Nach rund halbjährigen Verhandlungen über ein Anschlusspaket an den Cares-Act hat der US-Kongress den vorgelegten Gesetzesentwurf gebilligt. Das neue Konjunkturpaket von rund 900 Milliarden Dollar wurde zudem mit einem Omnibus-Budget für das laufende Finanzjahr 2021 verabschiedet. Es sieht insgesamt ein Volumen von 2.5 Billionen Dollar vor, das zweitgrößte der Geschichte.
Das neue Konjunkturpaket besteht ökonomisch gesehen aus drei verschiedenen Kernelementen sowie einer Reihe weiterer großer und zahlloser kleinerer Ausgaben-Positionen:
- Zusätzlich um 300 Dollar pro Woche erhöhte und bis Mitte März 2021 verlängerte reguläre Arbeitslosengelder. Diese zusätzlichen vom Bund getragenen Ausgaben in Höhe von rund 120 Milliarden Dollar kompensieren die in den USA seit Jahrzehnten viel zu gering ausgestalteten regulären bundesstaatlichen Arbeitslosengelder, die zudem für viele Millionen Arbeitslosen Ende Jahr ausgelaufen wären. Nicht nur Arbeitslose, sondern auch kleine Selbstständige ohne Einkommen können diese beziehen. Im Charakter sind das automatische Stabilisatoren der Konjunktur, kein Stimulus. Sie verhindern, dass die Arbeitslosen in einen Abgrund von Zahlungsunfähigkeit, Zwangsvollstreckungen und Kettenreaktionen fallen. Diese Summe ist für die drei Monate Januar bis Mitte März 2021 vorgesehen (11 Wochen). Sie enthält aber keine nachträgliche Kompensation für die nur regulär ausgestalteten, sehr niedrigen Arbeitslosengelder in den Monaten August bis Dezember 2020. Das ist diskutiert, aber aus unerfindlichen Gründen verworfen worden. Insgesamt handelt es sich um ein absolutes Minimum und enthält keine Kompensation für die vergangene Einkommens-Kompression von vielen Millionen Haushalten. Dies in einem Umfeld, wo viele dieser Haushalte finanziell am Ende sind.
- Eine Fortsetzung des Paycheck-Protection-Program (PPP) aus dem CARES-Gesetz vom März 2020. Das sind Kredite des Bundes an Unternehmen vor allem für die Weiterbeschäftigung von momentan nicht benötigtem Personal, sowie für die Bezahlung fixer Kosten wie Zinsen, Mieten, Sozialleistungen etc. Dieser Betrag wird mit rund 285 Milliarden Dollar veranschlagt. Ökonomisch ist das eigentlich eine Kompensation für enorme Umsatzverluste durch Covid, die aber nicht vollständig ist, sondern nur teilweise und mit langer zeitlicher Verzögerung erfolgt. Unter bestimmten Bedingungen können diese Kredite erlassen werden. Auch diese Gelder sind also kein Stimulus, sondern (Teil-)Stabilisatoren der Konjunktur. Für viele Klein- und Mittelbetriebe dürften sie angesichts eines neuen Lockdowns in vielen Bundesstaaten zu spät kommen. Die jetzige Version ist aber stärker wirklich auf die Klein- und Mittelbetriebe und auf die schwer getroffenen Sektoren ausgerichtet als die erste Version im CARES-Act.
- Direktzahlungen des Bundes an die Haushalte. Im CARES-Gesetz waren 1.200 Dollar pro Person enthalten. Bei einem verheirateten Paar machte dies 2.400 Dollar pro Monat aus. Pro Kind kamen nochmals 500 Dollar hinzu. Bei einer vierköpfigen Familie also 3.400 Dollar pro Monat. Im neuen Gesetzesentwurf des Kongresses sind statt 1.200 nur 600 Dollar pro Person und pro Kind vorgesehen. Alle Amerikaner sollen wie im CARES-Gesetz diese Beträge erhalten. Lediglich Obergrenzen für das Einkommen von 75.000 Dollar pro Jahr (150.000 Dollar für Ehepaare) sind vorgesehen. Ab diesen Einkommensbeträgen wird die Unterstützung stufenweise degressiv. Es ist darauf hinzuweisen, dass dieser Teil des Gesetzes (rund 160 Milliarden Dollar) wirklichen Stimulus im Sinne eines fiskalischen Impulses darstellt. Wichtig ist, dass dieser Stimulus höchst ungleich verteilt ist. Wer seine Stelle oder - als Selbständiger oder Kleinunternehmer - sein Einkommen verloren hat, wird, wenn er alleinstehend ist, nur unvollständig um den Einkommensverlust kompensiert. Wer dagegen sein Einkommen beibehalten hat, etwa als gutbezahlter Angestellter, und noch Ehefrau und zwei Kinder hat, der hat eine massive Lohnerhöhung. Doch dies ist nur die direkte Wirkung. Um zu verstehen, was dieser Stimulus makroökonomisch auslöst, muss der ganze Wirkungszusammenhang komplexer aufgerollt werden. Die beste Analysemöglichkeit bietet die Rückschau auf die vergangenen neun Monate.
- Neben diesen drei Kernelementen kommt ein ganzer Strauß von weiteren Zahlungen hinzu, welche in irgendeinem oder auch keinem Zusammenhang mit der Pandemie-Bekämpfung stehen: Geld für die Impfstoff-Verteilung, die Finanzierung von Schulen, Beihilfen für Mietzahlungen, für Nahrungsmittel-Käufe, für erleichterten Breitband-Zugang.
- Ausgeklammert blieben die von den Demokraten favorisierte Unterstützung für einzelne Bundesstaaten und für Städte in Finanznot, oder die von den Republikanern für Unternehmen geforderte Befreiung von Verpflichtungen im Falle von Pandemie-Schäden.
Welche ökonomischen Folgen hatte das CARES-Gesetz?
Um einzuschätzen, was das gegenwärtig diskutierte Gesetz für Folgewirkungen haben wird, ist ein Rückblick auf die Effekte des CARES-Acts nützlich:
Zunächst ist festzustellen, dass in der Pandemie die private Ersparnisquote sich spürbar erhöht hat. Vor allem haben die privaten Haushalte die Kreditkartenschulden deutlich abgebaut, was angesichts von Kreditzinsen von 18 Prozent und darüber nicht erstaunt und auch gut ist. Wer hat davon profitiert? Die Haushalte und die Banken – ihre finanzielle Stabilität hat sich verbessert.
Markant gesteigert haben die privaten Haushalte die Ausgaben für Konsumgüter. Sie haben wieder Computer oder Laptops fürs home-office und andere Elektronik-Geräte wie Fernseher und Spielkonsolen gekauft, sie haben Sportgeräte und -ausrüstung erworben, um sich fit zu halten und die Aktivität in Fitness-Studios zu ersetzen. Und sie haben bauliche Maßnahmen an Häusern und Wohnungen vorgenommen und Inneneinrichtungen angeschafft von der Küchenausstattung bis zu Jaccuzzis, all dies für die neue Welt des ‚social distancing‘.
Dagegen haben sich die Ausgaben der Haushalte für Dienstleistungen nur wenig erholt. Das liegt daran, dass diese per Dekret der Gouverneure gar nicht mehr angeboten werden dürfen, oder dass die Haushalte sie scheuen, solange sie mit einem Ansteckungs-Risiko assoziiert werden. Also viel weniger Reisen, Transport-Dienstleistungen, auch Ferienaufenthalte, Besuche von Restaurants, Bars, Clubs und Hotels, Gesundheits- und Freizeit-Dienstleistungen vom Fitness- und Yoga-Studio, Masseuren, Physio- und Kranjo-Sakral-Therapeuten und anderen medizinischen Dienstleistungen bis hin zur Nagelpflege, dem Coiffeursalon über den Disneypark bis zu Theater-, Konzert- und -Events aller Art.
Wer nur wenig vom ersten Paket profitiert hat, sind die effektiven Kleinbetriebe. Denn der Großteil der Kredite an die Klein- und Mittel-Betriebe in Form des "Paycheck Protection Program" ging effektiv an große Unternehmen. Indirekt haben dadurch die Banken profitiert, die den größten Teil ihrer riskanten Kreditportfolios durch die staatlichen Kredite respektive Transferzahlungen abgesichert sahen.
Wer hat durch die Pandemiepolitik verloren? Hauptsächlich natürlich die Anbieter von Dienstleistungen vor allem aus den Sektoren, die extrem hart und spezifisch getroffen sind. Dann Kleinbetriebe, welche von den Lockdowns und Schließungen betroffen sind, und die keine Unterstützung zu erhalten vermochten. Schließlich natürlich die Beschäftigen in diesen Sektoren. Und ganz spezifisch Vermieter sowohl von Wohnungen wie von Gewerbe-Immobilien. Wohnungsvermieter sind durch ein Moratorium bis Ende Jahr 2020 daran gehindert, zahlungsunfähigen Mietern im Verzug zu kündigen oder sie per Zwangsräumung aus den Wohnungen und Häusern zu befördern. Und ganz hart getroffen sind die Vermieter von kommerziellen Immobilien wie Büros, Verkaufsläden, Gewerbeflächen etc. in den Großstädten. Sie sind mit einem wahren Exodus von Mietern oder deren Zahlungs-Unfähigkeit konfrontiert.
Die Gewinner: Banken, Konzerne, große Händler - und China
Makroökonomisch hat diese Form des Stimulus also dazu geführt, dass, extrem verkürzt, die Banken, Großunternehmen und Großverteiler wie Amazon, Home Depot, Walmart und andere sowie und vor allem China stimuliert worden sind. Denn dort werden die jetzt vermehrt nachgefragten dauerhaften Konsumgüter produziert, zu einem erheblichen Teil von amerikanischen Unternehmen, und von da in die USA importiert. Natürlich ist nicht China alleiniger Profiteur, seine Zulieferanten und andere Produzenten vornehmlich in Asien profitieren ebenso - Taiwan, Korea, Japan usw. Makroökonomisch übersetzt sich dieser Stimulus also in erhöhte diskretionäre Konsumausgaben für Güter, denen aber erhöhte Importe vornehmlich aus China und Asien gegenüberstehen.
Dies verdient doch festgehalten zu werden: Eine der wichtigsten Agenden des abgewählten und mittlerweile abgetauchten Präsidenten Trump war der Handelskrieg mit China. Gekrönt wurde dieser mit dem Phase-1-Abkommen von Anfang Januar 2020. Dieses sah massiv erhöhte Importe Chinas vor. Selbstverständlich hat sich China nicht im Entferntesten an die darin quantifizierten Zielsetzungen gehalten, profitiert jetzt aber von einem extremen Exportboom in die Vereinigten Staaten. Dies weil der Stimulus dort so miserabel konzipiert ist, dass vor allem China profitiert. Der Maulheld Trump hat - genau wie die auf Globalisierung setzenden oder besser noch naiv „Globalisierungs-Gläubigen“ Präsidenten Clinton, Bush und Obama vor ihm - China extrem gestärkt und die amerikanische Industrie in die nächste Phase der Abwärtsspirale befördert, in der sie sich seit der Unterzeichnung des NAFTA-Abkommens und spätestens seit der Jahrtausendwende befindet.
Ähnliche Prozesse haben natürlich auch in anderen Industrieländern wie in Europa stattgefunden, obschon dort mindestens die Arbeitslosenversicherung intelligenter konzipiert ist. So erreicht China in der zweiten Jahreshälfte 2020 einen extremen Exportboom, der die Wirtschaft rasch aus der Rezession des ersten und zweiten Quartals geführt hat, zusammen mit einem Kreditpaket im Inland. Die USA und Europa versinken derweil in einer elenden Pandemie, die sie mit ungeeigneten Mitteln bekämpfen - bis heute.
Aber China ist nicht das einzige Land, das vom zweiten Stimulus-Gesetz profitiert. Auf wundersame Weise sind auch Unterstützungs-Zahlungen für Israel (3.4 Mrd. Dollar), Ägypten (1,3 Mrd.), den Sudan (0,7 Mrd.) oder die Ukraine (0,45 Mrd.) in die Liste der Nutznießer gelangt, zusammen mit weiteren Ländern wie Pakistan. In diesem Zusammenhang darf auch die Unterstützung für die Waffenbeschaffung der Navy (vier Mrd.), der Luftwaffe (zwei Mrd.) und des Weltraum-Programms (zwei Mrd.) nicht fehlen. Offenbar hat dort die Pandemie besonders nachdrücklich zugeschlagen …
Lesen Sie morgen im zweiten Teil der großen Analyse von Michael Bernegger:
- Warum Lohndruck und Deflation bevorstehen
- Wie die Milliardäre das sinkende Schiff verlassen
- Welche Katastrophe auf Amerikas Mieter und Hausbesitzer wartet
- Wie die Demokraten einen besseren Deal ablehnten, um ja nicht Trump zu helfen