Finanzen

Zins-Schmelze bei Lebensversicherungen beschleunigt sich dramatisch

Die jahrelange Nullzinspolitik der Zentralbanken schlägt voll auf die Versicherungsbranche durch. Nun wird der Garantiezins massiv gesenkt.
29.03.2021 13:00
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Zinsschmelze bei Lebensversicherungen beschleunigt sich. Nach einem Verordnungsentwurf des Bundesfinanzministeriums sollen Lebensversicherer ihren Kunden ab dem 1. Januar 2022 bei Neuverträgen maximal noch eine jährliche Verzinsung von 0,25 Prozent versprechen dürfen. Aktuell liegt der Garantiezins bei 0,9 Prozent. Eine Senkung hätte besonders gravierende Folgen für neue Riester-Verträge. Die Branche fordert daher eine Reform. Verbraucherschützer kritisieren die aus ihrer Sicht zu hohen Kosten.

Eingezahlte Eigenbeiträge und staatliche Zulagen müssen beim Riester-Modell zu 100 Prozent garantiert werden. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Das Problem sind die Kosten. Die Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil nach Abzug von Abschluss- und Verwaltungskosten sowie dem Beitrag für einen Todesfallschutz. Nur diese Summe wird verzinst. Liegt der Garantiezins bei Neuverträgen bei 0,25 Prozent, wird allerdings wegen der Kosten kaum ein Versicherer noch garantieren können, dass künftige Riester-Sparer die eingezahlten Beiträge zu 100 Prozent zurückbekommen.

Das Bundesfinanzministerium will den Verordnungsentwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, an diesem Donnerstag an die Ressorts schicken.

Altverträge sind von einer Senkung des Garantiezinses - in der Fachsprache Höchstrechnungszins genannt - nicht betroffen. Der Garantiezins ist Teil der Verzinsung von Lebensversicherungen, die insgesamt seit geraumer Zeit sinkt. Er soll verhindern, dass sich Assekuranzen mit Garantieversprechen übernehmen. Sie dürfen Neukunden weniger, aber nicht mehr bieten.

Riester-Rente am Ende?

"Wenn der Höchstrechnungszins abgesenkt wird und gleichzeitig die 100-Prozent-Beitragsgarantie erhalten bleibt, gibt es ab 2022 große Probleme, die zu einer Defacto-Beerdigung der Riester-Rente führen würden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen am Mittwoch. Notwendig sei wenigstens eine Teilreform noch in dieser Legislaturperiode. Der Verband fordert seit längerem eine Senkung der Beitragsgarantie auf 80 Prozent.

Aus Sicht von Verbraucherschützerin Dorothea Mohn macht die geplante Verringerung des Garantiezinses "nochmal deutlich, wie wenig Versicherungen für die private Altersvorsorge geeignet sind." Eine Senkung der Beitragserhaltungsgarantie bei der Riester-Rente lehnt Mohn ab. "Damit würden Verbraucher doppelt verlieren", sagte die Leiterin des Finanzmarktteams beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). "Wenn der Höchstrechnungszins sinkt, dann müssten die Anbieter der Produkte ihre Kosten senken. Dazu sind sie aber nicht bereit."

Nach Einschätzung der Versicherungsmathematiker der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) werden sich ohne Reform die meisten Unternehmen allerdings aus dem Geschäft zurückziehen müssen. "Bereits heute bieten die Banken keine Riesterprodukte mehr an, die Fondsgesellschaften steigen zunehmend aus, und laut Daten der Ratingagentur Assekurata bieten auch bereits 40 Prozent der Lebensversicherer keine Riester-Rente mehr an", sagte DAV-Vorstandsvorsitzender Guido Bader.

Zentralbanken haben die Zins-Schmelze ausgelöst

Angesichts der von den Zentralbanken seit 2008 zu verantwortenden Zinsflaute fällt es Versicherern immer schwerer, die hohen Zusagen der Vergangenheit am Kapitalmarkt zu erwirtschaften. Viele Assekuranzen bieten im Neugeschäft keine Verträge mit klassischem Garantiezins an.

Denn für Besitzer mit lukrativen Altverträgen ändert sich in diesem Punkt nichts, dort gibt es weiterhin bis zu 4 Prozent. Die Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil nach Abzug von Abschluss- und Verwaltungskosten sowie dem Beitrag für einen Todesfallschutz.

Erste Assekuranzen haben sich inzwischen von der vollständigen Garantie der eingezahlten Beiträge verabschiedet. Seit Anfang 2021 gilt bei Neuverträgen teilweise eine Garantie von weniger als 100 Prozent. Es gibt sie nur noch dort, wo sie bislang gesetzlich vorgeschrieben oder vertraglich vereinbart ist: bei der Riester-Rente und der betrieblichen Altersversorgung.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Panorama
Panorama Deutschlandticket: Preis könnte 2026 von einst 9 auf 64 Euro klettern
16.09.2025

Die Finanzierung des Deutschlandtickets sorgt weiterhin für Spannungen zwischen Bund und Ländern. Hinter den Kulissen wird um einen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Die Lage ist ernst“ – Maschinenbau fordert Taten von Merz
16.09.2025

Der deutsche Maschinenbau, eine Schlüsselbranche mit rund einer Million Beschäftigten, steckt in einer tiefen Krise: Schwache Konjunktur,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stimmung hellt sich auf – Hoffnung für Autobranche und Chemie
16.09.2025

Nach langer Durststrecke gibt es wieder positive Signale für die deutsche Wirtschaft. Das ZEW-Konjunkturbarometer zeigt einen deutlichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Gasspeicher über Zielmarke von 70 Prozent hinaus gefüllt- Winter-Risiken bestehen
16.09.2025

Die deutschen Erdgasspeicher sind derzeit zu rund 75 Prozent gefüllt und haben damit das für den 1. November festgelegte Ziel von 70...

DWN
Politik
Politik Taiwan veröffentlicht neuen Zivilschutzleitfaden für möglichen China-Angriff
16.09.2025

Taiwan hat ein aktualisiertes Handbuch zum Zivilschutz vorgestellt, das die Bevölkerung auf einen möglichen militärischen Angriff Chinas...

DWN
Politik
Politik Nord-Stream-Anschläge: Italien erlaubt Auslieferung von Ukrainer nach Deutschland
16.09.2025

Drei Jahre nach den Explosionen an den Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee rückt ein Gerichtsverfahren in Deutschland näher. Ein...

DWN
Finanzen
Finanzen EU-Kommission billigt deutsche Haushaltsstrategie trotz hoher Neuverschuldung
16.09.2025

Die Europäische Kommission hat den von der Bundesregierung geplanten Schuldenkurs bis 2031 gebilligt. Trotz geplanter Milliardenkredite...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietrecht in Deutschland: Expertenkommission nimmt Arbeit auf
16.09.2025

Im Bundesjustizministerium hat eine neue Expertenkommission zum Mietrecht ihre Arbeit begonnen. Nach Angaben des Ministeriums soll das...