Deutschland

Die Bundesregierung hört nicht auf den Mittelstand, sondern auf die Großkonzerne

Der deutsche Mittelstand ist politisch nahezu isoliert. Die Bundesregierung besänftigt die deutschen Unternehmer mit finanziellen Versprechen, die nicht wirklich eingehalten werden. Stattdessen stützt sie die Großkonzerne.
26.03.2021 09:00
Lesezeit: 2 min
Die Bundesregierung hört nicht auf den Mittelstand, sondern auf die Großkonzerne
Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie. (Foto: dpa) Foto: Lennart Stock

Der Mittelstand, der über 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland umfasst, war das Bollwerk beim Aufbau der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) teilt mit: „Wenn uns die Welt um etwas beneidet, dann ist es der deutsche Mittelstand. Er ist Innovations-, Technologie- und Wirtschaftsmotor Deutschlands. Er erfindet sich ständig neu, steht für das internationale Qualitätsmerkmal ,Made in Germany‘ und ist Garant für die stabile Stellung Deutschlands. Regional, national und rund um den Globus.“

Doch das Vertrauen des Mittelstands in die Bundesregierung wurde während der Corona-Krise erschüttert. Die deutschen Unternehmen kritisieren, dass die Bundesregierung die deutschen Großkonzerne favorisiere. Die „FAZ“ hat kürzlich einen Bericht unter dem Titel „Der Mittelstand findet kein Gehör“ veröffentlicht, in dem der Heizungsbauer Viessmann genau diese Politik kritisiert.

Zur erneuten Verlängerung des Lockdowns erklärt NRW-Landesgeschäftsführer Herbert Schulte vom BVMW: „Das hin und her der ewigen Lockdowns hat schwerste ökonomische Schäden verursacht, so kann und so darf es nicht weitergehen. Es ist höchste Zeit, die wirtschaftlichen und sozialen Kosten dieser verheerenden Politik in die Gesamtbetrachtung des Kampfs gegen Corona einzubeziehen. Die einseitige Fixierung auf Inzidenzwerte muss ersetzt werden durch eine Teststrategie, die es Schulen, Einzelhandel und Gastronomie erlaubt, im kontrollierten Betriebsmodus fortzufahren. Die Politik hat Monate ins Land streichen lassen und ist auch mit ihrem zentralistischen Impfkonzept zum Schaden der Menschen krachend gescheitert. Wir erwarten von der NRW-Landesregierung einen bundesweiten Vorstoß zu einer intelligenteren Strategie im Kampf gegen die Pandemie, die endlich Arztpraxen und Betriebsärzte in die Distribution der Vakzine einbindet. Es ist unerklärlich, weshalb die Politik nicht von Beginn an auf die Erfahrung der Praxen gesetzt hat, die Jahr für Jahr in wenigen Wochen Millionen Impfungen verabreichen.“

Der Handel prangert vor allem die Fixierung auf die Corona-Inzidenzwerte an. Die Maßnahmen müssten sich an den wissenschaftlichen Fakten orientieren, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Genth. „Und die zeigen, dass die Infektionsgefahr beim Einkaufen niedrig ist.“ Es sei deshalb höchste Zeit, die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen und alle Geschäfte unter Einhaltung strikter Hygienekonzepte wieder zu öffnen. Als kontraproduktiv sieht der Verband die Schließung der Lebensmittelgeschäfte an Gründonnerstag. Das führe zu erhöhtem Kundenandrang am vorhergehenden Mittwoch und dem folgenden Ostersamstag. „Den Lebensmittelhandel mit seinen nachweislich hervorragend funktionierenden Hygienekonzepten symbolisch für einen Tag zuzumachen, hilft im Kampf gegen die Pandemie nicht weiter“, sagte Genth.

Kritik an der Corona-Politik kommt auch von Ökonomen. „Die zu späten und widersprüchlichen Entscheidungen der vergangenen sechs Monate haben den größtmöglichen wirtschaftlichen Schaden verursacht“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. „Sie haben maximale Unsicherheit geschaffen, so dass Unternehmen keine Orientierung mehr haben.“ Diese Unsicherheit sei Gift für die Wirtschaft und werde unweigerlich zu zahlreichen Unternehmensinsolvenzen und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Der beste Schutz für die Wirtschaft sei eine schnelle Begrenzung der dritten Infektionswelle, verlässliche Regeln und eine klare Zukunftsperspektive. „Das fehlt der deutschen Wirtschaft heute mehr denn je.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

 

DWN
Politik
Politik NATO ohne Substanz: Europa fehlen Waffen für den Ernstfall
01.07.2025

Europa will mehr für die Verteidigung tun, doch der Mangel an Waffen, Munition und Strategie bleibt eklatant. Experten warnen vor fatalen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...