Wissenschaftler der Harvard University treiben ihre Forschungen zur Verdunkelung des Sonnenlichts voran, womit sie zur Abkühlung der Erde beitragen wollen. Da sie nun in Schwenden Experimente mit einen Testballon durchführen wollen, haben sie Umweltschützer auf den Plan gerufen, die auf die Gefahren des sogenannten Geoengineering hinweisen.
Winzige Partikel sollen dabei in die Stratosphäre gesprüht werden, damit sie die Sonne reflektieren, um der globalen Erwärmung entgegenzuwirken. Doch die Forschung dazu wird seit Jahren durch verschiedene Kontroversen blockiert. So fürchten Klimaschützer unter anderem, dass das Geoengineering die geforderte Reduzierung der Treibhausgasemissionen verhindern könnte.
Nun hat die Swedish Space Corporation im Dezember zugestimmt, Forschern der Harvard University dabei zu helfen, einen Ballon in der Nähe der arktischen Stadt Kiruna zu starten, wie Reuters berichtet. Der Ballon soll im laufenden Jahr eine Gondel mit 600 Kilogramm Ausrüstung in eine Höhe von bis zu 20 Kilometer tragen.
"Es gibt sehr viele echte Bedenken" im Hinblick auf Klimawandel und Geoengineering, sagt David Keith, Professor für angewandte Physik an der Harvard School, der an dem Projekt beteiligt ist. Um die Risiken zu verstehen, seien Experimente nötig. Der Ballon-Flug war ursprünglich für die USA geplant, musste dann aber unter anderem wegen der strengen Corona-Regeln in den USA nach Schweden verlegt werden.
Bei dem Experiment soll das Manövrieren mit dem Ballon untersucht werden sowie die Kommunikationsgeräte und andere Systeme. Vorerst sollen keine Partikel in die Stratosphäre gesprüht werden. Wenn die Tests erfolgreich verlaufen, so könnte man im Herbst 2021 oder im Frühjahr 2022 bis zu zwei Kilogramm Kalziumkarbonatstaub in die Atmosphäre sprühen, sagt Professor Keith.
Die Untersuchungen darüber, wie sich das ungiftige Material in großer Höhe auf das Sonnenlicht auswirkt, könnten dabei helfen, die Funktionsweise des solaren Geoengineerings besser zu verstehen. Aber Gegner sehen darin einen Schritt in eine gefährliche Richtung. So könnte der künstliche Sonnenschutz etwa Verschiebungen der globalen Regenmuster auslösen.
"Die schwedische Gesellschaft fordert zunehmend echte, unmittelbare Lösungen für den Klimawandel", sagt Niclas Hällström, Direktor des schwedischen grünen Think-Tanks WhatNext. Das Harvard-Projekt stelle aber das genaue Gegenteil dar, da es den Eindruck erwecken könnte, dass eine fortgesetzte Nutzung von fossilen Brennstoffen möglich sei.
Nach Ansicht von Lili Fuhr, der Leiterin der Abteilung Internationale Umweltpolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung, der parteinahe Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen, überschreitet der Harvard-Plan "eine wichtige politische rote Linie". Denn die US-Forscher "wollen es nicht bei diesem kleinen Experiment belassen. Der Grund ist, dass sie größere Experimente machen wollen", sagte sie.
Fuhr und Hällström sagen beide, dass der Plan gegen ein globales Geoengineering-Moratorium im Rahmen der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt verstoßen würde. Dieses nicht-bindende Moratorium aus dem Jahr 2010 erlaubt jedoch Ausnahmen für wissenschaftliche Forschungsstudien in kleinem Maßstab.
Die Harvard-Forscher des Stratospheric Controlled Perturbation Experiment (SCoPEx) glauben nicht, dass sie für den Ballon-Flug eine spezielle Genehmigung von Schweden benötigten. Etwa 300 ähnliche stratosphärische Ballons seien im Jahr 2019 weltweit gestartet worden. Zu den Unterstützern von SCoPEx gehört auch Microsoft-Gründer Bill Gates.
Nach Ansicht von Befürwortern des solaren Geoengineerings, auch bekannt als Modifikation der Sonneneinstrahlung, ist der Einsatz der Technologie ein möglicher Weg, um den Anstieg der globalen Temperaturen zu verlangsamen. Doch Gegner befürchten, dass es die Verpflichtungen zum Handeln unter dem Pariser Klimaabkommen von 2015 untergraben und unerwünschte Nebeneffekte haben könnte. Denn das solare Geoengineering würde den Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre nicht verlangsamen.
Professor Keith findet es trotzdem sinnvoll, die Technologie weiter zu untersuchen. "Die Geschichte ist voll von Menschen, die an Dingen geforscht haben, die damals gesellschaftlich unpopulär waren und die wir heute als wichtig ansehen", sagte er, wie zum Beispiel die Verhütung von Schwangerschaften.