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Der Hyperantrieb der Zukunft: (Zeit-)Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit

Lesezeit: 4 min
25.04.2021 08:00
Forscher der Universität Göttingen haben neue Lösungen für hyperschnelle „Warp-Blasen“ entdeckt. Diese könnten womöglich auch Zeitreisen ermöglichen.
Der Hyperantrieb der Zukunft: (Zeit-)Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit
Wer braucht noch Wurmlöcher, wenn man auch mit Überlichtgeschwindigkeit reisen kann? (Foto: Pixabay)

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Wenn Reisen zu fernen Sternen innerhalb der menschlichen Lebenszeit eines Tages möglich sein sollen, muss zuerst ein sehr starker Antrieb gefunden werden. Diese Antriebs-Technologie müsste eine so starke Beschleunigung erzeugen, dass ein Raumschiff schneller als mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist. Denn das Universum ist riesig groß und der - von unserer Sonne gesehen - nächste Stern „Proxima Centauri“ ist circa vier Lichtjahre (40 Billionen Kilometer) entfernt.

Die Lichtgeschwindigkeit ist eine physikalische Konstante, die nach dem bisherigen Stand der Wissenschaft für massebehaftete Objekte nicht erreicht oder gar überschritten werden kann – selbst Elementarteilchen mit extrem kleiner Masse (zum Beispiel Elektronen) können in Experimenten nur annähernd, aber eben nicht ganz auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden.

Echte Fortschritte erzielt man stand heute also nur in der theoretischen Physik. Bisherige Forschungen theoretischer Physiker über den überlichtschnellen Transport auf der Grundlage von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie erfordern riesige Mengen hypothetischer Teilchen und Materie, die „exotische“ physikalische Eigenschaften wie eine negative Energiedichte aufweisen. Diese Art von Materie ist derzeit entweder nicht zu finden oder kann nicht in brauchbaren Mengen hergestellt werden.

Ein Astrophysiker der Universität Göttingen umgeht dieses Problem: Es gelang ihm, aus Quellen mit ausschließlich positiver Energie eine neue Klasse von hyperschnellen „Solitonen“ zu konstruieren, die Reisen mit beliebiger Geschwindigkeit ermöglichen könnten. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift „Classical and Quantum Gravity“ veröffentlicht.

„Warp-Blasen“ statt Raketenantrieb

Der Autor der Arbeit, Dr. Erik Lentz, analysierte bestehende Forschungsarbeiten und entdeckte Lücken in früheren Studien zum „Warp-Antrieb“. Lentz bemerkte, dass es noch nicht erforschte – physikalisch realisierbare – Konfigurationen der Raum-Zeit-Krümmung gibt, die in sogenannten „Solitonen“ organisiert sind. Ein Soliton – in diesem Zusammenhang auch als „Warp-Blase“ bezeichnet – ist eine kompakte Welle, die ihre Form beibehält und sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Lentz leitete die Einstein-Gleichungen für unerforschte Soliton-Konfigurationen ab. Dabei fand er heraus, dass die veränderten Raum-Zeit-Geometrien auf eine Weise gebildet werden können, die auch mit konventionellen Energiequellen funktioniert.

Wie ein mit einer solchen „Warp-Blase“ angetriebenes Raumschiff aussehen soll, ist für die menschliche Wahrnehmung wohl nur schwer zu fassen. Der Autor visualisiert es anhand etwas abstrakter geometrischer Darstellungen.

Genügend Energie vorausgesetzt, könnten auf dieser Basis Weltraumreisen zu "Proxima Centauri" und zurück zur Erde innerhalb einiger Jahre statt innerhalb von Jahrzehnten oder Jahrtausenden möglich sein. Ein Mensch könnte also die Reise im Laufe seines Lebens hinter sich bringen. Zum Vergleich: Mit heutiger Raketentechnologie würde die einfache Reise mehr als 50.000 Jahre dauern. Seit einigen Jahren wird auch zunehmend an sogenannten „nuklearen Pulsantrieben“ geforscht, um Weltraumreisen deutlich zeiteffizienter zu machen (eine Reise zum nächsten Sonnensystem soll dann "nur" rund 100 Jahre in Anspruch nehmen).

„Diese Arbeit hat das Problem des Reisens mit Überlichtgeschwindigkeit einen Schritt weg von der theoretischen Forschung in der Grundlagenphysik und näher an die Technik gebracht“, sagt Lentz. „Der nächste Schritt besteht darin, herauszufinden, wie man die astronomische Energiemenge, die benötigt wird, in den Bereich heutiger Technologien bringen kann, wie zum Beispiel ein großes modernes Kernspaltungskraftwerk. Dann könnten wir über den Bau der ersten Prototypen sprechen."

Zeitreisen in die Vergangenheit mit Überlichtgeschwindigkeit?

Was die Forschungsergebnisse besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass sie einen weiteren theoretischen Beweis in einer Reihe aktueller Studien zum größeren Thema Zeitreisen darstellen. So hatten erst jüngst Forscher der Universität Queensland in einem Artikel in derselben Fachzeitschrift mathematisch bewiesen, dass in sich konsistente Zeitreisen möglich sind – also zum Beispiel Reisen in die Vergangenheit, ohne dass es zu logischen Widersprüchen wie dem berühmten Großvaterparadoxon kommt (die DWN berichteten).

Die Physiker aus Queensland hatten sich jedoch explizit nicht mit der Umsetzbarkeit von Zeitreisen auseinandergesetzt. Diese Lücke müssen andere Forscher nun füllen, und Dr. Lentz von der Universität Göttingen macht hier einen ersten wichtigen Schritt.

Für die Umsetzung von Zeitreisen gibt es im wesentlichen zwei Anhaltspunkte. Beide basieren auf den zwei bahnbrechenden Theorien von Albert Einstein – welche im Gegensatz zu den oben präsentierten Studien nicht reine Theorie sind, sondern zentrale Hypothesen ihr Eigen nennen, die tatsächlich experimentell bewiesen werden konnten.

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie besagt im Kern, dass Raum und Zeit durch die Gravitation (Schwerkraft), also letztlich durch Masse verzerrt werden. Diese Verzerrung könnte man sich zunutze machen – beispielsweise in der Umgebung eines Wurmlochs, um so in die Vergangenheit reisen zu können. Wurmlöcher sind jedoch rein theoretische Konstrukten, die zwar aus Einsteins Gleichungen abgeleitet werden können und Abkürzungen in der Raumzeit ermöglichen sollen, aber in der Realität weder nachgewiesen noch konstruiert werden konnten.

Aus Einsteins spezieller Relativitätstheorie ergibt sich eine Zeit, die für jeden Beobachter anders verläuft. Je schneller man sich relativ zu einem System bewegt, umso langsamer vergeht die Zeit relativ zu diesem System. In der sogenannten „Eigenzeit“ macht sich das nicht bemerkbar, nur relativ. Das aus dieser Theorie abgeleitete Phänomen der „Zeitdilatation“ wird erst dann wirklich relevant, wenn man mit einer sehr hohen Geschwindigkeit (in der Größenordnung der Lichtgeschwindigkeit) unterwegs ist. Die Zeitdilatation erklärt in letzter Konsequenz, wie man in die Vergangenheit reisen kann, wenn man sich mit einer Geschwindigkeit bewegt, die höher ist als die Lichtgeschwindigkeit.

Wenn der Göttinger Forscher also bewiesen hat, dass man mit Überlichtgeschwindigkeit reisen kann, dann hat er gleichzeitig auch bewiesen, dass die Umsetzung von Zeitreisen mehr als nur Wunschdenken ist.

Die Theorie von der Umsetzung von Zeitreisen bleibt aber letzlich (noch) eine Theorie. Derzeit ist der Energiebedarf für diese neue Art des Raumfahrtantriebs gewaltig. Lentz erklärt: „Die Energie, die für diesen Antrieb bei Lichtgeschwindigkeit für ein Raumschiff mit einem Radius von 100 Metern benötigt wird, liegt in der Größenordnung des Hundertfachen der Masse des Planeten Jupiter. Die Energieeinsparung müsste drastisch sein, im Bereich von etwa 30 Größenordnungen, um in die Reichweite moderner Kernspaltungsreaktoren zu kommen. Glücklicherweise wurden in früheren Forschungen mehrere energiesparende Mechanismen vorgeschlagen, die die benötigte Energie potenziell um fast 60 Größenordnungen senken könnte.“

Für Raumfahrer, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen würden, gäbe es noch weitere Komplikationen. Sofern es in der Zukunft keine Technologien gibt, die irgendwie die eigene Masse reduzieren können, würde man beim Hyperlichtgeschwindigkeits-Reisen eine relativistische Energie aufbauen, die komplett in Form von Strahlungsenergie verfeuert werden würde. Keine tollen Aussichten für den Raumfahrer - von seiner „Zeitreise“ könnte er seinen Mitmenschen nicht mehr berichten.


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