Politik

Bundestagswahl 2021: Drohen wegen Corona umfassende Briefwahlen nach US-Vorbild?

Die Corona-Krise führt bereits heute dazu, dass viele Bürger aus Angst vor dem Virus bei der Bundestagswahl 2021 auf die Briefwahl setzen wollen. Allerdings sind Briefwahlen anfällig für Manipulationen.
23.02.2021 16:38
Aktualisiert: 23.02.2021 16:38
Lesezeit: 2 min
Bundestagswahl 2021: Drohen wegen Corona umfassende Briefwahlen nach US-Vorbild?
Briefwahlen haben Unterstützer und Kritiker. (Foto: dpa) Foto: Friso Gentsch

Wegen der Corona-Krise könnte die Bundestagswahl so teuer werden wie noch nie. Das Bundesinnenministerium veranschlage für die Wahl am 26. September Kosten von insgesamt 107 Millionen Euro, berichtete die „Saarbrücker Zeitung“. Als einen der Gründe nannte das Ministerium, dass wegen der Pandemie deutlich mehr Briefwähler erwartet werden. Damit lägen die Kosten erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik über der Marke von 100 Millionen. Die Wahl 2017 schlug mit 92 Millionen Euro zu Buche. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte der Zeitung, man rechne mit einem erhöhten Anteil von Briefwählern, denn es sei nicht auszuschließen, dass die Wahl „noch unter Beeinträchtigungen durch die Covid-19-Pandemie“ stattfinden werde. Mehr Briefwähler bedeuteten zugleich höhere Kosten, da der Bund die kostenlose Beförderung von Wahlbriefen finanziere. Auch die Versendung der Wahlbenachrichtigungen sei teurer geworden.

„Nach geltender Rechtslage muss es Wahllokale geben“, hielt Ministeriumssprecher Steve Alter fest. Sollte eine Bundestagswahl - etwa wegen einer Pandemie - ausschließlich als Briefwahl geplant werden, müsste dafür erst eine entsprechende gesetzliche Regelung geschaffen werden. Im Bundesinnenministerium sei zu solchen Bestrebungen im Moment jedoch nichts bekannt. Vor vier Jahren lag der Anteil der Briefwähler bundesweit bei 28,6 Prozent. Dieses Mal wird erwartet, dass ein deutlich höherer Anteil der Wähler auf den Gang ins Wahllokal verzichtet und lieber aus der Ferne die Stimme abgibt. Ein Sprecher des Bundeswahlleiters sagte der Zeitung, wegen Corona könnten auch zusätzliche Wahlhelfer fällig werden. Das würde dann zu Mehrausgaben bei den sogenannten Erfrischungsgeldern führen. Wer im Wahllokal mitarbeitet, bekommt zwischen 25 und 35 Euro.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts werden am 26. September im Bundesgebiet etwa 60,4 Millionen Deutsche wahlberechtigt sein. Darunter sind etwa 2,8 Millionen, die zum ersten Mal ihre Stimme abgeben können. Das Grundgesetz sieht vor, dass der Bundestag alle vier Jahre gewählt wird. Die Hälfte der Kosten der Wahl wird den Ländern vom Bund erstattet.

Die Tagesschau berichtet: „Jedoch ist bei der Briefwahl nicht nachvollziehbar, ob der Wähler seine Stimme selbst abgegeben hat und dabei unbeobachtet und unbeeinflusst war - ob er also möglicherweise eingeschüchtert oder bestochen wurde.“

Die Tagesschau führt dabei zwei Beispiele an: „So kam es bei der niedersächsischen Kommunalwahl 2016 in Quakenbrück zu Manipulationen. In einem Stadtteil mit vielen Einwanderern hatten vier Politiker der Linkspartei Wähler mit geringen Deutschkenntnissen dazu gebracht, Briefwahlunterlagen anzufordern. Die Politiker füllten die Stimmzettel teils selbst aus und fälschten auch Unterschriften. Sie wurden zwei Jahre später zu Bewährungsstrafen zwischen 1,5 und sieben Jahren verurteilt. Einen weiteren Fall gab es bei Kommunalwahlen 2014 im sachsen-anhaltinischen Stendal. Dort wurden Briefwahlunterlagen gefälscht und ebenfalls Wahlzettel von Dritten ausgefüllt. Doch auch dieser Betrug flog auf. Ein CDU-Stadtrat wurde zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Wahl- und Urkundenfälschung verurteilt.“

„Die Briefwahl bietet vielfältigste Betrugsmöglichkeiten“, zitiert die NOZ Manfred Güllner, Leiter des renommierten Meinungsforschungsinstituts Forsa.

Die Welt berichtete 2015 über den Verdacht von 50 gefälschten Briefwahlstimmen bei der Bügerschaftswahl in Hamburg. „Wurde bei der Bürgerschaftswahl getrickst? Ein Grünen- sowie ein CDU-Kandidat haben bei der Briefwahl im Februar in zwei Hamburger Bezirken deutlich mehr Stimmen per Brief als per Urnenwahl erhalten“, so das Blatt.

Die Volksstimme berichtete 2015 über Manipulationen bei Briefwahlvollmachten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verbrenner-Aus: EU lockert Vorgaben und setzt den Fokus auf Unternehmen und Hersteller
19.12.2025

Die Europäische Kommission richtet ihre Verkehrsklimapolitik neu aus und verändert damit die Rahmenbedingungen für Industrie und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose 2026: Kurs erholt sich – Experten streiten über den weiteren Weg
19.12.2025

Der Bitcoin-Kurs schwankt, die Jahresendrally bleibt aus – und doch überbieten sich Experten mit kühnen Zielen. Zwischen 87.900 Dollar...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt die besten Dividenden-Aktien kaufen: Diese Titel überzeugen Experten von Morningstar
19.12.2025

Dividenden gelten für viele Anleger als stabiler Ertragsanker in unsicheren Marktphasen. Doch woran lässt sich erkennen, welche...

DWN
Politik
Politik E-Autos: Kfz-Steuerbefreiung bei Elektroautos bis 2035 verlängert
19.12.2025

Elektroautos sollen länger steuerfrei bleiben – doch die neuen Regeln haben einen Haken. Ein Beschluss im Bundesrat verschiebt Fristen,...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Finanzierung bis 2027: EU einigt sich auf 90 Milliarden Euro – Moskau spottet
19.12.2025

Die EU hat sich nach zähem Ringen auf eine Ukraine-Finanzierung bis 2027 geeinigt. Ein zinsloser Kredit über 90 Milliarden Euro soll...

DWN
Politik
Politik Pendlerpauschale rauf, Mehrwertsteuer runter: Bundesrat billigt Steuerpaket
19.12.2025

Der Bundesrat hat ein Steuerpaket auf den Weg gebracht, das Pendler, Gastronomie und Ehrenamt spürbar berührt. Hinter der Entlastung...

DWN
Finanzen
Finanzen Schluss mit Spekulation: In welche Kryptowährung investieren?
19.12.2025

Tausende Kryptowährungen konkurrieren um Aufmerksamkeit. Doch nur wenige haben echtes Potenzial. Diese Analyse zeigt, wie sich seriöse...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank dämpft Erwartungen für 2026: Konjunkturflaute lässt Wachstum nur langsam zurückkehren
19.12.2025

Nach Jahren der Konjunkturflaute soll 2026 endlich wieder Bewegung in Deutschlands Wirtschaft kommen – doch der Aufschwung bleibt...