Aus US-amerikanischen Medienberichten geht hervor, dass Donald Trump die US-Wahl zwar verloren hat, aber der „Trumpismus“ sich auf dem Vormarsch befindet. Das Magazin „The Conversation“ listet fünf Szenarien auf, die sich nun in Bezug auf die Zukunft der Republikanischen Partei ergeben könnten.
- Biden hat die Präsidentschaft mit der größten Stimmenzahl in der amerikanischen Geschichte gewonnen (mehr als 75 Millionen und mehr). Sein Mandat ist aus diesem Grund beträchtlich. Jetzt kann er die politische Agenda des Landes im In- und Ausland festlegen. Die Republikaner werden versuchen, ihn auf Schritt und Tritt zu blockieren. Aber da sie jetzt die Präsidentschaft verloren haben, haben sie auch die Initiative verloren.
- Trumps anhaltende Popularität (kein Republikaner hat jemals mehr Stimmen bei einer Präsidentschaftswahl erhalten) bedeutet, dass er zumindest in den nächsten Jahren weiterhin die Agenda und den Ton der konservativen Politik festlegen wird. Dies wird zweifellos konservative Kritiker und „Never Trumpers“ wie David Brooks, Bret Stephens, Peter Wehner und Jennifer Rubin sowie Aktivisten des Lincoln-Projekts verärgern, die stets eine Abneigung gegen Trump artikuliert haben. Für sie repräsentiert er eine Marke des Populismus, die konservativen Werten wie der Bedeutung von Institutionen im öffentlichen Leben, der Ehrfurcht vor dem guten Charakter und der Rechtsstaatlichkeit widerspreche.
- Trumps Fähigkeit, Basis-Konservative im ganzen Land zu mobilisieren, bedeutet, dass die Polarisierung anhalten wird. Dies wird auf zwei Ebenen geschehen. Die Polarisierung zwischen den beiden Parteien wird sich wahrscheinlich vertiefen, was eine parteiübergreifende Entscheidungsfindung in Bezug auf COVID-19, China, den Klimawandel und die Staatsverschuldung unmöglich macht. Und die Kluft zwischen den beiden Flügeln der Republikanischen Partei wird sich wahrscheinlich vergrößern und die Rückkehr zum Kompromiss erschweren. Es gibt bereits Anzeichen für eine Spaltung innerhalb der Republikanischen Partei darüber, ob Trumps Behauptungen im Zusammenhang mit einem angeblichen Wahlbetrug unterstützt werden sollen. Viele entscheiden sich dafür, zu schweigen, anstatt sich für eine Seite zu entscheiden.
- Obwohl die Republikanische Partei die Partei ist, die Afroamerikaner nach dem Bürgerkrieg von der Sklaverei befreit hat, bleibt sie heute zu weiß und zu ländlich. Diese demographische Struktur ist langfristig rückläufig, was die Wiederholung von Trumps Wahlerfolg auf der nationalen Bühne zu einem verlorenen Spiel machen könnte. Solange der „Trumpismus“ von den Medien mit ethnischem Nationalismus und der Politik der weißen Identität in Verbindung gebracht wird, wird es den Republikanern schwer fallen, die für die nationale Macht notwendigen Regierungskoalitionen zu bilden. Die Republikanische Partei muss mehr Nicht-Weiße in den Städten und Vororten ansprechen, um erfolgreich zu sein. Der „Trumpismus“ könnte diese Aufgabe nach Angaben von Kritikern erschweren.
- Wenn die Partei keine vielfältigeren Wähler erreichen kann, schafft dies ein Klima, in dem der Konservatismus von seinen Gegnern zunehmend als illegitim und politisch inkorrekt dargestellt wird. Der öffentliche Diskurs wird weiter zu einem Spiel der Extreme mutieren. Die Vernünftigkeit und der gesunde Menschenverstand, die für die konservative Haltung so wichtig sind, werden nur schwer gehört werden können.
Trotz allem führt die britische Zeitung „Guardian“ über den „Trumpismus“ aus: „Liberale und konservative Kommentatoren konvergieren schnell zu einer Vorhersage: Donald Trump könnte verschwunden sein, aber der Trumpismus ist hier, um zu bleiben. Die ersteren sind natürlich besorgt, dass ein reibungsloser, kluger Autoritarist dort weitermachen wird, wo Trump aufgehört hat, und die USA dazu bringen wird, sich der rechtspopulistischen Internationale von Autokraten wie Modi, Erdoğan und Orbán anzuschließen. Letztere hoffen auf eine Republikanische Partei, die sich irgendwie einem ,amerikanischen Arbeiter‘ widmet, was wir uns als konservativen Nationalismus vorstellen sollten. Beide Seiten überschätzen den Trumpismus und - nach all den Jahren - unterschätzen sie Trump selbst.“
Das Blatt führt aus, dass die Republikanische Partei durchaus zur Partei der Arbeiter mutieren könnte. Trump hatte zuvor gesagt, dass die Republikanische Partei die Partei der Arbeiter und nicht die Partei der „Wall Street“ sein dürfe. Deshalb müssten die „Demokraten“ aufpassen, argumentiert die Zeitung.
Innerhalb der Republikanischen Partei gab es in der Vergangenheit eine Reihe von Senatoren, die Trump scharf kritisierten. Die größten Wortführer waren John McCain und Lindsey Graham. McCain ist mittlerweile verstorben. Graham hat sich hingegen von einem Trump-Gegner zu einem Trump-Befürworter entwickelt. In der Russland-Affäre hatte er Trump in Schutz genommen. Nach der US-Wahl sagte er: „Präsident Trump sollte die Niederlage nicht eingestehen.“
Doch es gab auch Gegenstimmen. Die Frankfurter Rundschau berichtet: „Aus Reihen hochrangiger Republikaner war kaum Rückhalt für die Forderungen des Präsidenten, die Auszählungen abzubrechen, in vielen Staaten neu auszuzählen und ,illegale Stimmen‘ auszusortieren, zu vernehmen. Auch Trumps Anschuldigung, dass ihm die US-Wahl ,gestohlen‘ worden sein soll, wollten außerhalb seines engsten Umkreises, zu dem außer seinem Sohn Donald Trump Jr. auch seine Tochter Ivanka und sein umstrittener persönlicher Anwalt Rudy Giuliani gehören, keine prominenten Republikaner öffentlich bekräftigen.“
Donald Trump Jr. hatte sich vor wenigen Tagen über Twitter über die Schwache Unterstützung Trumps innerhalb der Führungsriege der Republikanischen Partei geäußert. „Der völlige Mangel an Maßnahmen von praktisch allen 'republikanischen Hoffnungsträgern für 2024' ist ziemlich erstaunlich. Sie haben eine perfekte Plattform, um zu zeigen, dass sie bereit und in der Lage sind zu kämpfen, aber sie werden sich stattdessen dem Medienmob beugen“, twitterte er.
Eric Trump twitterte, löschte dann aber eine Nachricht mit der Aufschrift: „Wo ist die Republikanische Partei?! Unsere Wähler werden das niemals verzeihen.“
Brad Parscale, der frühere Kampagnenmanager von Trump, warnte: „Wenn Sie als Republikaner 2024 gewinnen wollen, würde ich wahrscheinlich etwas sagen.“
Doch der republikanische Schlüsselpolitiker Marco Rubio teilte über Twitter mit: „Es ist kein Betrug, sich Tage zu nehmen, um legal abgegebene Stimmen zu zählen.“
Larry Hogan, der republikanische Gouverneur von Maryland, sagte, es gebe „keine Verteidigung für den Kommentar des Präsidenten“, der den demokratischen Prozess des Landes „untergraben“ habe. Trump hatte nämlich von „Wahlbetrug“ gesprochen.
„Jede Stimme zu zählen ist das Herzstück der Demokratie“, sagte Mitt Romney, der der einzige republikanische Senator gewesen ist, der dafür gestimmt hatte, Trump in seinem Amtsenthebungsverfahren aus dem Amt zu entfernen. Denver Riggleman, ein republikanischer Kongressabgeordneter aus Virginia, sagte, dass Trump den demokratischen Prozess respektieren müsse.
Während in der Republikanischen Partei der Großteil der Politiker sich mit Kommentaren zurückhält, lässt sich eine gewisse Spaltung innerhalb der Partei beobachten. Es stehen sich in gewisser Weise „Trumpisten“ und „Anti-Trumpisten“ gegenüber. Die Unentschiedenheit vieler Republikaner könnte sich für die Zukunft der Republikanischen Partei als fatal erweisen.
In den USA gibt es 160 Millionen Wahlberechtigte. Davon haben immerhin 71 Millionen Menschen Trump gewählt. Es ist völlig unerheblich, dass Biden aufgrund des US-Wahlsystems mehr Wahlmänner auf sich vereinigen konnte als Trump. Entscheidend ist eigentlich nur, dass ein gewaltiger Riss durch die US-amerikanische Gesellschaft geht. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Wahlbeteiligung deshalb so hoch gewesen ist, weil viele Wahlberechtigte aus verschiedenen Lagern nur deshalb an die Wahlurnen gegangen sind, um eine Wiederwahl Trumps zu verhindern.
Trumps Wähler sind hingegen an die Wahlurnen gegangen, weil sie überzeugte Trump-Wähler sind. Diese Wählergruppe ist innerhalb der Gesellschaft besser organisiert und überzeugter. Somit ist von einer gesellschaftlichen Reaktion nach der US-Wahl zu rechnen, weil viele dieser Wähler an den Vorwurf des Wahlbetrugs glauben.
Am Ende könnte auf der gesellschaftlichen Ebene nicht Biden und seine Demokratische Partei, sondern der „Trumpismus“ einen gewaltigen Sieg feiern.
Denn gesellschaftliche Umbrüche lassen sich nicht durch Wahlen aufhalten.