Politik

Lira pulverisiert: Erdogans Boykott-Aufruf gegen Frankreich geht nach hinten los

Erdogan hat europäischen Politikern am Montag in Ankara Islamfeindlichkeit vorgeworfen. «Ihr seid im wahrsten Sinne des Wortes Faschisten», sagte der türkische Präsident am Montag in Ankara. Vor diesem Hintergrund stürzte die Lira weiter ab.
26.10.2020 14:11
Aktualisiert: 26.10.2020 14:11
Lesezeit: 2 min
Lira pulverisiert: Erdogans Boykott-Aufruf gegen Frankreich geht nach hinten los
Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei. (Foto: dpa) Foto: -

+++UPDATE+++

Die Lira stürzte am Dienstag weiter ab - zum Dollar auf etwa 8, 18 Lira und zum Euro auf etwa 9,68 Lira.

+++UPDATE+++

Der Wertverfall der türkischen Währung geht ungebremst weiter. Am Montag erreichte die Lira nach Drohungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an die Adresse Frankreichs im Handel mit dem US-Dollar und dem Euro jeweils Rekordtiefs. Erstmals mussten für einen Dollar mehr als acht Lira gezahlt werden. Seit mittlerweile neun Wochen befindet sich die türkische Währung zum Dollar auf Talfahrt. Dies ist die längste Phase mit Kursverlusten seit 1999. Experten warnen vor den Folgen des Wertverfalls.

Zum Wochenauftakt musste für einen Dollar zeitweise 8,08 Lira und für einen Euro 9,55 Lira gezahlt werden und damit jeweils so viel wie noch nie.

Zuletzt hat sich das Verhältnis der Türkei zu wichtigen Handelspartnern in der Europäischen Union (EU) zugespitzt, nachdem Erdogan seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron scharf angegriffen hatte. Erdogan hatte Macron im Streit über Mohammed-Karikaturen Islamfeindlichkeit vorgeworfen und den französischen Präsidenten als Krankheitsfall bezeichnet, der sich untersuchen lassen müsse.

Darüber hinaus hatte Erdogan einen Boykott französischer Waren ins Spiel gebracht. «Von hier aus appelliere ich nun an mein Volk. Beachtet französische Marken bloß nicht, kauft sie nicht», sagte er am Montag.

Nachdem sich der Kurs der türkischen Währung am vergangenen Freitag zunächst stabilisieren konnte, hat sich die Talfahrt wieder beschleunigt. Seit Beginn des Jahres verlor die Lira im Handel mit dem Euro mehr als 40 Prozent an Wert und im Handel mit dem Dollar 35 Prozent.

Den jüngsten schweren Rückschlag erhielt die türkische Währung in der vergangenen Woche, als die Notenbank des Landes den Leitzins nicht wie allgemein erwartet erhöht hatte. Trotz einer hohen Inflationsrate von knapp zwölf Prozent hatte die Zentralbank den Leitzins unverändert bei 10,25 Prozent belassen und damit die Hoffnung auf einen Zinserhöhungszyklus im Kampf gegen die Inflationsentwicklung platzen lassen. In der Vergangenheit hatte sich Erdogan mehrfach gegen Zinserhöhungen ausgesprochen und damit die Unabhängigkeit der Notenbank in Frage gestellt.

Erdogan nennt europäische Politiker «Faschisten»

Erdogan hat europäischen Politikern am Montag in Ankara Islamfeindlichkeit vorgeworfen und sie als «Kettenglieder der Nazis» bezeichnet. «Feindlichkeit gegenüber dem Islam und den Muslimen ist in manchen europäischen Ländern zu einer Politik geworden, die auf Ebene der Staatschefs persönlich ermutigt und unterstützt wird», sagte er.

Und weiter: «Ihr seid im wahrsten Sinne des Wortes Faschisten. Die Muslime erleben heute eine ähnliche Lynchkampagne, wie sie gegen Juden in Europa zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg geführt wurde.» Erdogan wirft Europa und insbesondere dem französischen Staatschef Emmanuel Macron seit Tagen Islamophobie vor und zweifelte am Montag, wie schon am Wochenende, die psychische Gesundheit des französischen Präsidenten an.

Die Feindlichkeit gegenüber dem Islam und Muslimen verbreite sich «regelrecht wie eine Pest» in Europa, sagte Erdogan am Montag. Der türkische Präsident kritisierte zudem erneut eine Razzia in einer Berliner Moschee wegen Verdachts auf Corona-Subventionsbetrug. «Von hier aus appelliere ich natürlich auch an Kanzlerin Merkel. Bei euch gibt es doch angeblich Glaubensfreiheit? (...) Wie kann es dann sein, dass bei einem Morgengebet mehr als 100 Polizisten die Moschee angreifen?», sagte Erdogan. In der Türkei könne so etwas nicht passieren, «denn bei uns gibt es wahre Glaubensfreiheit».

Am Mittwoch hatten etwa 150 Polizisten in Berlin mehrere Firmen und eine Moschee wegen des Verdachts auf Corona-Subventionsbetrug durchsucht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lateinamerika im Fokus: Chinas Milliardenoffensive gegen Washingtons Einfluss
13.05.2025

Chinas Regierung sucht neue Verbündete – nicht aus Not, sondern mit Strategie. Während die USA auf Konfrontation setzen, stärkt Peking...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelskrieg mit Ansage: Warum Europas Vergeltung Washington teuer zu stehen kommen könnte
13.05.2025

Die EU zieht die Reißleine: Mit einem neuen Maßnahmenpaket über 95 Milliarden Euro kontert Brüssel die US-Strafzölle – und trifft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Munich Re: Milliardenschaden durch Waldbrände in Kalifornien
13.05.2025

Flammen wüten immer wieder durch Kalifornien – und hinterlassen nicht nur verkohlte Wälder, sondern auch tiefe Spuren in den Bilanzen...

DWN
Politik
Politik Trump besucht erneut die Golfstaaten – Wirtschaftsinteressen stehen im Vordergrund
13.05.2025

Warum reist Donald Trump erneut als erstes nach Saudi-Arabien – und nicht etwa zu den engsten Nachbarn der USA? Hinter dem glanzvollen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump: Die Arzneimittelpreise müssen um 59 Prozent sinken
13.05.2025

Die Pharmabranche gerät weltweit unter Druck: Mit einer neuen Ankündigung hat US-Präsident Donald Trump den globalen Arzneimittelmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Kommission kündigt Importverbot für russisches Gas an – doch wo bleibt das Gesetz?
13.05.2025

Die EU verkündet das Ende russischer Gasimporte – aber präsentiert (noch) keine juristische Grundlage. Experten warnen: Was die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Innovation Neuro-Webdesign: „Die meisten Firmenwebsites scheitern am Menschen“
13.05.2025

Viele mittelständische Websites wirken modern, funktionieren aber nicht. Warum? Sie ignorieren die Psychologie der Nutzer. Jonas Reggelin,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession 2025: Düstere Aussichten für Deutschland
13.05.2025

Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle – und das ausgerechnet in einer Phase, in der neue Impulse dringend nötig wären. Der...