Politik

„Steadfast Noon“: Deutsche Luftwaffe und Nato üben Verteidigung mit Atomwaffen

Die deutsche Luftwaffe trainiert mit Nato-Partnern die Verteidigung des Bündnisgebiets mit Atomwaffen. In dieser Woche hat eine geheime Bündnisübung mit dem Namen „Steadfast Noon“ begonnen.
20.10.2020 10:00
Lesezeit: 2 min
„Steadfast Noon“: Deutsche Luftwaffe und Nato üben Verteidigung mit Atomwaffen
08.10.2018, Mecklenburg-Vorpommern, Laage: Der Pilot eines Tornado-Kampfflugzeugs vom Luftwaffengeschwader 33 aus Büchel hält nach der Landung auf dem Fliegerhorst des taktischen Luftwaffengeschwaders 73 "Steinhoff" in Rostock-Laage die Hände in die Höhe. (Foto: dpa) Foto: Rainer Jensen

Die deutsche Luftwaffe trainiert mit Nato-Partnern die Verteidigung des Bündnisgebiets mit Atomwaffen. In dieser Woche hat eine geheime Bündnisübung mit dem Namen „Steadfast Noon“ begonnen. Dabei wird unter anderem der Einsatz von Jagdbombern trainiert, die im Kriegsfall mit Nuklearwaffen bestückt werden könnten.

Zum Manöver der deutschen Luftwaffe mit Nato-Partnern für ein Schreckensszenario "Atomkrieg" schreibt die Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“ am Freitag in Moskau: In Deutschland läuft unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen die Nato-Übung ,Steadfast Noon‘, um das Zusammenspiel im Fall eines Atomkriegs zu proben (…) Die Gefahr eines Atomkriegs ist gegenwärtig größer als in den vergangenen zehn Jahren, weil die USA aus dem INF-Vertrag über die Beseitigung landgestützter atomwaffenfähiger Mittelstreckensysteme ausgestiegen sind und weil es Zweifel gibt an einer Verlängerung des New-Start-Vertrags (über die Begrenzung von Atomwaffen), der am 5. Februar endet. In diesem Zusammenhang sagen Experten bereits einen neuen Rüstungswettlauf voraus. (…) Das Manöver in Deutschland ist eines an der Grenze zum Wahnsinn.

Ein Schauplatz der Übung ist in diesem Jahr der Fliegerhorst Nörvenich in Nordrhein-Westfalen. Er gilt als möglicher Ausweichstandort für die taktischen US-Atomwaffen vom Typ B61, die nach offiziell unbestätigten Angaben im rheinland-pfälzischen Büchel lagern.

In Büchel läuft derzeit gleichzeitig die Übung „Resilient Guard“, bei der die Luftwaffe trainiert, den dortigen Fliegerhorst gegen einen möglichen Angriff zu verteidigen. Nach Angaben der Bundeswehr wird dazu unter anderem der Einsatz des Flugabwehrraketensystems Patriot in schwierigem Gelände geübt.

Die in Büchel stationierten B61 könnten im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ in der Nato im Ernstfall auch von deutschen Tornados abgeworfen werden und dann zum Beispiel gegnerische Streitkräfte ausschalten. Weitere US-Atomwaffen sollen in Italien, Belgien, der Türkei und den Niederlanden lagern. An der aktuellen Übung sind zum Beispiel auch niederländische, belgische und italienische Kampflugzeuge beteiligt.

Die Bundeswehr teilte im Internet mit, dass die italienische Luftwaffe bis zum 15. Oktober mit zehn Luftfahrzeugen zu Gast in Nörvenich sei. Das Flugaufkommen am Fliegerhorst werde sich in dieser Zeit erhöhen, heißt es.

Nach Angaben von Militärexperten wird bei den regelmäßig im Oktober stattfindenden „Steadfast Noon“-Manövern unter anderem geübt, wie man die US-Atomwaffen sicher aus unterirdischen Magazinen zu den Flugzeugen transportiert und unter die Kampfjets montiert. Bei Übungsflügen wird dann allerdings ohne Bomben geflogen.

Die Gefahr eines auch mit Atomwaffen geführten Krieges gilt derzeit als deutlich höher als in den vergangen drei Jahrzehnten. Grund ist vor allem das Ende des INF-Vertrags zum Verzicht auf landgestützte atomwaffenfähige Mittelstreckensysteme. Die USA hatten das Abkommen im Sommer 2019 mit Rückendeckung der Nato-Partner aufgelöst, weil sie davon ausgehen, dass Russland es seit Jahren mit einem Mittelstreckensystem namens 9M729 (Nato-Code: SSC-8) verletzt.

Militärexperten rechnen damit, dass es nun zu einem neuen Rüstungswettlauf kommen könnte. Die USA arbeiten so bereits an einem neuen mobilen bodengestützten Mittelstreckensystem, das in Zeiten des INF-Vertrags illegal gewesen wäre. Es soll nach derzeitiger Planung ausschließlich konventionelle - das heißt nicht-atomare - Sprengköpfe transportieren. Ob es dabei bleibt, ist allerdings unklar.

Zudem könnte in Kürze auch das letzte große Abrüstungsabkommen zwischen Russland und den USA auslaufen. Der New-Start-Vertrag zur Begrenzung strategischer Atomwaffen endet am 5. Februar 2021. Russland und die USA sprechen zwar über eine Verlängerung des Abkommens. Allerdings hat Moskau zuletzt wenig Hoffnung geäußert, dass mit Washington unter Präsident Donald Trump eine Einigung erzielt werden kann.

Ein Nato-Sprecher betonte am Abend, dass „Steadfast Noon“ eine defensive Routine-Übung sei, die nicht in Verbindung zu aktuellen Entwicklungen stehe. Die Bündnispartner setzten sich nachdrücklich für Rüstungskontrolle und Abrüstung ein. So habe die Verteidigungsallianz beispielsweise nach dem Ende des Kalten Krieges die Zahl der Atomwaffen in Europa drastisch reduziert. „Die Nato setzt sich weiter für eine Welt ohne Atomwaffen ein“, sagte der Sprecher.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaskraftwerke für Deutschland: Teuer, umstritten und auch politisch fragwürdig
08.11.2025

Können Wind und Sonne nicht genug erneuerbare Energien liefern, sollen bis zu 40 große Gaskraftwerke einspringen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin, Ether und Co.: Wie Sie an der Börse sicher in Kryptowährungen investieren
08.11.2025

Wollen Sie Kryptowährungen kaufen? Dann müssen Sie dafür nicht auf irgendwelchen unseriösen Internetportalen herumsurfen. Kurse von...

DWN
Politik
Politik Donald Trump und die US-Präsidentschaftswahl 2028: Strebt er eine dritte Amtszeit an und geht das so einfach?
08.11.2025

Die Diskussion um Donald Trumps mögliches politisches Comeback zeigt das Spannungsfeld zwischen Recht, Strategie und Macht in den USA....

DWN
Technologie
Technologie Deep Tech als Rettungsanker: Wie Deutschland seine industrielle Zukunft sichern kann
08.11.2025

Deutschland hat große Stärken – von Forschung bis Ingenieurskunst. Doch im globalen Wettlauf um Technologien zählt längst nicht mehr...

DWN
Technologie
Technologie So optimiert KI in Belgien die Landwirtschaft: Schwankende Ernten prognostizieren? Kein Problem!
08.11.2025

Die Landwirtschaft muss Erträge effizient planen und Schwankungen ausgleichen, wobei KI zunehmend Entscheidungen auf verlässlicher Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Managergehälter: Wie viel Mut hinter den Millionen steckt
08.11.2025

Topmanager reden offen über ihr Einkommen? In Estland sorgen zwei Führungskräfte für großes Staunen. Sie zeigen, wie viel Disziplin,...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzins: Stillstand oder Strategie? Was die EZB-Zinsentscheidung wirklich bedeutet
08.11.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins beim jüngsten EZB-Zinsentscheid nicht angerührt – doch das Schweigen ist laut. Christine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...