Politik

Meerengen-Vertrag: Zwischen der Türkei und Russland wird es gewaltig krachen

Die Türkei will sich im Sinne der NATO künftig offenbar nicht mehr an den Meerengen-Vertrag von Montreux aus dem Jahr 1936 halten. Russland hatte die Türkei mehrmals gewarnt. Unklar bleibt, ob die Türkei Russland wie im Bergkarabach-Konflikt und in Libyen in die Schranken weisen kann.
04.04.2021 20:16
Aktualisiert: 04.04.2021 20:16
Lesezeit: 2 min
Meerengen-Vertrag: Zwischen der Türkei und Russland wird es gewaltig krachen
17.09.2018, Russland, Sotschi: Wladimir Putin (r), Präsident von Russland, und Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, geben sich die Hand nach ihrer gemeinsamen Pressekonferenz. (Foto: dpa) Foto: Alexander Zemlianichenko

Die US-Marine hat zusammen mit den NATO-Partnern die maritime Präsenz im Schwarzen Meer dramatisch ausgebaut. Dabei spielt die Türkei eine Schlüsselrolle, doch Russland protestiert gegen den Plan. Die NATO verfolgt die Idee, eine eigene Schwarzmeer-Flotte zu errichten. Dem steht allerdings der immer noch geltende Vertrag von Montreux aus dem Jahr 1936 entgegen: Kriegsschiffe, die nicht von einem Anrainer-Land kommen, dürfen sich maximal 21 Tage im Schwarzen Meer aufhalten. „Der Vertrag besteht aus 29 Artikeln, vier Anhängen und einem Protokoll. Die Artikel 2 bis 6 regeln den zivilen Schiffsverkehr, die Artikel 7 bis 22 den Verkehr von Kriegsschiffen. Die Meerengen gelten als internationale Gewässer, gemäß Artikel 2 genießen Handelsschiffe, unbesehen ihrer Ladung oder Flagge, während Friedenszeiten die freie Durchfahrt. Die türkischen Behörden können nur sanitäre oder Sicherheitskontrollen durchführen und Gebühren erheben, aber nicht die Passage verbieten. In Kriegszeiten dürfen alle Handelsschiffe der Staaten passieren, die nicht mit der Türkei im Krieg stehen, dürfen aber einem Feind der Türkei keine Hilfe leisten. Für Kriegsschiffe gelten besondere Regeln. In Friedenszeiten muss die Durchfahrt eines Kriegsschiffes der Türkei auf diplomatischem Wege vorher mitgeteilt werden, in der Regel acht Tage zuvor. Kriegsschiffe von Staaten, die nicht zu den Anrainern des Schwarzen Meeres gehören, dürfen sich nicht länger als 21 Tage im Schwarzen Meer aufhalten. Außerdem gibt es Beschränkungen der Tonnage von Kriegsschiffen. Nicht mehr als 15.000 Tonnen dürfen gleichzeitig durch die Meerengen fahren. Befindet sich die Türkei in einem Krieg, so stellt das Abkommen die Durchfahrt von Kriegsschiffen völlig in das Ermessen der türkischen Regierung“, so „Decacademic.com“.

Die „Jamestown Foundation“ führte am 9. Februar 2021 aus: „Zwei Entwicklungen haben die Besorgnis Moskaus über Montreux in den letzten Monaten verschärft (…) Einerseits möchte Ankara einen Kanal bauen, der es Schiffen ermöglicht, zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer zu fahren, ohne den Bosporus zu durchqueren. Ein solcher Kanal könnte Montreux schädigen (…), obwohl russische Beamte darauf bestanden haben, dass die Beschränkungen von Montreux auch für Schiffe gelten würden, die den Istanbuler Kanal benutzen. Andererseits strebt Ankara eine dramatische Expansion seiner Marine an. Die Türkei hat bereits die zweitgrößte Armee in der NATO; und es will eindeutig auch eine große Flotte haben, eine mit einem Flugzeugträger in voller Größe – es wird derzeit eine kleine gebaut. Dies würde es dem Land ermöglichen, nicht nur im östlichen Mittelmeerraum, sondern auch im Schwarzen Meer mehr Macht zu projizieren.“

Im Jahr 2016 teilte die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass mit: „Admiral Vladimir Komoyedov, der Leiter des Verteidigungsausschusses der russischen Staatsduma, riet dem türkischen Präsidenten, die Montreux-Konvention von 1936 über das Regime der Meerenge genauer zu studieren. ,Heute, wenn die Schwarzmeerflotte den 233. Jahrestag ihrer Gründung feiert, möchte ich Herrn Erdoğan daran erinnern, dass das Schwarze Meer zu Beginn der christlichen Ära Euxeinos Pontos hieß. Es wurde im IX. Jahrhundert zum russischen Meer und blieb praktisch bis zum Jahr 1991 als solches erhalten“, sagte Komoyedov am Freitag gegenüber Journalisten. Was das [russische] Meer betrifft, so rate ich Herrn Erdoğan, die Montreux-Konvention genauer zu lesen. Sie gibt ihm nicht das Recht, die Durchfahrt von Schiffen zu verbieten. Die Kriegsschiffe der Schwarzmeerstaaten benachrichtigen die Türkei über ihre Überfahrt.“

In der Vergangenheit hatte es immer wieder Verwirrungen gegeben. So zogen im Jahr 2008 NATO-Schiffe durch den Bosporus. Der damalige stellvertretende Militärchef Anatoly Nogovitsyn sagte damals, der Einzug der NATO-Kriegsschiffe ins Schwarzen Meer sei eine „ernsthafte Bedrohung für unsere Sicherheit“. Er sagte im Rahmen der Montreux-Konvention, die 1936 über den Status der türkischen Straße unterzeichnet wurde, dass die Kriegsschiffe nur über 21 Tage lang im Schwarzen Meer bleiben dürfen. „Wenn die NATO-Schiffe nach Ablauf von 21 Tagen weiterhin im Schwarzen Meer bleiben, möchte ich Sie daran erinnern, dass die Türkei verantwortlich wäre“, fügte er hinzu.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Peter Vesterbacka: Wenn Deutschland wie Estland wäre, hätte es 600 Einhörner
25.10.2025

Europa gilt zunehmend als unentschlossen, überreguliert und kraftlos – Begriffe, die sich in den vergangenen Jahren eingebürgert haben,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ausbildungsmarkt: Ausländische Azubis stützen Hotels und Gaststätten
25.10.2025

Das Hotel- und Gastgewerbe setzt bei der Nachwuchssicherung stark auf internationale Auszubildende. Doch fehlende Deutschkenntnisse bleiben...

DWN
Finanzen
Finanzen Seltene Erden als Investmentchance: Wie Anleger vom Rohstoffboom profitieren
25.10.2025

Seltene Erden sind das stille Rückgrat moderner Technologien – von E-Autos bis Windkraft. Ihre strategische Bedeutung wächst, weil...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Revolut Bank: Wie ein britisches Fintech Europas Bankenaltbau ins Wanken bringt
25.10.2025

Die Revolut Bank stellt das gesamte europäische Bankensystem infrage: Mit 75 Milliarden Dollar Bewertung, aggressiver Expansion und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Autoteilehandel 2.0: Wie Ovoko das Geschäft mit gebrauchten Teilen revolutioniert
25.10.2025

Aus einer simplen Excel-Tabelle entsteht ein europaweites Erfolgsunternehmen: Ovoko verändert den Handel mit gebrauchten Autoteilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Vom Großraumbüro zur Kokospalme: Wie eine Litauerin Londons Karrierefalle entkam – und auswanderte
25.10.2025

Dominyka Mikšėnaitė hatte alles – Karriere, Gehalt, Aufstiegschancen in London. Doch sie kündigte, verließ das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Aktien: Wie Energieversorger zum stillen Profiteur des Tech-Booms werden
25.10.2025

Der Boom der künstlichen Intelligenz treibt den globalen Stromverbrauch auf Rekordniveau. Milliarden fließen in Rechenzentren, Netze und...

DWN
Politik
Politik Hinweise von Meldestelle "Hetze in Netz": Durchsuchung bei „Welt“-Kolumnist Norbert Bolz nach X-Post
24.10.2025

Für den Autor Professor Norbert Bolz ist es Ironie, die Staatsanwaltschaft sieht in dem Post eine strafbare Aussage gegen den renommierten...