Deutschland

Krisen-Vorbereitung: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wird grundlegend umgebaut

Die Bundesregierung hat einen weitreichenden Umbau des Bundesamtes beschlossen, um besser auf extreme Notsituationen vorbereitet zu sein.
02.04.2021 11:09
Lesezeit: 3 min
Krisen-Vorbereitung: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wird grundlegend umgebaut
Christoph Unger, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), steht am 03.10.2016 in Oberried (Baden-Württemberg) im Barbarastollen. Der Stollen im Berg Schauinsland dient der Bundesrepublik seit 1975 als zentrales Langzeitarchiv. (Foto: dpa) Foto: Patrick Seeger

Der Kommandeur der Corona-Amtshilfe der Bundeswehr, Generalleutnant Martin Schelleis, begrüßt die Pläne für eine Stärkung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Aus der Corona-Pandemie müssten umfangreich Lehren gezogen werden, fordert Schelleis, Inspekteur der sogenannten Streitkräftebasis und damit Nationaler Territorialer Befehlshaber, am Dienstag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.

Schelleis plädierte dafür, dabei nicht nur auf den Gesundheitsschutz zu schauen, sondern auch andere Gefahren wie einen großflächigen Cyberangriff auf die deutsche Infrastruktur in den Blick zu nehmen. Dann drohten katastrophale Zustände, bei denen viele Akteure des zivilen Krisenmanagements schnell zusammenarbeiten müssten. „Darauf müssen wir uns vorbereiten“, sagte Schelleis. Das in Bonn ansässige Bundesamt könne dann auch „operativer Stab“ sein. Ein leistungsfähiger, ziviler Pfeiler stärke auch die Gesamtverteidigung.

In der Corona-Pandemie sind nach seinen Worten weiterhin 25 000 Männer und Frauen der Bundeswehr in Bereitschaft. In der Spitze seien 20 000 Soldaten unmittelbar in Einsätzen gebunden, vor allem bei der Kontaktnachverfolgung in den Gesundheitsämtern. Derzeit sind vor Alten- und Pflegeheimen noch 2100 Männer und Frauen der Bundeswehr für Schnelltests eingesetzt. Dies zeigt, dass es Ländern und Kommunen offenkundig nicht gelungen ist, diese Aufgaben bis zum Beginn der Osterfeiertage vollständig an zivile Helfer zu übergeben. In der Bundeswehr ruhen derweil zahlreiche Ausbildungsvorhaben für die Kernaufgabe der Streitkräfte.

In seiner Bilanz der vor einem Jahr begonnenen und weiter laufenden Amtshilfeeinsätze sagte Schelleis, es seien bisher 6157 auf Corona bezogene Amtshilfeanträge gestellt worden. Davon seien 88 Prozent gebilligt worden. Die Soldaten hätten „beispielhafte Arbeitsmoral“ bewiesen und große Sympathien gewonnen. Zumindest derzeit sei keine andere Organisation in der Lage, dauerhaft Hilfe in diesem Umfang zu leisten.

BBK wird neu ausgerichtet

Damit Deutschland auf Dürren, Cyberangriffe und Gesundheitskrisen wie die Corona-Pandemie künftig besser vorbereitet ist, soll das BBK mehr Aufgaben übernehmen. Ziel sei es, die Länder und das Bundesgesundheitsministerium beim Krisenmanagement stärker zu unterstützen, sagte Behördenchef Armin Schuster am Mittwoch bei der Vorstellung eines Konzepts für die Neuausrichtung der Bonner Behörde.

Innenminister Horst Seehofer (CSU), der Schuster im Herbst zum Präsidenten des Bundesamts gemacht hatte, betonte in Berlin, die Erneuerung solle „innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens“ ablaufen. Mit anderen Worten: was Kritiker in der Corona-Krise als „Verantwortungswirrwarr“ zwischen Bund, Ländern und Kommunen bezeichnet haben, soll auch mit Blick auf künftige Krisen nicht angetastet werden.

„Wir wollen den Ländern nicht ins Handwerk pfuschen“, sagte Seehofer. Er strebe keine Grundgesetzänderung an, mit dem Ziel Zuständigkeiten neu zu regeln. Schuster schloss das perspektivisch nicht ganz so kategorisch aus - auch wenn er jetzt erst einmal praktische Fortschritte erzielen will, etwa bei der Trinkwasser-Sicherheit und beim Not-Strom.

Auch in diesen Bereichen will er jetzt voran kommen:

Ein BUNDESWEITES MONITORING für nationale Reserven soll geschaffen werden. Das heißt zum Beispiel, dass die Bundesregierung künftig wissen soll, wie viele Schutzanzüge, Masken oder als Notreserve gelagerte Nahrungsmittel bundesweit vorhanden sind. Das gilt ebenso für Strom und Erdöl. Diese Kontrolle auf nationaler Ebene gibt es bislang nicht, da größtenteils die Länder zuständig sind.

Auch als Konsequenz aus dem misslungenen WARNTAG im vergangenen Jahr, wird das Bundesamt die Länder mit einem Förderprogramm motivieren, wieder mehr Sirenen zu installieren. Dafür gibt der Bund 88 Millionen Euro. Die „gute alte Sirene“ sei eine wichtige Ergänzung zur Warnung vor Katastrophen per App oder Radio, sagte Schuster. „Wir müssen besser werden beim Warnen in der Hosentasche und auch auf dem Dach“, sagte der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete.

Ein GEMEINSAMES KOMPETENZZENTRUM BEVÖLKERUNGSSCHUTZ soll entstehen. Die Bundesbehörden sollen unter Beteiligung der Hilfsorganisationen hier sofort mit der Arbeit beginnen. In einem zweiten Schritt wird dann den Ländern ein Angebot zur Mitwirkung unterbreitet. „Diese übergreifende Kooperation und Kommunikation ist erforderlich, um silohafte Strukturen in unseren Zuständigkeiten zu überwinden und in komplexen Lagen den erforderlichen Austausch zu gewährleisten“, heißt es im Konzept.

Die AKADEMIE FÜR KRISENMANAGEMENT, NOTFALLPLANUNG UND ZIVILSCHUTZ des Bundesamts wird ihr Angebot ausweiten. In der Behörde, die im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler angesiedelt ist, werden Politiker und Führungskräfte für Aufgaben im Bevölkerungsschutz geschult. Seehofer plant den Aufbau eines zweiten Akademie-Standorts im Osten Deutschlands.

Aus Sicht der SPD kommt das neue Konzept zu spät. „Es bleibt unverständlich, warum das Bundesamt nicht umfassender in die Pandemiebekämpfung eingebunden wurde“, sagte der SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann. Die Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Andrea Lindholz (CSU), plädierte ebenfalls für weitreichendere Reformen.

„Die aktuellen Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern sind zu zäh, um der Dynamik dieser Pandemie gerecht zu werden“, kritisierte Lindholz. „Niemand hat Verständnis für föderales Kompetenzgerangel in einer Krise.“ Mit Blick auf die Runden von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Regierungschefs der Länder, sagte Lindholz: „Die Ministerpräsidentenkonferenz ist zu schwerfällig und taugt nicht als Dauerkrisenstab.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Euro-Kurs wird zur Gefahr: Europas Exporte brechen ein
06.07.2025

Ein starker Euro, schwaches Wachstum, neue US-Zölle – Europas Wirtschaft gerät unter Druck. Die EZB warnt, doch die Lage droht zu...

DWN
Politik
Politik Neuregelung der Vaterschaft: Mehr Rechte für leibliche Väter
06.07.2025

Die Bundesregierung plant eine Reform, die leiblichen Vätern zu mehr rechtlicher Anerkennung verhelfen soll. Der Entwurf aus dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungstausch: Wie Sie Ihre Ferienwohnung herzaubern und worauf Sie achten müssen
06.07.2025

Der Wohnungstausch boomt – günstig, persönlich und spannend. Doch wie funktioniert das Ganze wirklich, und worauf muss man achten,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jungmakler mit TikTok: Wie eine Generation den Versicherungsmarkt neu denkt
06.07.2025

TikTok-Reichweite, neue Rollenbilder, klare Erwartungen: Junge Makler treiben die Disruption im unabhängigen Versicherungsvertrieb voran....

DWN
Technologie
Technologie Wäschetrockner: Neues Energie-Label einfach erklärt
06.07.2025

Seit dem 1. Juli gelten für Wäschetrockner strengere Energiekennzeichnungen. Verbraucher sollen Geräte nun besser vergleichen können....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Praktika und Probearbeiten: Rechte, Pflichten und Fallstricke für Berufseinsteiger
06.07.2025

Viele Praktikanten kennen ihre Rechte nicht – und riskieren, ausgenutzt zu werden. Was wirklich erlaubt ist, wann Praktika bezahlt werden...

DWN
Technologie
Technologie Lithium: Schlüssel zur technologischen Unabhängigkeit – doch der Rohstoff ist knapp
06.07.2025

Lithium ist der Treibstoff moderner Technologien – von E-Autos bis Energiewende. Doch was passiert, wenn die Nachfrage explodiert und das...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...