Deutschland

Industrie meldet sechstes Auftragsplus in Folge, Aufträge über Vorkrisenniveau

Lesezeit: 3 min
04.12.2020 09:18  Aktualisiert: 04.12.2020 09:18
Im Oktober sind die Industrieaufträge in Deutschland überraschend deutlich weiter gewachsen. Entscheidend war das starke Auftragswachstum von außerhalb der EU.
Industrie meldet sechstes Auftragsplus in Folge, Aufträge über Vorkrisenniveau
Der Containerfrachter „Alexander B“ verlässt die Kieler Förde Richtung Ostsee. (Foto: dpa)
Foto: Axel Heimken

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Auftragsbücher der deutschen Industrie haben sich im Oktober den sechsten Monat in Folge gefüllt und sind damit dicker als vor Krisenbeginn. Die Bestellungen wuchsen wegen der guten Nachfrage aus dem Inland und aus Übersee um 2,9 Prozent zum Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Plus von 1,5 Prozent gerechnet.

Im September hatte es einen Zuwachs von revidiert 1,1 Prozent gegeben (bisher: 0,5 Prozent). Durch die Aufholjagd ist das Vorkrisenniveau inzwischen leicht übertroffen worden: Gemessen am Februar 2020, dem Monat vor Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland, liegen die Bestellungen um 0,8 Prozent höher.

"Das ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Die Daten machen Hoffnung, dass die Wachstumsrückgänge im laufenden Quartal nicht ganz so stark ausfallen werden."

Zentral dafür sei jetzt, dass die Produktion von der günstigen Auftragslage stärker angetrieben werde, sagte der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger. "Der Knoten sitzt hier aber recht fest", warnte er. "Die fortgeschrittene Konjunkturerholung in China sorgt zwar für reichlich Unterstützung, sie allein kann den Knoten jedoch nicht lösen." Da die Lockdown-Maßnahmen noch mindestens bis Anfang Januar anhalten werden, bleibe die produktionsseitige Abarbeitung eingeschränkt.

Die Aufträge aus Deutschland legten im Oktober um 2,4 Prozent zu, die aus dem Ausland sogar um 3,2 Prozent. Dabei nahmen die Bestellungen aus der Euro-Zone um 0,5 Prozent zu, die aus dem restlichen Ausland um 4,8 Prozent. "In den zurückliegenden Monaten hat sich die Nachfrage nach Industriegütern sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland weiter belebt", fasste das Ministerium zusammen.

Das Bruttoinlandsprodukt ist im Sommerquartal im Rekordtempo von 8,5 Prozent gewachsen, nachdem es im Frühjahr wegen der Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie mit 9,8 Prozent so stark gefallen war wie noch nie. Im laufenden vierten Quartal rechnen viele Experten mit einem Minus, da seit November neue Corona-Beschränkungen in Deutschland gelten.

Ökonomen zur Entwicklung der Auftragseingänge:

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank

"Das ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Die Auftragseingänge sind den sechsten Monat in Folge im Plus. Über dieses gute Zahlenwerk darf man sich inmitten der schweren Corona-Zeiten uneingeschränkt freuen. So sehr der Dienstleistungssektor unter den Eindämmungsmaßnahmen leidet, so sehr ist es wichtig, dass die Industrie für Kompensation sorgt."

Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa der DWS

"Auch wenn der deutschen Wirtschaft ob der hartnäckig hohen Infektionszahlen noch ein harter Winter bevorsteht, die Industrie, und hier insbesondere der international ausgerichtete Maschinenbau, startet mit gut gefüllten Auftragsbüchern in die letzten Monate der Pandemie. Die Erholung sollte spätestens dann einsetzen, wenn weite Teile der Welt geimpft sind. Dass dann eine schnelle Erholung möglich ist, haben die Zahlen zum dritten Quartal eindrucksvoll bewiesen."

Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden-Württemberg

"In der Industrie läuft es wieder. Vor allem die Auslandsaufträge haben angezogen. Das Niveau der Neuaufträge liegt inzwischen sogar wieder über dem - allerdings ziemlich schwachen - Vorjahreswert. Die Konjunkturschwächen, die wir pandemiebedingt haben, hängen mehr oder weniger alle mit dem Service Sektor zusammen. Aber das wird sich sobald wohl nicht ändern. Insgesamt sind das heute dennoch gute Nachrichten."

Ralph Solveen, Analyst Commerzbank

"Die positive Entwicklung der Auftragseingänge deutet darauf hin, dass die Produktion in den kommenden Monaten weiter steigen wird. (...) Dies wird wahrscheinlich nicht verhindern, dass das reale BIP im vierten Quartal aufgrund der neuen Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie schrumpft. Die sehr positive Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe dürfte diesen Rückgang jedoch in Schach halten."

Greg Fuzesi, Analyst JPMorgan

"Die Erholung in der Industrie scheint viel stärker zu sein als erwartet. Insgesamt halten wir aber an unserer deutschen BIP-Prognose fest, die im vierten Quartal 2020 einen Rückgang von annualisiert 4 Prozent gegenüber dem Vorquartal und einen Rückgang von annualisiert 1,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal im ersten Quartal 2021 erwartet."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
27.04.2024

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Hohes Shiller-KGV: Sind die Aktienmärkte überbewertet?
27.04.2024

Bestimmte Welt-Aktienmärkte sind derzeit sehr teuer. Diese sind auch in Indizes wie dem MSCI World hoch gewichtet. Manche Experten sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...