Politik

Medien: Mossad führt Cyber-Attacke gegen iranische Atomanlage aus

Lesezeit: 3 min
12.04.2021 09:48  Aktualisiert: 12.04.2021 09:48
In der iranischen Atomanlage Natans hat es offenbar einen Zwischenfall gegeben.
Medien: Mossad führt Cyber-Attacke gegen iranische Atomanlage aus
Das Satellitenfoto von Planet Labs Inc. zeigt die iranische Nuklearanlage Natans am 07.04.2021. (Foto: dpa)
Foto: --

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inmitten der Gespräche über eine Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran spricht das Land von einem "terroristischen" Angriff auf eine seiner wichtigsten Atomanlagen. Nach Angaben der iranischen Atomenergiebehörde vom Sonntag kam es in der zentralen Anlage zur Urananreicherung in Natans zu einem Zwischenfall, bei dem aber keine Radioaktivität ausgetreten und niemand verletzt worden sei. Einem israelischen Rundfunkbericht zufolge steckt der israelische Geheimdienst Mossad hinter dem Vorfall.

Das iranische Staatsfernsehen hatte am Sonntag zunächst einen Zwischenfall in Natans gemeldet. Es habe ein Problem im Stromnetz der Anlage gegeben, sagte ein Sprecher der iranischen Atomenergiebehörde. Niemand sei verletzt worden und es habe auch keine Kontamination gegeben. Am Samstag hatte der Iran mitgeteilt, neue Zentrifugen zur Urananreicherung in Natans in Betrieb genommen zu haben.

"Um die Ziele jener zu durchkreuzen, die diesen terroristischen Akt befehligt haben, wird der Iran zum einen seine Nukleartechnologie weiter verbessern und zum anderen weiter an einer Aufhebung der repressiven US-Sanktionen arbeiten", sagte der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, später im staatlichen Fernsehen. Sein Land behalte sich vor, gegen die Täter vorzugehen. Salehi forderte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) und die internationale Staatengemeinschaft auf, ebenfalls auf "diesen nuklearen Terrorismus" zu reagieren. Ein IAEO-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.

In Israel berichtete der öffentlich-rechtliche Sender Kan, der Mossad habe einen Cyberangriff gegen die Atomanlage von Natans ausgeführt. Der Sender berief sich auf Geheimdienstquellen, ließ aber offen, aus welchem Land. Der Schaden in Natans sei größer als vom Iran bekanntgegeben. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte sich bei einer Veranstaltung mit Führungskräften aus Militär und Geheimdienst zwar nicht über den Zwischenfall von Natans. Er sagte jedoch: "Der Kampf gegen die Nuklearisierung des Iran (...) ist eine gewaltige Aufgabe."

Im vergangenen Jahr war in der unterirdischen Anlage nahe der Stadt Natans ein Brand ausgebrochen. Die Regierung hatte dies ebenfalls als Versuch ausgemacht, das Atomprogramm des Landes zu sabotieren.

Derzeit laufen Bemühungen zur Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015, das verhindern soll, dass der Iran an Kernwaffen kommt. Der Iran bestreitet einen militärischen Hintergrund seiner Atomaktivitäten. Israel hingegen hat dem Iran Bestrebungen zum Bau von Nuklearwaffen vorgeworfen und sieht dies als Bedrohung seiner Sicherheit. Der neue US-Präsident Joe Biden hat eine Rückkehr seines Landes zu dem Vertrag in Aussicht gestellt. Bidens Vorgänger Donald Trump hatte das Abkommen aufgekündigt und Sanktionen gegen den Iran wieder eingeführt.

EU: Störung der Bemühungen um Wiederauflage des Atomabkommens

Die EU hat sich besorgt über den mutmaßlichen Angriff auf die Atomanlage Natans im Zentraliran gezeigt. Jeder Versuch, die derzeitigen Bemühungen um eine Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran zu stören, sei in vollem Umfang zurückzuweisen, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel. Es müsse nun gründlich geklärt werden, was passiert sei und wer dahinter stecke.

In den Gesprächen wird derzeit versucht, eine Wiedereinbindung der USA in das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe zu ermöglichen. Die USA müssten dafür unter dem früheren Präsidenten Donald Trump wiedereingeführte Sanktionen gegen den Iran aufheben, der Iran müsste im Gegenzug sein Nuklearprogramm wieder einschränken.

Das Atomabkommen hatte zuletzt vor dem Aus gestanden, weil die USA unter Trump einseitig aus dem Abkommen ausgestiegen waren und Sanktionen wieder eingeführt hatten. Der Iran reagierte darauf, indem er - nach einer einjährigen Wartezeit - mehr und mehr Verpflichtungen aus dem Abkommen nicht mehr einhielt. Das Abkommen soll den Iran am Bau von Kernwaffen hindern, ihm aber die zivile Nutzung der Kernkraft ermöglichen. Israel lehnt das Abkommen ab, weil es dieses für nicht weitreichend genug hält und sich vom Iran bedroht fühlt.

Uran-Anreicherung um Monate zurückgeworfen?

Der mutmaßliche Angriff auf die Atomanlage dürfte nach Informationen der New York Times die Urananreicherung dort um Monate zurückwerfen. Das berichtete das Blatt am Montag unter Berufung auf zwei ranghohe US-Geheimdienstmitarbeiter, die die Attacke als israelische Geheimdienstoperation einstuften. Demnach soll der Angriff eine heftige Explosion ausgelöst und das gesamte Stromnetz einer Untergrundanlage zerstört haben, in der Zentrifugen für die Urananreicherung hergestellt werden. Es werde mindestens neun Monate dauern, die Schäden zu beheben, hieß es. Vonseiten Teherans wurden die Folgen der Attacke indes deutlich weniger dramatisch dargestellt.

Das iranische Außenministerium gab hingegen an, bei dem Angriff sei nur die Produktionslinie der älteren Zentrifugen beschädigt worden. "Die Schäden beziehen sich auf die IR-1 Zentrifuge, aber wir stellen in der Zwischenzeit bereits die IR-9 Generation her", sagte Außenamtssprecher Said Chatibsadeh am Montag. Der israelische Angriff werde die Arbeit in Natans nicht beeinträchtigen, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Isna.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ging am Montag nicht direkt auf den Zwischenfall in Natans und die Vorwürfe Teherans ein. Allerdings bezeichnete er den Iran als Unterstützer weltweiten Terrors und größte Bedrohung in der Nahost-Region. "Ich werde es dem Iran nie erlauben, Atomwaffen zu erlangen, um sein Ziel des Völkermords und der Auslöschung Israels zu erreichen", sagte Netanjahu. Ein namentlich nicht genannter US-Repräsentant sagte der israelischen Nachrichtenseite "Walla" zudem, die USA als wichtiger Bündnispartner Israels seien an dem Vorfall in Natans nicht beteiligt gewesen.

Im Zusammenhang mit dem Angriff wurde einem iranischen Medienbericht zufolge ein Verdächtiger identifiziert. Dieser solle als Drahtzieher das Stromnetz in der Anlage manipuliert haben, zitierte die Nachrichtenagentur Isna am Montag eine Quelle im Geheimdienst. Der Mann solle demnächst ausfindig gemacht und festgenommen werden.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...