Finanzen

Strategiepapier: EU will Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren, geht gegen City of London vor

Lesezeit: 3 min
19.01.2021 11:00  Aktualisiert: 19.01.2021 11:05
Wenige Tage vor der Amtseinführung Joe Bidens ist ein Strategiepapier der EU aufgetaucht, dass es in sich hat. Unter anderem wird darin gefordert, die Abhängigkeit Europas vom US-Dollar zu reduzieren.
Strategiepapier: EU will Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren, geht gegen City of London vor
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. (Foto: dpa)
Foto: Yves Herman

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Europäische Union arbeitet offenbar daran, die Abhängigkeit europäischer Banken und Unternehmen vom US-Dollar zu reduzieren – insbesondere, um es künftigen amerikanischen Regierungen zu erschweren, Sanktionen gegen EU-Staaten zu erlassen.

In einem von der Financial Times eingesehenen vorläufigen Strategiepapier diskutieren Analysten der EU-Kommission demnach Möglichkeiten, wie Europa künftig besser „gegen die Auswirkungen unrechtmäßiger extraterritorialer Anwendungen abgeschirmt“ werden könne.

„Die Trump-Jahre haben unsere Schwächen aufgedeckt und wir müssen an diesen arbeiten, auch wenn er (Trump – die Red.) jetzt weg ist. Es geht um die Position der EU in der Welt und darum, die wirtschaftliche und finanzielle Kraft zu haben, die unserer Größe entspricht“, zitiert die FT aus dem Dokument.

Zankapfel Iran

Insbesondere die von der Trump-Administration herbeigeführte Spaltung des westlichen Lagers in Bezug auf den Iran scheint für die geopolitischen Analysten der EU ein Warnschuss gewesen zu sein. Obwohl die EU nach dem einseitig erklärten Rücktritt der US-Regierung vom Atom-Abkommen weiterhin an der Vereinbarung mit den Iran festhielt, waren europäische Unternehmen in der Folge faktisch an die von Trump gegen den Iran erlassenen Sanktionen gebunden.

Denn die Nutzung des Dollars im internationalen Warenhandel und bei der Abwicklung von Finanztransaktionen hat zur Folge, dass US-Gerichte amerikanisches Recht gegen ausländische Akteure anwenden können – überall auf der Welt.

Selbst die Einrichtung eines speziellen Vehikels zur Zahlungsabwicklung ermöglichte es europäischen Firmen bis zuletzt nicht wirklich, den im Gegenzug zur atomaren Abrüstung versprochenen Handel mit dem Iran zu betreiben.

Aufwertung des Euro

Verbunden mit dem Ziel der „Abschirmung vor US-Sanktionen“ sind auch Pläne, die Rolle des Euro im globalen Finanzsystem zu stärken. „Die weltweiten Finanzmärkte sind zu sehr abhängig vom Dollar, als dass finanzielle Spannungen und Risiken für die Finanzstabilität abgefedert werden könnten“, heißt es in der Blaupause. Zu den im Strategiepapier geäußerten Vorschlägen gehört etwa, regelmäßig wichtige Finanzleitmarken und Kennzahlen dahingehend zu überprüfen, ob man diese von Dollar auf Euro umstellen sollte.

So wird beispielsweise der in Amsterdam ansässige Abwicklungsmechanismus für Erdgas-Importe in die EU hervorgehoben, weil dort Erdgas in Euro gehandelt wird während die weltweit führenden Leitsorten für Rohöl (Brent und WTI) in Dollar gehandelt werden.

Eine gezielte Stärkung des Euro würde überdies „dabei helfen, weltweit vereinbarte Ziele wie die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems, ein stabileres und diversifiziertes Weltwährungssystem und mehr Angebotsvielfalt für Unternehmen zu erreichen – all das führt dazu, dass die Weltwirtschaft weniger anfällig“ sei, heißt es in dem Papier.

Für den Euro als internationale Währung ist der Weg an die Weltspitze noch weit. Die globale Rolle der Gemeinschaftswährung zu stärken sei trotz jüngster Fortschritte eine erhebliche Herausforderung, sagte Portugals Notenbankchef, Mario Centeno, am Dienstag auf einer Konferenz. Ende 2019 hatte der Euro als Reservewährung zwar bereits einen weltweiten Anteil von 20,5 Prozent - eine Zunahme von 0,2 Prozentpunkten binnen Jahresfrist. Aber der Dollar blieb mit einem Anteil von 60,9 Prozent unangefochten die führende Reservewährung. Ähnlich sahen zuletzt die Anteile für Euro und Dollar bei den internationalen Schuldentiteln aus.

Das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) äußerte sich dennoch zuversichtlich. „Was die Institutionen betrifft, so ist Europa heute viel besser aufgestellt als in der Vergangenheit“, sagte Centeno. Dazu habe auch die gemeinsame Antwort der Ländergemeinschaft auf die Virus-Krise beigetragen. Der Euro habe sich als eine sehr flexible und starke Einrichtung für alle Mitgliedsstaaten erwiesen. „Die Risiken, die einige Länder vor zehn Jahren mit Bezug auf den Euro noch ausmachen konnten, sind heute viel kleiner“, fügte er hinzu.

Vorstoß gegen die City of London

Auch mit Blick auf Großbritannien wird eine Kursänderung erwogen. So sollen kontinentaleuropäische Banken in Zukunft weniger von britischen Clearinghäusern abhängig sein. Der EUObserver berichtet, dass demnach „mögliche technische Verfahren“ geprüft werden sollen, um es Händlern zu erlauben, den Handel mit komplexen Finanzprodukten wie etwa Derivaten von London nach Kontinentaleuropa zu verschieben.

Für Großbritannien wäre ein weiterer Bedeutungsverlust des Finanzzentrums London schmerzhaft, weil die Finanzbranche der mit Abstand wichtigste einzelne Wirtschaftszweig des Landes ist. Die britische Wirtschaft steuert nach dem Austritt aus der EU ohnehin auf harte Einschnitte zu.

Die Blaupause soll am Mittwoch in Brüssel besprochen werden. Möglich ist deshalb, dass es bis zur finalen Fassung signifikante Änderungen am Inhalt geben wird.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...