Politik

Nach Mord in Dresden: „Abschiebepflichtige Gefährder und schwere Straftäter dürfen wir nicht nach Syrien abschieben“

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius beschwichtigt in der nach dem islamistischen Mord von Dresden aufgekommenen Debatte um eine Lockerung des Abschiebeverbots nach Syrien.
23.10.2020 09:25
Aktualisiert: 23.10.2020 09:25
Lesezeit: 1 min
Nach Mord in Dresden: „Abschiebepflichtige Gefährder und schwere Straftäter dürfen wir nicht nach Syrien abschieben“
10.10.2019, Sachsen, Dresden: Das Kandidaten-Duo für den SPD-Bundesvorsitz, Petra Köpping und Boris Pistorius, stellen sich während der SPD-Regionalkonferenz am Flughafen Dresden vor.(Foto: dpa) Foto: Robert Michael

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hat in der Debatte über eine Lockerung des Abschiebestopps nach Syrien an völkerrechtliche Grundsätze erinnert. Dagegen würden Abschiebungen nach Syrien verstoßen, warnte der SPD-Politiker in Hannover. «Es gibt aktuell de facto keine Möglichkeit, abschiebepflichtige Gefährder und schwere Straftäter nach Syrien zu bringen, dort herrscht immer noch Bürgerkrieg, es gibt auch keine zuständigen und ansprechbaren Behörden.» Die «reflexhaften Rufe» einzelner Politiker danach, wieder nach Syrien abschieben zu dürfen, hielten der Realität und den Fakten nicht stand.

Pistorius rief dazu auf, nach dem tödlichen Messerangriff von Dresden alle Hintergründe dieser Tat zu untersuchen, der mutmaßliche Täter müsse sich vor Gericht verantworten. «Den Angehörigen des Opfers des offenbar islamistischen Anschlags spreche ich mein Beileid aus, dem Überlebenden wünsche ich eine schnelle Genesung», sagte der Minister. Die Innenministerkonferenz werde turnusmäßig in Weimar Anfang Dezember über die Verlängerung des Abschiebestopps sprechen. Grundlage dafür könne nur die Einschätzung des Auswärtigen Amtes zur aktuellen Lage in Syrien sein.

Anfang Oktober waren in Dresden zwei Touristen Opfer einer Messerattacke geworden. Ein 55-Jähriger aus Krefeld starb, ein weiterer Mann (53) aus Köln überlebte schwer verletzt. Die Ermittler vermuten einen radikal-islamistischen Hintergrund. Ein 20 Jahre alter Tatverdächtiger aus Syrien, der laut Polizei mehrfach vorbestraft war, wurde festgenommen.

SPD und Grüne bremsen

Mehrere Politiker, darunter Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), hatten gefordert, eine Lockerung des generellen Abschiebestopps nach Syrien in Betracht zu ziehen. Als Konsequenz auf die tödliche Messerattacke hatte auch Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) gefordert, Gefährder und schwere Straftäter auch nach Syrien abzuschieben. Einen generellen Abschiebestopp für Betroffene dürfe es nicht mehr geben, sagte Wöller am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. «Der Umgang mit Gefährdern, die nicht abgeschoben werden können, ist ein deutschlandweites Problem. Im Fall von Syrien gilt wegen des Bürgerkrieges ein genereller Abschiebestopp.»

Sachsen habe sich auf der Innenministerkonferenz seit 2018 vergeblich dafür eingesetzt, Gefährder und Straftäter gleichwohl davon auszunehmen: «Die Sicherheit der Bevölkerung geht eindeutig vor.»

«Diese grausame Tat zeigt, dass der islamistische Extremismus nach wie vor eine tödliche Gefahr ist. In diesem Fall handelt es sich um einen syrischen Tatverdächtigen, der in einem bundeseinheitlichen Schema als Gefährder eingestuft wurde», sagte Wöller. Nach Verbüßen der Haftstrafe und seiner Freilassung sei ein Maßnahmenplan mit Meldeauflagen verfügt worden, an den sich der Tatverdächtige gehalten habe: «Es ist besonders bitter, dass es trotz dieser Maßnahmen nicht möglich war, diese Tat zu verhindern.»

Immer wieder werden Forderungen vor allem aus unionsgeführten Ländern laut, zumindest Menschen nach Syrien abzuschieben, die in Deutschland schwere Straftaten begangen haben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien The Line: Saudi Arabiens hochgestapelte Megacity quer durch die Wüste
26.12.2025

Eines der wohl ambitioniertesten und innovativsten Infrastrukturprojekte unserer Zeit ist The Line. Die von Saudi-Arabien geplante...

DWN
Finanzen
Finanzen Dotcom-Blase der 1990er: Wie Spekulationen den Markt auf den Kopf stellte
26.12.2025

Die späten 1990er Jahre waren geprägt von einem beispiellosen Börsenboom im Technologiesektor, der als Dotcom-Blase bekannt wurde....

DWN
Politik
Politik Demokratie unter Dauerstress: Der globale Trend zur Autokratie
26.12.2025

2026 könnte zum Wendepunkt werden: Von Washington bis Berlin geraten liberale Demokratien unter Druck. Autokraten gewinnen Einfluss,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Prognose: Startet die deutsche Wirtschaft 2026 endlich durch?
25.12.2025

Drei Jahre Flaute, kaum Wachstum – doch 2026 könnte die deutsche Wirtschaft endlich drehen. Prognosen deuten auf leichte Erholung,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Zahlungen per Smartphone steigen sprunghaft an
25.12.2025

Immer mehr Menschen zücken zum Bezahlen das Smartphone. Hinter den allermeisten Transaktionen stecken heute noch Debitkarten. Das könnte...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenpleite: Was passiert mit meinem Geld?
25.12.2025

Es ist eine tiefe Angst vieler Menschen – die eigene Bank, der man sein Erspartes anvertraut hat, geht bankrott. Erfahren Sie hier, wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Stablecoins vs. Digitaler Euro: Wie digitales Geld den globalen Zahlungsverkehr verändert
25.12.2025

Digitale Zahlungsmittel gewinnen zunehmend an Bedeutung und verändern, wie Geld transferiert und gespeichert wird. Stablecoins dringen in...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Debt im Fokus: Steigt das Risiko einer Finanzkrise an den US-Börsen?
25.12.2025

Die jüngsten Insolvenzen in der Autoindustrie haben an den internationalen Finanzmärkten eine neue Debatte über versteckte Risiken im...