Politik

EU-Arzneimittelbehörde kann keine „eindeutigen Risikofaktoren“ beim AstraZeneca-Impfstoff identifizieren

Die Europäische Arzneimittelbehörde steht im Kampf gegen die Corona-Pandemie weiter hinter dem Impfstoff von AstraZeneca.
07.04.2021 23:15
Aktualisiert: 07.04.2021 23:15
Lesezeit: 2 min
EU-Arzneimittelbehörde kann keine „eindeutigen Risikofaktoren“ beim AstraZeneca-Impfstoff identifizieren
Eine Krankenschwester injiziert den AstraZeneca-Impfstoff bei einem Patienten in der «Covid Express»-Impfstelle am Krankenhaus Son Dureta. (Foto: dpa) Foto: Clara Margais

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) steht im Kampf gegen die Corona-Pandemie weiter hinter dem Impfstoff von AstraZeneca, meldet Reuters. Es sei zwar ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Wirkstoff und sehr seltenen Thrombose-Fällen festgestellt worden, teilte die EMA am Mittwoch mit. Es gebe insgesamt aber weiter mehr Nutzen als Risiko beim Einsatz des Mittels. Eindeutige Risikofaktoren hätten bisher nicht identifiziert werden können. Deshalb schränke die EMA den Einsatz des Mittels nicht ein. Die EU-Gesundheitsminister konnten sich bei einer virtuellen Sondersitzung nicht auf eine gemeinsame Empfehlung einigen. Damit herrschen in den Mitgliedsstaaten weiter unterschiedliche Vorgaben. Die aktuelle Direktorin der EMA, die für die Impfstoffzulassung verantwortlich ist, war zuvor für den europäischen Dachverband der Pharmalobby tätig. Zu den Mitgliedern des Dachverbands gehören unter anderem AstraZeneca und Johnson & Johnson (HIER).

Bis zum 4. April seien in der EU 169 Fälle von seltenen Gehirn-Thrombosen bei 34 Millionen verabreichten Impfdosen gemeldet worden, sagte Sabine Straus, Vorsitzende des zuständigen EMA-Ausschusses für Risikobewertung. Die gemeldeten Blutgerinnsel seien vor allem bei Frauen im Alter von unter 60 Jahren binnen zwei Wochen nach der Impfung aufgetreten, so die EMA. Alter und Geschlecht hätten aber dennoch nicht als eindeutige Risikofaktoren ermittelt werden können.

Das AstraZeneca-Mittel sei ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die Pandemie, betonte EMA-Chefin Emer Cooke. Das Risiko, an Covid-19 zu sterben, sei deutlich höher als das Risiko, an den seltenen Nebenwirkungen zu sterben. Die EMA forderte zugleich zu umfassenden Abklärungen auf, sollten Geimpfte verdächtige Symptome zeigen. Die Gerinnsel seien ein sehr seltener Nebeneffekt des AstraZeneca-Impfstoffs, der in den Beipackzetteln des Medikaments vermerkt werden solle. Dies solle auch in die Entscheidung über den weiteren Einsatz in einzelnen Ländern einfließen.

KEINE EINHEITLICHE LINIE IN DER EU

Die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft hatte in der Einladung zum Treffen der Gesundheitsminister eine einheitliche Linie angemahnt. "Eine Harmonisierung auf EU-Ebene wird von wesentlicher Bedeutung sein, um die Verbreitung von Falschinformationen zu stoppen", hieß es in dem Dokument. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte den Ministern ihren Rede-Notizen zufolge, ein koordiniertes Vorgehen "verwirre die Bürger nicht und leiste auch nicht einer Impf-Scheu Vorschub". Aus EU-Kreisen verlautete nach dem Treffen, das Thema werde bei zukünftigen Gesprächen wieder aufgegriffen. Damit blieben in der EU verschiedene Altersgrenzen gültig: In Frankreich etwa ab 55 Jahren, in Deutschland ab 60, in Finnland ab 65. Andere Mitgliedsstaaten haben keine Grenze festgelegt.

In früheren EU-Land Großbritannien sollen dagegen unter 30-Jährige nicht mehr mit dem Mittel geimpft werden, wie der Gemeinsame Impfausschuss (JCVI) bekanntgab. Im Königreich ist die Impfkampagne stark auf das von der Universität Oxford entwickelte AstraZeneca-Mittel ausgerichtet. Neben dem Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns nutzt Großbritannien die Vakzine von Pfizer/Biontech und Moderna.

Das AstraZeneca-Mittel ist der billigste Corona-Impfstoff auf dem Markt und zahlreiche Länder sind für ihre Impfkampagnen auf das Mittel angewiesen. Wissenschaftler verfolgen mehrere Theorien, wie es nach Verabreichung des Mittels zu den Gerinnseln kommen kann. So wird auch einer möglichen Verbindung zur Einnahme der Anti-Baby-Pille nachgegangen. Experten betonen, dass Covid-19 selbst Thrombosen auslösen kann, wie auch viele weit verbreitete Medikamente, darunter die Anti-Baby-Pille.

AstraZeneca hatte immer wieder erklärt, Studien hätten keine erhöhte Thrombose-Gefahr gezeigt. Der Konzern hat unter anderem wegen Lieferengpässen wiederholt für Aufregung gesorgt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Open Source: Warum Gemeinschaftsprojekte die Basis für Innovation bilden

Was einst als Nischenphänomen engagierter Entwickler begann, ist heute ein globales Innovationsökosystem, das von Freiwilligen,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen SAP wird vorsichtiger bei Cloudgeschäft - Aktie hin‑ und hergerissen
23.10.2025

Der Softwarekonzern steigert den Gewinn kräftig, doch für das wichtige Cloudgeschäft wird das Dax-Schwergewicht etwas zurückhaltender....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Einstieg in die Rüstungsindustrie: Laserspezialist Trumpf entwickelt System zur Drohnenabwehr
23.10.2025

Nach einem Rückgang von Umsatz und Gewinn will der Laser-Spezialist wieder wachsen – und hofft auf die Verteidigungsindustrie: Zusammen...

DWN
Politik
Politik Feldmarschall und Trump einig: Die Ukraine kann den Krieg nicht gewinnen
23.10.2025

Die diplomatischen Fronten im Ukraine-Krieg verschieben sich. Während Präsident Wolodymyr Selenskyj in Europa erneut um Unterstützung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt: Wo in Deutschland mehr und wo weniger Menschen arbeiten
23.10.2025

Die Zahl der Erwerbstätigen steigt allen Krisen zum Trotz – doch nicht überall in Deutschland geht es nach oben. Blickt man weiter...

DWN
Technologie
Technologie Forscher enthüllt: Neue Perowskit-Solarzellen liefern 30 % mehr Energie als Silizium
23.10.2025

Perowskit-Solarzellen gelten als der nächste große Sprung in der Photovoltaik. Der slowenische Forscher Marko Jošt erklärt, warum sie...

DWN
Technologie
Technologie KI im Fokus: Wie Künstliche Intelligenz das Gesundheitswesen günstiger machen könnte
22.10.2025

Künstliche Intelligenz verändert das Gesundheitswesen und könnte Diagnosen schneller und kostengünstiger machen. Besonders in der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrie: Was hinter dem Misstrauen gegenüber der Merz-Regierung steckt
22.10.2025

Die deutsche Industrie steht vor einem Nervenzusammenbruch: Energiepreise, Bürokratie und globale Konkurrenz rauben ihr die Perspektive....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktienmarkt: Warum die nächste Rekordrally näher ist als der Crash
22.10.2025

Nach den Kursstürzen an den Börsen herrscht Unruhe, doch die Panik bleibt aus. Während regionale US-Banken wanken und Investoren über...