Finanzen

Digitaler Dollar: Fed-Chef meint, er habe keine Eile – doch das stimmt nicht

Fed-Chef Jerome Powell meint, dass bei der Einführung eines digitalen Dollars „keine Eile geboten“ sei. Die Fed sei noch nicht einmal in einer Phase der „Entscheidungsfindung“. Doch den Worten von Powell ist kein Glauben zu schenken.
22.03.2021 19:58
Aktualisiert: 22.03.2021 19:58
Lesezeit: 3 min
Digitaler Dollar: Fed-Chef meint, er habe keine Eile – doch das stimmt nicht
Der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell. (Foto: dpa)

Top-Notenbanker auf beiden Seiten des Atlantiks halten derzeit kein schnelles Vorpreschen bei der Einführung von digitalen Versionen ihrer Währungen für erforderlich. Die US-Notenbank Federal Reserve sei noch nicht einmal in einer Phase der „Entscheidungsfindung“, betonte Fed-Chef Jerome Powell am Montag auf einer Online-Diskussionsrunde der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Es sei „keine Eile geboten“ und die USA müssten nicht vorangehen. Voraussetzung sei auch, dass das Parlament grünes Licht gebe, sagte Powell: „Wir würden nicht ohne Unterstützung des Kongresses voranschreiten.“

Die US-Notenbank werde alle Schritte sorgfältig und mit Transparenz angehen. Doch sei schon klar, dass die Fed bei Finanzierungsfragen nicht in Konkurrenz zur Bankenbranche treten wolle. Das funktionierende Finanzsystem dürfe nicht destabilisiert werden. Die Fed lotet derzeit in einer Kooperation mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) Grenzen und Möglichkeiten von digitalen Währungen aus. Im Zusammenhang mit Kryptowährungen sagte Powell nach Angaben von „CNBC“: „Sie sind sehr volatil und daher keine wirklich nützlichen Wertspeicher und werden von nichts unterstützt. Sie sind eher ein spekulativer Vermögenswert, der im Wesentlichen Gold ersetzt und nicht den Dollar.“

Powell ist bekannt als Gegner von dezentralen Kryptowährungen. Doch Powells Ausführungen sind mit Vorsicht zu genießen. Wie schnell es zur Einführung von digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs) kommt, bestimmen schließlich externe Faktoren. Entscheidend sind dabei jene Faktoren, die sich auf den Finanzmärkten abspielen. Wenn beispielsweise das aktuelle Fiat-Geldsystem in einem großen Crash weitgehend einkrachen würde, würde dies auch die Einführung von CBDCs beschleunigen. Im Rahmen eines derartigen Szenarios müssten die Fed und alle anderen Zentralbanken möglichst schnell reagieren. Es wird immer ein Schlüsselereignis benötigt, um ein neues Finanzsystem zu implementieren. Im Falle der Einführung von CBDCs müsste dies ein Crash an den Börsen und Finanzmärkten sein. Zudem wird auf den richtigen Moment gewartet, um Bitcoin & Co. komplett zu eliminieren.

Die Diskussion um die Einführung von CBDCs hat angesichts der zunehmenden Digitalisierung im Zahlungsverkehr zuletzt an Tempo gewonnen, so „Bloomberg“. Dabei geht es eben auch darum, nicht den Anschluss zu verlieren an privatwirtschaftliche Vorstöße wie die geplante Cyber-Währung Diem von Facebook. Insbesondere das Facebook-Projekt hatte Regierungen, Aufseher und Zentralbanken weltweit auf den Plan gerufen.

Bundesbank-Chef Jens Weidmann sagte in der Diskussionsrunde, ein Zeithorizont von zwei bis drei Jahren für die Einführung eines digitalen Euro sei „sicherlich zu kurz“. Die Nutzung von Bargeld gehe aber zurück. Daher sei es wichtig zu überlegen, ob da nicht CBDCs einspringen sollen. Es gebe allerdings auch andere Wege, die Bedürfnisse von Verbrauchern und Unternehmen abzudecken als digitales Zentralbankgeld. „Es gibt keine Eile oder Dringlichkeit für die Einführung von CBDC“, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB).

Die EZB ist bei dem Thema insgesamt aber bereits deutlich weiter als die US-Notenbank. So wollen die Euro-Wächter um die Mitte dieses Jahres herum entscheiden, ob ein formelles Projekt gestartet werden solle. Falls grünes Licht erfolgt, würden dann in einer Untersuchungsphase von etwa zwei Jahren zunächst die künftigen Kerneigenschaften eines digitalen Euro festgelegt, wie Notenbank-Direktor Fabio Panetta vergangene Woche sagte. Sollte danach entschieden werden voranzuschreiten werde die Umsetzung noch etwa zwei bis drei Jahre benötigen. Erst am Ende werde die EZB in der Lage sein, einen digitalen Euro einzuführen.

China ist bei dem Thema Digitalwährung der Vorreiter unter den großen Ländern und Währungsregionen. Die Volksrepublik arbeitet schon seit längerer Zeit an einem digitalen Yuan und hat bereits großangelegte Probeläufe gestartet. Im vergangenen Jahr waren die Bahamas weltweit das erste Land, das mit dem „Sand Dollar“ eine digitale Version seiner Landeswährung eingeführt hat (HIER).

Im November 2020 wurde darüber spekuliert, ob die USA zu Beginn des aktuellen Jahres möglicherweise eine digitale Zentralbankwährung einführen. Denn am 23. März 2020 wurde ein Gesetzesvorschlag in den US-Kongress eingebracht, wonach jedem US-Bürger ab dem 1. Januar 2021 ein digitales Zentralbankkonto zur Verfügung gestellt werden soll.

Dazu schreibt der Analyst Ernst Wolff: „Zwar ist das Gesetz noch nicht verabschiedet worden, aber man sollte sich in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass das Gesetz zur Einführung der FED am 23. Dezember 1912, also geschicktermaßen direkt vor Weihnachten, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt angenommen wurde.“

Die technische Infrastruktur für die Einführung digitaler Zentralbankwährungen scheint in jedem Fall - auch dank dem globalen Zahlungsdienst PayPal - schon bereit zu stehen. Und was in den USA möglich ist, das geht offensichtlich auch in Europa und in Deutschland. Die Tage des physischen Bargelds, das bisher noch ein Mindestmaß an finanzieller Freiheit ermöglicht hat, sind nach Wunsch der umstrittenen Notenbanker offenbar gezählt. Dabei ist völlig unerheblich, welche taktischen Äußerungen sie tätigen, um die Bürger in falscher Sicherheit zu wiegen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardärsmanager fliehen aus US-Aktien: Der stille Countdown zur Rezession hat begonnen
17.04.2025

Eine neue Erhebung der Bank of America zeigt: Die Stimmung unter den großen Vermögensverwaltern kippt dramatisch. Während die Finanzwelt...

DWN
Politik
Politik Merz und EU offen für Tauruslieferung an Ukraine: Kreml warnt vor direkter Kriegsbeteiligung
17.04.2025

In der Opposition war Merz offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Als voraussichtlicher Kanzler ist er das...

DWN
Panorama
Panorama Die Macht der WHO: Internationaler Pandemievertrag kommt
17.04.2025

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie haben sich die WHO-Mitgliedstaaten auf ein Pandemieabkommen geeinigt. „Ich habe keinen...

DWN
Technologie
Technologie Mechanische Speicher als geopolitische Alternative: Lithium-Batterien geraten unter Druck
17.04.2025

Angesichts wachsender Abhängigkeit von China bei Lithium-Batterien rücken mechanische Energiespeicher in den Fokus. Eine...

DWN
Technologie
Technologie Japanisches Genie revolutioniert Energiewende – Supermagnet jetzt 20 Milliarden Euro wert
17.04.2025

Im globalen Wettrennen um Energiesouveränität und technologische Vorherrschaft hat sich ein unscheinbares Element als strategischer...

DWN
Politik
Politik Taiwan, Sanktionen und Respekt - China stellt klare Bedingungen für Handelsgespräche mit den USA
17.04.2025

China fordert mehr Respekt und klare Signale der USA, bevor Handelsgespräche beginnen – eine Einigung ist entscheidend für die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steht das Verbrenner-Verbot vorm aus? Europas Rechte bläst zum Gegenschlag gegen EU-Establishment
17.04.2025

Konservative und rechte Kräfte im EU-Parlament wollen das Aus für Verbrennungsmotoren kippen – mit wachsender Unterstützung auch aus...

DWN
Politik
Politik Geheime Chatgruppe: EU-Außenminister betreiben Diplomatie über Signal - auf Einladung Kaja Kallas
17.04.2025

Die Außenminister der Europäischen Union kommunizieren in einer privaten Chatgruppe der verschlüsselten App Signal. Dies bestätigte der...