Finanzen

Schneller an die Börse: Der Boom bei „Spacs“ und seine Risiken

Das Geschäft mit sogenannten „Spacs“ boomt, auch in Deutschland tritt das Phänomen verstärkt in Erscheinung. Nun hat sich die amerikanische Finanzaufsicht eingeschaltet.
02.04.2021 13:35
Lesezeit: 3 min
Schneller an die Börse: Der Boom bei „Spacs“ und seine Risiken
Eine Anzeige an einer Börse. (Foto: dpa) Foto: Amphol Thongmueangluang

Die US-Finanzaufsicht SEC nimmt Insidern zufolge das boomende Geschäft mit Börsengängen über sogenannte Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) genauer unter die Lupe. Dazu sammele sie Informationen zu Gebühren, Transaktionsvolumina und Risiko-Kontrollen, sagten vier mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters in der vergangenen Woche. In den vergangenen Tagen habe sie mehrere Wall Street-Banken angeschrieben.

Es handele sich aber nicht um formelle Untersuchungen, sagten die Insider weiter. Den Adressaten stehe es frei, auf den Frage-Katalog zu antworten. Absender sei allerdings die Untersuchungsabteilung der SEC, was auf mögliche formelle Ermittlungen in der Zukunft hindeute. Die Behörde wollte sich nicht zu diesem Thema äußern.

Wie Spacs funktionieren

Spacs sind börsennotierte Unternehmen, die zunächst kein eigenes Geschäft haben. Ihr Ziel ist es, ein anderes Unternehmen durch eine Fusion an die Börse zu bringen. Da die Investoren in ein SPAC zunächst nicht wissen, welches Unternehmen übernommen wird, werden SPACs auch "Blankoscheck-Firmen" genannt. Hinter ihnen stehen oft bekannte Manager, Banker oder Investoren. Den Übernahmezielen bietet diese Konstruktion den Vorteil, mit weniger regulatorischem Aufwand an eine Börsennotiz zu kommen.

Für den Kleinanleger sind die Börsenhüllen eine undurchsichtige Angelegenheit: Anders als bei Aktien kann er den angemessenen Wert nicht am Unternehmensgewinn festmachen. Er wettet also auf den Erfolg des Investors. "Bei einem Spac vertrauen Investoren auf die Reputation und die Erfahrung des Vorstandes in der Hoffnung, ein möglichst profitables Unternehmen zu finden", sagt Christian Andres, Professor für Corporate Finance an der Privathochschule WHU.

Eben dieser Wett-Charakter bringt den einen oder anderen Teilnehmer am Kapitalmarkt dazu, Spacs als kurzlebigen Hype abzutun - angetrieben von der Tatsache, dass bei historischen Niedrigzinsen immer mehr Geld in Sachwerte fließt. Bestätigt sehen sie sich durch Fälle wie den umstrittenen E-Lastwagen-Hersteller Nikola. Das Spac des früheren General-Motors-Managers Steve Girsky hatte das Unternehmen mit viel Getöse übernommen. Nach einem kurzen Höhenflug ist der Börsenwert zuletzt inmitten von Betrugsvorwürfen implodiert.

Doch nicht alles an Spacs ist schlecht, betont Finanzprofessor Andres: Weil der Börsenmantel bereits notiert ist, können die zu übernehmenden Firmen deutlich schneller an die Börse als auf dem traditionellen Weg. Der ist deutlich günstiger, da Investmentbanken nicht als zwischengeschaltete Dritte die Transaktion überwachen und eine Provision kassieren. "Spacs sind ein Angriff auf den Middle Man, die Banken an der Wall Street", sagt er.

"Für den Anleger ist ein Spac die Gelegenheit, über Aktien in Unternehmen zu investieren, die bislang nicht an der Börse notiert sind", sagt Rick van Aerssen, der für die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer Mandanten am Kapitalmarkt berät. "Der Erfolg hängt stark von der Bilanz des Investmentmanagers ab." Günstig für die Anleger ist aus van Aerssens Sicht, dass die Köpfe hinter dem Spac vor allem dann Geld verdienen, wenn sie das Kapital ihrer Investoren auch vermehren.

Für einen Spac-Boom in Deutschland sieht Finanzprofessor Andres aber keine Chance: Zum einen sei schon die Zahl ganz normaler Börsengänge überschaubar. Zum anderen liegen die Provisionen, die Banken bei einem Börsengang nehmen, in Deutschland deutlich niedriger als in den USA. Anwalt van Aerssen hält Spacs für "ein Werkzeug im Werkzeugkasten” neben traditionellen Börsengängen, Private Equity und Wagniskapital. Wie sich das Thema in Deutschland und Europa entwickelt, hängt seiner Ansicht nach davon ab, wie erfolgreich die ersten Spacs beim Investieren sind.

Unterdessen sollten Privatanleger aus Sicht des Verbraucherportals Finanztip Abstand von Spacs nehmen: "Schon bei der Aktie eines 'normalen' Unternehmens kann aus Sicht eines Kleinanlegers einiges schiefgehen, das gilt erst recht für Spacs", warnt der Finanztip-Geldanlagen-Experte Hendrik Buhrs. "Man kann sich die sprichwörtliche Katze im Sack einhandeln." Kleinanlegern, die langfristig mit wenig Aufwand investieren wollen, rät er stattdessen zu breit gestreuten Fonds: Darin sollten viele Hundert Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern und Branchen sein, um so kurzfristige Kursverluste abfedern zu können.

Spacs in Deutschland

Nach Angaben der Deutschen Börse war mit Helikos im Februar 2010 der erste deutsche Spac an den Start gegangen. Ein Jahr später übernahm das Finanzvehikel dann die Exceet Group. Doch nach der Fusionsankündigung im Mitte Juli 2011 mit einem Aktienpreis von mehr als 10 Euro entwickelte sich die Aktie alles andere als gut. Heute ist eine Aktie von der Exceet Gruppe gerade mal noch etwas mehr als vier Euro wert.

Jetzt tritt das Modell wieder auf die Bildfläche. So kündigte der ehemalige Commerzbank-Chef Martin Blessing an, mit einem Spac an der Börse in Amsterdam bis zu 415 Millionen Euro einsammeln zu wollen. Auch der Ex-Unicredit-Chef Jean Pierre Mustier arbeitet an einem Spac. Startup-Investor Klaus Hommels ist da einen Schritt weiter und hat für seinen Lakestar-Spac mehr als 275 Millionen Euro eingesammelt. Damit brachte er den ersten Börsenmantel seit mehr als zehn Jahren an eine deutsche Börse, wenn auch bislang ohne Ziel.

Sie alle bringen ein Phänomen wieder nach Deutschland und Europa, das in den USA derzeit Hochkonjunktur hat: Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge gingen dort im letzten Jahr 230 Spacs an die Börse - fast fünf Mal so viele wie 2019. Weltweit waren es laut Zahlen der Kanzlei Freshfields gerade einmal zehn mehr.

Zum Jahresstart 2021 zog das Geschäft nochmals an. Bis Mitte März gab es dem Finanzdaten-Anbieters Pitchbook Data zufolge weltweit Spac-Deals mit einem Gesamtvolumen von 74,6 Milliarden US-Dollar. Das ist binnen weniger als drei Monaten fast so viel wie 2020 insgesamt und rund sechs mal so viel wie 2019.

Der Universität Stanford zufolge wurden seit Jahresbeginn acht Klagen im Zusammenhang mit SPAC-Deals eingereicht. Dabei werfen die Kläger den Blankoscheck-Firmen und ihren Förderern, die bei erfolgreichen Zusammenschlüssen üppige Honorare einstreichen, unter anderem vor, Schwächen der Übernahmeziele verheimlicht zu haben.

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