Finanzen

Banken sprechen von "Verwahrentgelt": In Wahrheit handelt es sich um Strafzinsen

Immer mehr deutsche Banken und Sparkassen berechnen ihren Kunden Strafzinsen.
10.04.2021 17:35
Aktualisiert: 10.04.2021 17:35
Lesezeit: 2 min
Banken sprechen von "Verwahrentgelt": In Wahrheit handelt es sich um Strafzinsen
Strafzinsen sind eine ernste Angelegenheit. Doch im Zusammenhang mit Banken kommt es auch zu kuriosen Vorfällen. Dieser Hamburger hatte schon etliche Jahre im Gefängnis gesessen, bevor er mit 70 noch einmal zum Bankräuber wurde, wobei er nach vollendeter Tat mit dem Fahrrad floh. (Foto: dpa) Foto: Daniel Bockwoldt

In der Corona-Pandemie legen viele Bürger Geld auf die hohe Kante, doch immer häufiger werden größere Summen zum Minusgeschäft. Inzwischen verlangen deutschlandweit rund 300 Banken und Sparkassen vor allem für Tagesgeld ein sogenanntes Verwahrentgelt von meist 0,5 Prozent. Allein in den ersten 100 Tagen des laufenden Jahres führten demnach mehr als 100 Geldhäuser Strafzinsen ein.

"Aktuell kommen nahezu täglich weitere Banken hinzu", sagt der Geschäftsführer der „Verivox Finanzvergleich“, Oliver Maier. Nach seiner Einschätzung hat Corona den Trend beschleunigt: "In der Pandemie legen viele Verbraucher ihr Geld lieber aufs Konto, statt es auszugeben. Für Banken ist das ein Problem, denn sie zahlen selbst Strafzinsen auf überschüssige Einlagen. Je mehr Spargelder sie annehmen müssen, desto größer wird der Druck auf die Kreditinstitute, diese Kosten an ihre Kunden weiterzugeben."

Die Sparquote in Deutschland war im vergangenem Jahr auf das Rekordhoch von 16,3 Prozent gestiegen. Von 100 Euro verfügbarem Einkommen legten die Haushalte somit im Schnitt mehr als 16 Euro auf die hohe Kante – also fast ein Sechstel ihres Einkommens.

Geschäftsbanken müssen aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Auch wenn es inzwischen Freibeträge für bestimmte Summen gibt, bleibt dies für die Branche eine Milliardenbelastung. Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser ganz oder teilweise weiter und berechnen ihren Kunden Negativzinsen.

Lange Zeit verlangten Banken vor allem bei großen Summen ab 100.000 Euro Strafzinsen. Inzwischen erheben mindestens 95 Institute Negativzinsen schon ab einem Gesamtguthaben von 50.000 Euro oder weniger. Andere schließen eine Verringerung des Grenzwertes nicht aus.

"An die breite Privatkundschaft werden wir keine Negativzinsen weitergeben. Aber die Frage ist, wo das Ende der Breite ist", sagte die Privatkunden-Vorständin der Commerzbank, Sabine Schmittroth, jüngst dem "Handelsblatt". "Daher werden wir uns die Höhe der Freibeträge immer wieder anschauen." Aktuell liegen sie bei 100.000 Euro.

Auch die Deutsche Bundesbank war jüngst zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wachsende Zahl von Kreditinstituten die Strafzinsen an Kunden weitergibt. "Der Anteil der Banken in Deutschland, die ihre Kundeneinlagen im Durchschnitt negativ verzinsen, nahm 2020 weiter zu", hieß es im Monatsbericht der Bundesbank für Februar.

Unternehmen sind seit geraumer Zeit von Minuszinsen auf Sichteinlagen wie Giro- und Tagesgeldkonten und auf Termineinlagen wie Festgeld betroffen. Auch bei Sichteinlagen von Privatkunden sei "ein bisher ungebrochener Aufwärtstrend erkennbar", schrieb die Bundesbank. Termineinlagen wie Festgeld von Privatkunden seien im Durchschnitt aber weiterhin positiv verzinst.

Verbraucherschützern zufolge sind Negativzinsen bei Bestands- und Neukunden nur zulässig, wenn das Verwahrentgelt explizit mit ihnen vereinbart wurde. Es reiche nicht, lediglich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu ändern.

Überwiegend gelten Strafzinsen für Tagesgeld, teilweise werden sie aber auch für Giro- und Verrechnungskonten erhoben. 18 Geldhäuser berechnen sogar eine Gebühr für das üblicherweise kostenfreie Tagesgeldkonto. Dadurch entstünden faktisch Negativzinsen - das Geld auf dem Konto wird weniger, auch wenn die Bank nominal 0,00 oder 0,01 Prozent Zinsen ausweist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Mail-Betrug im Mittelstand: Die unterschätzte Gefahr im Posteingang – und welche Maßnahmen schützen
27.12.2025

E-Mail-Betrug verursacht im Mittelstand mehr Schäden als Ransomware. Stoïk, ein auf Cybersecurity spezialisiertes Unternehmen, zeigt,...

DWN
Technologie
Technologie China überholt Europa: Wie europäische Energieprojekte den Aufstieg befeuerten
27.12.2025

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zum Aufbau der chinesischen Industrie beigetragen, ohne die langfristigen Folgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hoffnung auf den Aufschwung: Kann 2026 die Wirtschaftswende bringen?
27.12.2025

Nach mehreren Jahren der Stagnation und anhaltend schlechter Stimmung in vielen Branchen richtet sich der Blick der deutschen Wirtschaft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelspolitik ist von Unsicherheit geprägt: Experten erwarten weniger Investitionen
27.12.2025

Die Unsicherheiten in der Handelspolitik lassen die Investitionen schrumpfen und führen zu Wachstumsverlusten. Zölle schaden der...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-Blase: Warum der Hype um die Nvidia und Co. gefährlich werden könnte
27.12.2025

Die weltweite Euphorie rund um künstliche Intelligenz treibt Aktien wie Nvidia und Microsoft in immer neue Höhen und heizt die Diskussion...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflationskrise USA: Warum 2026 zum gefährlichsten Jahr werden könnte
26.12.2025

Die Warnung eines führenden Ökonomen zeichnet ein düsteres Bild für die USA. Die Rückkehr einer hartnäckigen Inflationswelle könnte...