Politik

Regierungskrise in Italien: Koalitionspartner droht mit Abzug von Ministern

Italiens Regierungskoalition befindet sich in einer schweren Krise. Aus Neuwahlen dürfte die Lega als Siegerin hervorgehen.
12.01.2021 16:29
Lesezeit: 1 min

Mitten in der Corona-Krise steht die italienische Regierung vor der Zerreißprobe und das Land vor politischem Chaos. Der kleine Koalitionspartner Italia Viva von Ex-Regierungschef Matteo Renzi hat gedroht, seine beiden Ministerinnen aus dem Kabinett abzuziehen. Einer der größten Streitpunkte ist die Vergabe der Corona-Wiederaufbauhilfen, die die EU Italien zugesichert hat. Die lange verschobene Kabinettssitzung darüber war für Dienstag 21.30 Uhr (MEZ) geplant. Sollte Renzi seine Unterstützung entziehen, hätte die von Ministerpräsident Giuseppe Conte geführte Regierung keine ausreichende Mehrheit mehr im Parlament. Ein Szenario könnte dann eine umfassende Kabinettsumbildung sein, bei der Conte seinen Hut nehmen könnte, ein anderes wäre eine Neuwahl, bei der die Lega erstarken könnte.

Tagelang liefen Gespräche, um die Differenzen zwischen Italia Viva einerseits und den Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD) und der 5-Sterne-Bewegung andererseits zu überbrücken. Eine Lösung war nicht abzusehen. "Ich denke, es wäre ein schwerer politischer Fehler, der Italien schaden würde und den die Italiener nicht verstehen würden", sagte PD-Chef Nicola Zingaretti dem Fernsehsender Sky Italia. "Ich rufe zur Rückkehr zum gesunden Menschenverstand und zu Gesprächen auf."

Eine Lösung wäre, dass alle bisherigen Partner einen neuen Koalitionsvertrag aushandeln. Dies würde den Weg für eine größere Kabinettsumbildung öffnen - mit oder ohne den parteilosen Conte an der Spitze. Allerdings hat der größte Koalitionspartner, die 5-Sterne-Bewegung, bereits eine Absage erteilt. "Wenn Renzi verantwortlich dafür ist, dass seine Ministerinnen abgezogen werden, dann kann es keine weitere Regierung mit ihm und seiner Italia Viva geben", sagte 5-Sterne-Chef Vito Crimi der Nachrichtenagentur Ansa. "Es gibt für alles eine Grenze."

Die Rechten liegen in Umfragen vorne

Aus Contes Büro verlautete, der Ministerpräsident wolle keine erneute Koalition mit Renzi, sollten Agrarministerin Teresa Bellanova und Familienministerin Elena Bonetti (beide Italia Viva) die Regierung verlassen. PD-Chef Zingaretti warnte, dass rasch alles außer Kontrolle geraten könnte und eine Neuwahl die Folge wäre. Umfragen zufolge würde ein von der Lega von Matteo Salvini angeführter rechter und Euro-skeptischer Block die Parlamentswahl gewinnen.

Präsident Sergio Mattarella möchte, dass Regierung und Parlament den Wiederaufbauplänen zustimmen. Sollte dies nicht gelingen, würde er wohl die Chancen für eine Regierung der nationalen Einheit ausloten, um Corona- und Wirtschaftskrise zu bewältigen. Sollte die Bildung einer solchen Expertenregierung nicht gelingen, bliebe als einzige Möglichkeit die Auflösung des Parlaments und eine Neuwahl - zwei Jahre vor Ende der Legislaturperiode.

Renzi, der Ministerpräsident einer Mitte-Links-Regierung und PD-Vorsitzender war, hatte im Herbst 2019 Italia Viva gegründet. Nun bemüht er sich um neuen Schwung für seine Partei, die derzeit bei Umfragen auf nur zwei bis drei Prozent kommt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...