Finanzen

Deutschland ist die internationale Hochburg des Bargelds

Deutschland gilt weltweit als die Hochburg des Bargelds. Die Deutschen hängen traditionell an ihren Geldscheinen. Doch das beunruhigt die mächtigen Befürworter digitaler Zahlungen, die das Bargeld am liebsten sofort abschaffen wollen. Deutschland befindet sich im Visier dieser Kreise.
10.01.2021 13:41
Aktualisiert: 10.01.2021 13:41
Lesezeit: 3 min
Deutschland ist die internationale Hochburg des Bargelds
Das Bargeld ist in Gefahr. (Foto: dpa) Foto: Boris Roessler

Bereits 2018 gaben die Deutschen zum ersten Mal mehr Geld mit Geldkarten als mit Bargeld aus. Seitdem ist der Anteil kontaktloser Transaktionen weiter gestiegen und im Jahr 2020 wurden 56 Prozent des Umsatzes in deutschen Filialen über kontaktlose Zahlungen getätigt. Bereits im Juni 2020 bot die deutsche Bäckereikette Kamps Kunden, die mit Karte bezahlten, einen „Innovationsrabatt“ von drei Prozent an. Kontaktlose Zahlungen (per Karte oder Smartphone) sollen laut Kamps schneller und hygienischer sein. Doch von Bargeld-Scheinen geht nachweislich keine Corona-Infektionsgefahr aus (HIER). Eine Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) ergab, dass 40 Prozent der Befragten seit Beginn der Pandemie weniger häufig Banknoten und Münzen verwendet haben und dies auch weiterhin tun würden. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat neben dem Klimawandel die Digitalisierung und das bargeldlose Bezahlen zur obersten Priorität erklärt. Um bargeldloses Bezahlen zu fördern, müssen Kreditkartenunternehmen gemäß einer EU-Verordnung von 2015 die Gebühren senken, die sie Unternehmen berechnen.

Es fällt auf, dass in diversen internationalen Zeitungen die Gegner des Bargelds vor allem die Deutschen ins Visier genommen haben. Den Deutschen wird eine unangemessene, ja irrationale, Liebe zum Bargeld unterstellt.

Der „BBC“ zufolge geht die Liebe der Deutschen zum Bargeld auf das 18. Jahrhundert zurück. Damals wurden die Deutschen sozialisiert, um ein greifbares Ergebnis ihrer Arbeit vor abstrakteren Formen des Austauschs wie Schuldscheinen zu priorisieren. Ein Jahrhundert später, als es immer häufiger zu Konflikten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern kam, wurde das Geldsparen in Form von Bargeld als Ausweg identifiziert, um Ruhe in die Fabriken zu bringen. Das Motto lautete: „Wer hart arbeitet und spart und etwas zu verlieren hat, macht keine Revolution“. Sparsame Werte blieben nach beiden Weltkriegen in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen bestehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg lehnten Sparkassen die Einführung von Verbraucherkrediten ab, weil sie befürchteten, dies würde der Sparkultur schaden, so die BBC.

NPR“ führt aus: „,Cash is King‘ ist ein uraltes Sprichwort. Für einen Großteil Deutschlands ist der Satz jedoch immer noch aktuell. Wenn Sie in Berlin sind, können Sie sich nicht darauf verlassen, dass Sie sich nur mit einer Kreditkarte zurechtfinden. An den Eingangstüren von Geschäften und Restaurants in der ganzen Stadt hängen ,Cash Only‘-Schilder. Dies mag für einige überraschend sein. Deutschland ist schließlich Europas führende Volkswirtschaft und bekannt für technologisches Know-how (…) Bargeld ist schnell und einfach zu benutzen, argumentieren sie. Es bietet ein klares Bild der persönlichen Ausgaben, hält Transaktionen privater und ist im Land weit verbreitet.“

„Für viele Deutsche spielt die Bequemlichkeit des elektronischen Zahlungsverkehrs keine Rolle. Vielmehr ist der Einsatz von Bargeld in überraschendem Maße zu einem Stellvertreter für tiefgreifende Bedenken hinsichtlich des Vertrauens, der Privatsphäre und der Rolle des Staates geworden“, so die Webseite „Cashless Economy“.

Bloomberg“ warf den Deutschen vor wenigen Jahren vor: „Deutschland ist immer noch von Bargeld besessen“. „In einer Welt, in der sich die meisten von uns unaufhaltsam für fast alles auf elektronische Zahlungen konzentrieren, bleibt Europas größte Volkswirtschaft ein bemerkenswerter Ort, der immer noch von einer seit Jahrtausenden bestehenden Handelsform dominiert wird.“

Die Better than Cash Alliance („Besser als Bargeld-Allianz – BTCA) kämpft weltweit gegen die Verwendung von Bargeld und für einen breitflächigen Einsatz digitaler Bezahlmethoden. Hinter der in New York ansässigen Organisation stehen nicht nur Microsoft-Gründer und Multimilliardär Bill Gates sowie die Clinton Development Initiative, sondern auch die US-Regierung, Großbanken wie die Citibank und mit Mastercard und Visa auch zwei weltweit führende Kreditkartenunternehmen (HIER).

Bargeldlos im Supermarkt oder Restaurant zu bezahlen, hat in der Corona-Krise an Bedeutung geworden. Doch das kann ins Geld gehen, wie Stiftung Warentest in der aktuellen „Finanztest“ berichtet. Bei einer Auswertung von 294 Kontomodellen von 125 Kreditinstituten in Deutschland wurden 55 Modelle gefunden, bei denen für jedes Bezahlen mit der Girocard (EC-Karte) Gebühren fällig werden - teilweise bis zu 0,50 Cent. „Diese Gebühren gab es bereits schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Sie fielen jedoch kaum auf, weil viele Menschen bar bezahlten“, sagt „Finanztest“-Expertin Heike Nicodemus.



Die Corona-Krise hat dem Bezahlen per Karte Studien zufolge einen Schub gegeben. So gaben beispielsweise bei einer Anfang Juli veröffentlichten YouGov-Befragung 35 Prozent der Verbraucher an, zum Schutz vor möglichen Ansteckungen seit Beginn der Pandemie in Geschäften seltener bar zu zahlen. Wegen der Pandemie bieten Handelsketten, Restaurants und Geschäfte verstärkt Kartenzahlungen anstelle von Bargeld an.



„Grundsätzlich stellen wir seit Jahren einen Trend zu mehr und zunehmend höheren Gebühren für Serviceleistungen fest“, sagte Nicodemus. „Der Extra-Service kann teuer werden. Die Banken wollen, dass die Kunden möglichst viel selber machen.“ Die Tester werteten 294 Kontomodelle von 125 Kreditinstituten in Deutschland aus. Darunter alle bundesweiten Finanzhäuser sowie Direkt- und Kirchenbanken, alle Sparda- und PSD-Banken sowie die größten Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbank je Bundesland.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Schott Pharma-Aktie: Zähe Nachfrage nach Glasspritzen – Pharmazulieferer Schott Pharma schaut vorsichtig auf 2026
04.12.2025

Die Schott Pharma-Aktie ist am Donnerstag nachbörslich unter Druck geraten, Anleger beäugen den Ausblick des Mainzer Pharmazulieferers...

DWN
Politik
Politik Die EZB blockiert: Streit um EU-Pläne für eingefrorene russische Vermögenswerte
04.12.2025

Die EU ringt um einen Weg, die finanziellen Belastungen des Ukrainekriegs abzufedern, doch zentrale Institutionen setzen klare Grenzen. Wie...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen in Moskau: Trump-Gesandte führen Gespräche mit Putin
04.12.2025

Die Gespräche zwischen Washington und Moskau rücken die Suche nach einer realistischen Friedenslösung wieder in den Mittelpunkt der...

DWN
Politik
Politik EU Ermittlungen: Staatsanwaltschaft nimmt Büros von Kaja Kallas ins Visier
04.12.2025

Die Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft rücken den Umgang mit sensiblen EU-Mitteln und institutionellen Abläufen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trade Republic Probleme: Kundenfrust wächst trotz neuer Produkte
04.12.2025

Trade Republic wirbt mit Innovationen, doch viele Kunden erleben etwas anderes. Die Beschwerden zu Ausfällen, Support und Handelbarkeit...

DWN
Politik
Politik G7? Nein danke, sagt Putin
04.12.2025

Russlands Präsident Wladimir Putin sorgt vor seinem Indien-Besuch für Aufsehen. Er kritisiert die G7 als "nicht groß" und verweist auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Club der Superreichen vorn dabei
04.12.2025

Fast 3.000 Menschen weltweit besitzen mehr als eine Milliarde Dollar – und Deutschland spielt eine führende Rolle. Während...

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis aktuell leichter: Kurspotenzial weiter hoch – jetzt Rücksetzer nutzen und Silber kaufen?
04.12.2025

Der Silberpreis hat am Mittwoch ein Rekordhoch erreicht. Doch der starke Anstieg des Silberpreises in den vergangenen Monaten stellt die...