Wirtschaft

Paketzusteller – das unterste Glied in der Hackordnung des Online-Shopping

Die Beschwerden über Paketzusteller häufen sich. Das ist nicht verwunderlich – die Arbeitsbedingungen sind vergleichsweise schlecht und viele Zusteller werden von einer Flut von Bestellungen übermannt.
05.02.2021 15:00
Lesezeit: 4 min

Ob beschädigte Pakete, falsch eingeworfene Briefe oder zu kurze Öffnungszeiten von Postfilialen: Die Arbeit der Postdienstleister hat im Jahr 2020 vielerorts für Ärger gesorgt. Bis Mitte Dezember seien 17 930 Beschwerdeschreiben eingegangen, teilte die Bundesnetzagentur mit. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es 17 167. Der Anstieg der kritischen Wortmeldungen war mit 4 Prozent relativ gering. 2018 hatte es eine Verdopplung gegeben, 2019 lag der Zuwachs bei 44 Prozent.

So gesehen sind die aktuellen Beschwerdezahlen also fast schon positiv zu verstehen. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen. Denn viele Beschwerdeschreiben enthielten nicht nur einen einzigen Grund zur Kritik, sondern gleich mehrere. Zählt man die in den Schreiben aufgeführten negativen Erfahrungen zusammen, so kletterten diese von 20 738 im kompletten Jahr 2019 auf 30 709 in diesem Jahr (bis zum 15. Dezember). Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums an den Linken-Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser hervor, die der dpa vorliegt.

Das bedeutet: Es haben sich 2020 zwar in etwa gleich viele Menschen bei der Bonner Behörde beschwert wie im Vorjahr, ihr Frust war aber größer als zuvor. Sie ärgerten sich häufig nicht nur über ein verlegtes Paket, sondern im selben Schreiben beispielsweise auch über eine andere, beschädigte Sendung oder einen Brief, der verspätet ankam oder versehentlich beim Nachbarn gelandet war. Pro Beschwerdeschreiben wurden im Jahr 2019 im Schnitt 1,1 schlechte Erfahrungen aufgeführt, 2020 kletterte der Schnitt auf 1,7. So hoch lag dieser Wert noch nie in der seit 2014 geführten Statistik.

Wenig schmeichelhaft sind die Zahlen für die Paketdienstleister, die deutlich häufiger Grund für den Missmut waren als bisher - ihr Anteil an den in den Beschwerdeschreiben aufgeführten negativen Erfahrungen stieg von einem Drittel auf die Hälfte, der Rest entfällt auf die Bereiche Briefe und Filialen. In absoluten Zahlen ist das sogar eine Verdopplung: 2019 nannten die Bürger mit Blick auf Paketdienstleistungen 7149 negative Erfahrungen, die auch als Beschwerdegründe bezeichnet werden. 2020 liegt diese Zahl bisher bei 15 259 und damit mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr.

Zusteller kämpfen mit der Paket-Flut

Woran liegt die Entwicklung? Sie könnte damit zusammenhängen, dass die Paketbranche unter den widrigen Corona-Bedingungen deutlich größere Mengen befördern muss - in dem seit November laufenden Weihnachtsgeschäft rechnen die Firmen beispielsweise mit einem Mengenplus von 15 bis 20 Prozent.

Bei den Beschwerden geht es um die ganze Branche, in der die Deutsche Post DHL mit großem Abstand Marktführer ist. Wettbewerber bei Paketen sind Hermes, DPD, GLS und UPS. Seinen Marktanteil schätzte DHL zuletzt auf «gut 40 Prozent». Der Anteil des Konzerns an den Paket-Beschwerdegründen liegt 2020 laut Netzagentur bei 73 Prozent und damit deutlich über seinem Marktanteil. Der frühere Staatsmonopolist ist also überproportional vertreten in der Negativ-Statistik.

Ein DHL-Sprecher sagt hierzu, die Beschwerden seien nicht repräsentativ und somit sei «auch der Vergleich mit den Marktanteilen nicht sachgerecht». Dass der eigene Anteil an den Beschwerdegründen höher sei als bei den Wettbewerbern liege unter anderem daran, dass die eigene Dienstleistung stärker von Privatkunden genutzt werde. Die Logik dahinter: Firmen-Großkunden beschweren sich nicht bei der Netzagentur, sehr wohl aber Privatkunden - und die fallen bei der Deutschen Post DHL nun mal deutlich stärker ins Gewicht als bei der Konkurrenz. Der DHL-Sprecher spricht zugleich von Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung, die nach Überzeugung des Konzerns greifen.

Wie die Zahlen insgesamt zu verstehen sind, ist durchaus umstritten. So betonen Vertreter der Paketbranche, sie seien keineswegs ein Beleg für eine schlechtere Qualität ihrer Arbeit. Sie verweisen auf den Anstieg der Paketmengen und auf eine intensive Medienberichterstattung, wodurch die Beschwerdemöglichkeit bekannter geworden sei - weil mehr Menschen von der Beschwerdestelle wissen, machen sie davon Gebrauch, so die Lesart der Paketbranche.

Bei der Interpretation der Statistik sollte zudem die Tatsache nicht außer Acht gelassen werden, dass die Zahl der rund 18 000 Beschwerden im Verhältnis zum Gesamtaufkommen gering ist; 2019 wurden in Deutschland rund drei Milliarden Pakete und 14 Milliarden Briefe verschickt. Hierauf weist auch die Bundesnetzagentur hin.

Also alles halb so wild? Der Linken-Bundestagsabgeordnete Meiser schüttelt den Kopf. Das stellvertretende Mitglied im Beirat der Bundesnetzagentur wertet den steilen Anstieg der Beschwerdegründe als bedenklich. Er führt die Unzufriedenheit mit der Zustellqualität auf die «noch immer vielerorts unterirdischen Arbeitsbedingungen» zurück. Der Oppositionspolitiker fordert die Bundesregierung zum Handeln auf. Es sei höchste Zeit, «jetzt auch in der Paketbranche für ein Verbot dubioser Werkverträge und Subunternehmerketten zu sorgen». Bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld für Paketzusteller «wären ein erster wichtiger Schritt, um die Qualität der Zustellung wieder anzuheben», sagt Meiser.

Paketzusteller – das unterste Glied in der Online-Shopping-Hackordnung

Vom Boom im Online-Handel und Rekordlieferungen im Weihnachtsgeschäft profitieren Paketzusteller indes nur wenig. In den vergangenen zehn Jahren stieg das Gehalt bei Post-, Kurier- und Expressdiensten deutlich langsamer als in der gesamten Wirtschaft, wie Mitte Dezember 2020 veröffentlichte Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen. Demnach legte der Bruttomonatsverdienst aller Beschäftigten der Branche gemessen am Jahr 2010 um 15,6 Prozent zu. In der gesamten Wirtschaft waren es in dem Zeitraum plus 25,6 Prozent.

Arbeitnehmer bei Post-, Kurier- und Expressdiensten werden damit relativ schlecht bezahlt, wie die Wiesbadener Behörde weiter mitteilte. 2019 bekamen Vollzeitbeschäftigte im Mittel 2924 Euro brutto im Monat - rund 1000 Euro weniger als der Durchschnitt aller Beschäftigten (3994 Euro). Bei vielen Menschen in der Branche lag der Verdienst aber deutlich niedriger: Angelernte Kräfte erhielten 2403 Euro im Monat brutto und ungelernte im Schnitt 2019 Euro.

Außerdem haben die Beschäftigten selten eine geregelte Arbeitswoche. Zwei von drei Erwerbstätigen bei Post-, Kurier- und Expressdiensten arbeiteten 2019 auch am Wochenende und an Feiertagen, so die Statistiker. 15 Prozent lieferten auch in Nachtschichten aus.

Mit dem Boom des Online-Handels erleben Post-, Kurier- und Expressdienste seit Jahren einen Aufschwung, der in der Corona-Krise nochmals Fahrt aufnahm. Von Januar bis September stieg der Umsatz im Online-Handel preisbereinigt um mehr als 21 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum. Das Weihnachtsgeschäft verspricht neue Rekorde: Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (Biek) prognostizierte zuletzt, dass im November und Dezember etwa 420 Millionen Pakete zugestellt werden und damit 60 Millionen mehr als ein Jahr zuvor.

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