Finanzen

Gegen China: US-Regierung nimmt die Großbanken unter Beschuss

Lesezeit: 4 min
15.10.2020 16:25  Aktualisiert: 15.10.2020 16:25
Der geopolitische Feldzug der Trump-Administration gegen China brachte bislang vornehmlich Unternehmen wie Huawei oder Tiktok in Bedrängnis. Nun geraten erstmals internationale Großbanken in die Schusslinie.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die US-Regierung hat internationale Finanzinstitutionen davor gewarnt, mit den Verantwortlichen für die „Niederschlagung“ der monatelang anhaltenden Proteste in Hongkong Geschäfte zu machen. In einem Bericht, den die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch einsehen konnte, listet das Außenministerium zehn Personen auf - darunter die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam. Wie die South China Morning Post berichtet, sollen zudem auch die Namen der Justizministerin Hongkongs sowie hochrangiger Polizeibeamter auf der Liste stehen.

Das Außenministerium kündigt an, innerhalb von 60 Tagen werde es die Institutionen benennen, die finanzielle Transaktionen für eine dieser Personen abgewickelt hätten. Es könnten rasch Sanktionen folgen.

Eine einseitig vorgenommene Verhängung von Sanktionen gegen Banken und andere Finanzdienstleister durch die US-Regierung hätte weitreichende Folgen. Im schlimmsten Fall könnte Washington einen Ausschluss der unliebsamen Banken aus dem Dollar-System erwirken, den sich derzeit praktisch keine Bank leisten kann, weil der Dollar nach wie vor die dominierende Handels- und Reservewährung der Welt ist. Andererseits würde eine Befolgung der Sanktionspolitik faktisch zur Selbstaufgabe der Unternehmen führen und diese müssten sich fortan bei jedem ihrer Geschäfte an den geopolitischen Interessen Washingtons orientieren.

In diesem Zusammenhang sind Äußerungen hochrangiger chinesischer Beamter aus den vergangenen Wochen interessant. So wird in China durchaus mit der Möglichkeit eines Ausschlusses heimischer Banken oder Unternehmen aus dem Dollar-Zahlungssystem kalkuliert. Kurz- und mittelfristig wäre dies ein massiver Schlag für die Betroffenen – langfristig dürfte es aber auch die globale Rolle des chinesischen Renminbi im Weltwährungsgefüge für Investoren attraktiver machen, welche sich mit Blick auf ihre eigenen Geschäfte wegen der zunehmend unberechenbaren und stark politisierten Wirtschaftspolitik der USA Sorgen machen. Investitionen in den durch das solide Wirtschaftswachstum Chinas unterfütterten Renminbi gewinnen vor diesem Hintergrund als Alternative zu Dollar-Assets derzeit an Attraktivität.

Banken werden bei vorsichtiger bei „politisch exponierten“ Kunden

Zuletzt hatten einige Politiker in Großbritannien und in den USA die weltweit aktiven Großbanken HSBC und Standard Chartered kritisiert, weil diese das umstrittene Sicherheitsgesetz Chinas für Hongkong unterstützten. Das Sicherheitsgesetz war die Grundlage für die Beendigung der monatelangen, teilweise äußerst gewalttätigen, Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Seit Einführung des Gesetzes, welches insbesondere auf die Abwehr ausländischer Infiltrations- und Spionageversuche abzielt, herrscht weitgehend Ruhe in Hongkong. Das US-Außenministerium begründet seine Attacken nicht zuletzt damit, dass das Sicherheitsgesetz die in der Sino-British Joint Declaration zwischen Briten und Chinesen kurz vor der Rückgabe Hongkongs an China getroffenen Vereinbarungen verletze.

Beobachter aus Hongkong erkennen aber auch Anzeichen dafür, dass es sich bei den nun ausgesprochenen Drohungen des Außenministeriums mehr um Wahlkampfmanöver Trumps als um ernsthafte Ankündigungen handelt, denen Taten folgen werden. So fehle auf der neuen Liste der ehemalige Police Commissioner Hongkongs, Stephen Lo, welcher noch im August auf einer anderen Drohliste der USA gestanden habe. „Anstatt mehr Personen auf die Liste zu nehmen, haben sie einen runtergenommen. Wir sehen nicht, dass die Situation gerade eskaliert“, wird ein Finanzanalyst von Jefferies von der South China Morning Post zitiert.

Trotzdem trägt Trumps Strategie der Sanktionsdrohungen Früchte. So hatten international tätige Banken mit Blick auf den amerikanisch-chinesischen Machtkampf schon in den vergangenen Monaten und Jahren damit begonnen, ihre Kundenlisten heimlich still und leise nach sogenannten „politisch exponierten“ Persönlichkeiten zu durchsuchen und – wenn dringend notwendig – das Geschäftsverhältnis zu kündigen. Hongkongs Regierungschef Carrie Lam selbst erklärte vor Kurzem, dass sie massive Schwierigkeiten habe, ihre Kreditkarten zu nutzen, seitdem sie auf den US-Listen stehe.

Hält Trump Amerikas Investoren vom größten Börsengang des Jahres ab?

Auch die FinTech-Tochter Ant Group des chinesischen Online-Händlers Alibaba soll nach dem Willen des US-Außenministeriums mit Sanktionen belegt werden. Zwei mit dem Vorgang vertraute Personen sagten Reuters am Mittwoch, einen entsprechenden Vorschlag habe das Ministerium der gesamten US-Regierung vorgeschlagen. Es war allerdings zunächst unklar, wann sich die zuständigen Behörden mit dem Wunsch des Außenministeriums befassen werden, Ant Group auf die Schwarze Liste zu setzen.

China erklärte am Donnerstag, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechte und Interessen seiner Unternehmen zu schützen. Die US-Regierung versucht, Amerikanern eine Teilnahme an dem eigentlich noch für diesen Monat geplanten Börsengang von Ant Group zu verwehren. Sie fürchtet, dass die chinesische Regierung auf sensible Bankdaten von künftigen US-Nutzern der Ant-Zahlungsapp AliPay zugreifen könnte.

Wie die Sanktionen gegen das von Jack Ma ins Leben gerufene Unternehmen konkret aussehen, blieb unklar. Insider sagten Reuters, das Außenministerium habe der Regierung Vorschläge gemacht, aber es sei nicht klar, wann sich die betreffenden Behörden damit beschäftigen.

Die chinesische Regierung verurteilte die Sanktionsdrohungen gegen die Banken und gegen die Ant Group scharf. Die USA missbrauchten ihr Konzept der nationalen Sicherheit, um Firmen aus dem Ausland zu unterdrücken, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums.

Experten gehen davon aus, dass Trump Anlegern nicht verbieten kann, sich an dem Börsengang von Ant in Hongkong und Schanghai zu beteiligen. Ant Group strebt die Platzierung nach eigenen Aussagen eigentlich noch vor der US-Präsidentschaftswahl am 3. November an. Die drohenden Sanktionen sind nicht die einzige Hürde für das Fintech, das zuletzt mit mehr als 200 Milliarden Dollar bewertet wurde. Insidern zufolge prüft die chinesische Regierung einen Interessenskonflikt, weil die Zahlungsplattform Alipay für manche Kleinanleger der einzige Kanal ist, Aktien von Ant zu zeichnen und am Börsengang teilzunehmen.

Ant Group wartet noch auf die finale Genehmigung des Börsengangs, der mit 35 Milliarden Dollar die Rekord-Neuemission des Ölgiganten Saudi Aramco übertreffen könnte. Mit Alipay betreibt Ant den dominierenden Bezahldienst in China und bietet über Apps auch Kredite, Versicherungen und Vermögensmanagement-Dienste an. Der Amazon-Rivale Alibaba hält noch ein Drittel der Anteile an Ant Group.

Totschlagargument „Nationale Sicherheit“

Zum Verständnis der zunehmend aggressiven US-Politik stets als zugespitzte Bewertung interessant sind die Kommentare des Finanzdienstleisters Solvecon, welche dieser in seinen täglich erscheinenden Forex-Reports veröffentlicht. Dort heißt es zu dem aktuellen Stand der Dinge:

Smarte Beobachter und der Sache (und nicht Drittinteressen) verpflichtete Analysten erkennen, dass die US-Regierung immer aggressiver wird. Der US-Politikstil macht deutlich, dass es US-Selbstverständnis ist, dass US-Recht internationalem Recht gleichkommt. Das ist ein totalitärer Anspruch, der bar jeden Respekts gegenüber anderen Nationen und Kulturen ist. Dieser Anspruch verträgt sich auch nicht ansatzweise mit der UN-Charta.

Die häufige Basierung der eklatanten Maßnahmen auf angeblichen Grundlagen der Erhaltung der „Nationalen Sicherheit“ ist grotesk, denn das ist kein definierter Rechtsbegriff. Diesbezüglich stellen sich übrigens US-Verfassungsfragen, denen aus welchen Gründen auch immer nicht nachgegangen wird. Bei TikTok wurden mit dieser Methode Eigentumsrechte im angeblichen Kernland des Kapitalismus verletzt. Dieser Begriff der „Nationalen Sicherheit“ ist beliebig.

Damit besteht für internationale Geschäftsteilnehmer ein beliebiges Rechtsrisiko in den USA und bei Verwendung des Zahlungsmittels USD.

Sind die Rechtsrisiken in China oder Russland vor diesem Hintergrund größer oder kleiner? Sind die Rechtsrisiken in China und Russland berechenbarer als in den USA? Missbrauchen die USA nicht das Thema Wirtschaft/Unternehmen nach Belieben (siehe Drohung gegen deutsche Autobauer), um willfähriges politisches Verhalten dritter Länder zu erpressen? Ich wäre erfreut, darüber wissenschaftliche Studien zu sehen. Das nonchalante Schweigen oder zaghafte Monieren im Westen zu diesem offenen Kulturbruch in der westlichen Welt wirft Fragen über das Selbstverständnis unserer westlichen Eliten ex USA auf.

Implizit erfordert die US-Politik einen Schulterschluss im Rest der Welt (=86% des Welt-BIP, 96% der Weltbevölkerung), um dieser Politik ein Ende zu setzen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...