Finanzen

Erdogan und Biden holen zum Schlag gegen dezentrale Kryptowährungen aus

In der Türkei wurden im Verlauf von Razzien 62 Mitglieder einer Kryptowährungs-Handelsplattform festgenommen. Ihnen wird tausendfacher Betrug vorgeworfen. Währenddessen hat Joe Bidens geplante Erhöhung der Kapitalertragssteuern in den USA einen Ausverkauf bei Kryptowährungen ausgelöst.
23.04.2021 17:51
Aktualisiert: 23.04.2021 17:51
Lesezeit: 2 min
Erdogan und Biden holen zum Schlag gegen dezentrale Kryptowährungen aus
Joe Biden und Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2016 in Ankara. (Foto: dpa) Foto: Turkish Presidential Press Offic

Nach Tausenden von Strafanzeigen wegen Betrugs gegen eine Kryptowährungs-Handelsplattform hat die türkische Polizei dem investigativen Portal „OdaTV“ zufolge 62 Verdächtige festgenommen. Gegen insgesamt 78 Personen sei Haftbefehl erlassen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag.

Laut Polizei ist der Gründer und Chef der Plattform Thodex, Faruk Fatih Özer, am Dienstag in die albanische Hauptstadt Tirana geflohen. Das türkische Justizministerium suche ihn und fordere seine Auslieferung, berichtete Anadolu. Das Büro des Istanbuler Staatsanwalts hatte am Donnerstag erklärt, gegen Thodex zu ermitteln, da es Vorwürfe der massiven Schädigung von Bürgern gebe. Einem Insider zufolge sperrte die Behörde für Wirtschaftskriminalität Masak die Thodex-Konten am Mittwoch und leitete eine Untersuchung ein. Die Firma erklärte, „negative“ Medienberichte seien falsch.

Auf der Website der Firma, über deren Plattform täglich Kryptowährungsgeschäfte im Volumen von hunderten Millionen Dollar abgewickelt wurden, wurde darüber informiert, dass der Betrieb für einige Tage wegen eines Verkaufsprozesses eingestellt sei. Nutzer, die ihr Geld nicht abziehen konnten oder keinen Zugriff auf ihre Konten hatten, sprachen auf Twitter von möglichem Betrug.

Vor einer Woche hatte die türkische Zentralbank Zahlungen mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen verboten. Der Handel mit digitalen Währungen und das Bezahlen damit führe möglicherweise zu „irreparablen“ Schäden, hatte sie erklärt.

Der Wirtschaftsberater des türkischen Präsidenten, Cemil Ertem, teilte dem Sender „CNN Türk“ mit, dass die türkische Behörde zur Untersuchung von Finanzverbrechen (MASAK), die Notenbank und der Rat für Kapitalmarktwesen (SPK) an Verordnungen arbeite, die den Umgang mit Kryptowährungen stark regulieren sollen. „Das, was die Notenbank macht, ist eine Vorregulierung. Sie sollte darauf abzielen, eine gewisse Kontrolle und Sicherheit zu geben. Es müssen Vorschriften bezüglich der Plattformen getroffen werden. Die Zentralbank verbot die Verwendung von Kryptowährungen anstelle von Geld. Das jüngste Ereignis zeigt, dass diese Plattformen (für Kryptowährungsgeschäfte, Anm.d.Red.) über eine ausreichende Liquiditätssicherheit und Lizenzierung verfügen müssen“, zitiert die Wirtschaftszeitung „Dünya“ Ertem.

Mehr zum Thema: Selbst überfliegende Kryptowährungen sind nicht vor irdischen Problemen gefeit

Es ist offenbar nicht zwangsläufig dem Zufall geschuldet, dass am selben Tag der Großrazzia in der Türkei US-Präsident Joe Biden durch neue Steuerpläne die Kurse der Kryptowährungen zum Einbruch gebracht hat. Die geplante Erhöhung der Kapitalertragssteuern in den USA löst einen Ausverkauf bei Kryptowährungen aus. Bitcoin fiel am Freitag um gut sieben Prozent auf ein Sieben-Wochen-Tief von 48.176 Dollar, und die Nummer zwei der Cyber-Devisen, Ethereum, büßte gut zwölf Prozent auf 2115 Dollar ein, berichtet „Money Control“. Am Donnerstag hatte sie noch ein Rekordhoch von 2645,75 Dollar erreicht.

Insidern zufolge will US-Präsident Joe Biden die Kapitalertragssteuern in etwa verdoppeln. Börsianer befürchten, dass dies die Attraktivität von Kryptowährungen als Geldanlage schmälert. Einige Fonds hätten auf die Nachrichten mit aggressiven Verkäufen reagiert, sagte Avi Felman, Chef-Händler des auf Kryptowährungen spezialisierten Vermögensverwalters Blocktower.

Vor allem bei Ethereum seien die Kursverluste aber zu einem nicht unerheblichen Teil eine Reaktion auf vorangegangene Kursgewinne, warf Chris Weston, Chef-Analyst des Brokerhauses Pepperstone, ein. „Es hat sich im Vergleich zu Bitcoin deutlich überdurchschnittlich entwickelt.“ Seit Jahresbeginn hat Ethereum knapp 230 Prozent zugelegt, fast vier Mal so stark wie Bitcoin. Der MSCI-Weltaktienindex kommt im gleichen Zeitraum nur auf knapp fünf Prozent Kursplus.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Finanzskandal bei privaten Krediten: HPS und BNP Paribas verlieren hunderte Millionen
16.11.2025

Der Markt für private Kredite außerhalb regulierter Banken erlebt ein rasantes Wachstum, das zunehmend systemische Risiken birgt. Wie...

DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...