärten lediglich, man halte sich an die Berliner Verordnung. Das Verkehrsministerium ließ ganz allgemein wissen: «Dienstreisen in Risikogebiete werden vermieden.»

Die jüngst verschärften Berliner Regelungen zum Infektionsschutz setzen die Ministerien nach eigenem Bekunden um. Seit dem vergangenen Samstag gilt auch in Büros und Verwaltungsgebäuden Maskenpflicht in Aufzügen und für Mitarbeiter, die sich nicht auf einem festen Platz aufhalten und den Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen nicht sicher einhalten können. Das gilt auch für Kanzleramt und Ministerien und wird dort eingehalten, wie alle versichern. Nur im Verteidigungsministerium gilt eine andere Rechtsgrundlage, dort ist die Bundeswehr für den Infektionsschutz zuständig - dort greifen aber ebenso strenge Regelungen wie in den anderen Häusern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...