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Wie Insurtechs die Versicherungsbranche Aufmischen

Lesezeit: 3 min
14.05.2021 12:37  Aktualisiert: 14.05.2021 12:37
Die Insurtechs galten lange als juvenile Herausforderer einer saturierten Versicherungsbranche. Mittlerweile sind sie den Flegeljahren entwachsen und überzeugen zunehmend durch ansehnliche Zahlen. Auch in Deutschland konnten sich die Insurtechs über eine verstärkte Nachfrage freuen. Zunächst mit einfachen Produkten wie Hausrats- und Haftpflichtversicherung gestartet, konnten sie ihre Produktpalette inzwischen erheblich erweitern.
Wie Insurtechs die Versicherungsbranche Aufmischen

Auf dem Weg zum Establishment: Die aktuellen Zahlen der Insurtechs

Die Insurtechs galten lange als juvenile Herausforderer einer saturierten Versicherungsbranche. Mittlerweile sind sie den Flegeljahren entwachsen und überzeugen zunehmend durch ansehnliche Zahlen. Auch in Deutschland konnten sich die Insurtechs über eine verstärkte Nachfrage freuen. Zunächst mit einfachen Produkten wie Hausrats- und Haftpflichtversicherung gestartet, konnten sie ihre Produktpalette inzwischen erheblich erweitern. Allerdings entsprachen die Zahlen für 2019 noch nicht den hochgesteckten Erwartungen. Deshalb musste die Finanzaufsicht (Bafin) die Kapitalanforderungen für die Startups erhöhen. Besonders die höheren Kosten, die über den Erwartungen lagen, sind der Grund für die Maßnahme. Dabei gilt der Aufbau einer neuen Technologie als besonders teuer.

Das Schachtelwort Insurtech setzt sich aus den englischen Begriffen Insurance (Versicherung) und Technology (Technologie) zusammen. Die Startups verbinden die digitale Technik mit dem Versicherungswesen. Das Angebot soll den Wettbewerb innerhalb der Branche fördern und dem Kunden günstige und flexiblere Produkte anbieten.

Die Bundesregierung nennt bei ihrer Bewertung unter anderem Versicherungs-Neulinge wie Element, Neodigital und Ottonova. Mittlerweile besitzen jedoch sechs Unternehmen ihre eigene Lizenz. Und ein Blick in die Finanzberichte der Betroffenen zeigt, dass im zurückliegenden Jahr alle Versicherer ihre Zahlen verbessern konnten und mit starkem Wachstum den Markt überzeugten.

Der Hoffnungsträger im Aufwind

In den letzten Jahren galt vor allem Coya als die große Hoffnung der digitalen Versicherungen. Noch vor dem offiziellen Start hatte Peter Thiel 30 Millionen in seinen Betrieb eingebracht. Das Unternehmen bietet die Klassiker Haftpflichtversicherung und Hausrat an, konnte aber auch mit Hunde- oder Fahrradversicherungen punkten. Im Jahresvergleich verdoppelte der Versicherer seine Prämieneinnahmen bei einer Schadensquote von weniger als 60 Prozent. Mit dieser allgemein gebräuchlichen Kennzahl setzen die Unternehmen ihre Einnahmen und die Schadenskosten zueinander ins Verhältnis. Vor Jahresfrist lag die Quote noch etwas über 100 Prozent, damit gab das Unternehmen mehr für Schäden aus, als es durch Prämien einnahm.

Der gesamte versicherungstechnische Verlust – neben der Schadensquote sind hier auch interne Aufwendungen enthalten - ist zwar gesunken, aber immer noch höher als die Einnahmen. Im laufenden Jahr sollte das Unternehmen den positiven Trend bestätigen, denn in Q1 konnte der Versicherer bereits 17 000 Kunden hinzugewinnen. Das Startup hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, in 2021 den Umsatz um das Drei- bis Fünffache zu steigern. Die Tierversicherung soll ihren Teil zum Ergebnis beitragen, und die Firma will besonders mit Cross-Selling - also dem Verkauf weiterer Policen an die Bestandskunden - die Bilanz verbessern.

Lemonade – Schadensabwicklung in Minuten

Durch den Börsengang im letzten Jahr konnte Lemonade 319 Millionen Dollar einnehmen. Auch bei diesem Unternehmen ist ein rasantes Wachstum festzustellen, allerdings sind unter dem Strich noch immer Verluste zu verzeichnen. Allgemein gilt Lemonade jedoch als der vielversprechendste Versicherungs-Neuling. Während andere Neugründungen nur Verträge weitervermitteln oder verwalten, hat das Unternehmen bereits eine eigene Lizenz. Nach eigenen Angaben konnte es seinen gesamten Versicherungsprozess digitalisieren. Die eingesetzten Algorithmen bewältigen die Deckungszusage in 90 Sekunden, eine Schadensabwicklung dauert drei Minuten.

Prominente Unterstützung für Neodigital

Neodigital ist ein weiterer Neuling in der digitalen Versicherungsbranche. Das Startup konnte renommierte Kapitalgeber als Unterstützer gewinnen. Der Fonds des Investors Christian Angermayer engagierte sich bei dem Unternehmen aus Saarbrücken, ebenso der agile Carsten Maschmeyer. Aus dem aktuellen Finanzbericht geht hervor, dass die letzte Finanzierung 18,3 Millionen betragen hat. Die Bewertung des Unternehmens liegt bei 60 Millionen Euro.

Kerngeschäft der Firma ist der B2B-Sektor, Neodigital wendet sich an Partnergesellschaften, welche seine Policen vertreiben. Der Kunde hat die Wahl zwischen Haftpflichtversicherungen und Produkten aus den Nischenbereichen Tier und Fahrrad. Bei einer Schadenquote von 80 Prozent stiegen die Einnahmen durch Prämien stark an, während das Wachstum der Kosten geringer ausfiel.

Die Krankenversicherung als digitale Herausforderung

Der private Krankenversicherer Ottonova konnte sich deutlich entwickeln, die Prämieneinnahmen steigerten sich auf das Dreifache. Zudem ist der Verlust aus der Versicherungstechnik nicht im selben Maße mitgewachsen, was die Bilanz deutlich verbessert. Besonders die frühe Phase der Firma war von Beschwernissen gekennzeichnet, und es dauerte, bis die Münchner endlich Erfolge vermelden konnten. Inzwischen sind auch Zusatzversicherungen im Angebot, und das Unternehmen erweiterte den Vertrieb mit Hilfe der einschlägigen Vergleichsplattformen. Die Schadenquote sank auf 50 Prozent, Vergleiche mit der Konkurrenz sind jedoch nicht angebracht. Denn eine Krankenversicherung kalkuliert grundsätzlich auf andere Weise als eine Sachversicherung.

Emanzipation als Geschäftsmodell

Element orientierte sich bislang an seinem Vorbild Solaris. Mittlerweile kann der Versicherer aus dem Hause Finleap ebenfalls Verbesserungen vorweisen. Zum Firmenkonzept gehört die Zusammenarbeit mit etablierten Partnern. So vertreibt Volkswagen die Versicherungen von Element. Und als die Autohäuser wegen Corona geschlossen blieben, brachen auch bei dem Versicherungsunternehmen die Umsätze ein. Trotzdem ergab sich ein besseres Ergebnis als im Vorjahr, der Anstieg der Kosten hielt sich in Grenzen, die Schadenquote fällt mit 35 Prozent niedrig aus. Für das kommende Jahr prognostiziert der CEO Christian Macht eine weitere

Steigerung der Einnahmen

Dem aufmerksamen Beobachter konnte nicht entgehen, dass die digitalen Versicherungen in den letzten Jahren einen Strategiewechsel vollziehen mussten. Gescheitert ist der Versuch, sich am Finanzportal Check24 vorbei direkt an die interessierte Kundschaft zu wenden. Mittlerweile liegt aber ein funktionierender Ansatz für den Vertrieb vor. Die Coya- und Ottonova-Produkte sind inzwischen ebenfalls auf dem bekannten Portal erhältlich. Lemonade blieb zwar standhaft, spürte die Folgen jedoch beim Betriebsergebnis. Neodigital und Element setzen auf Wachstum mit Hilfe ihrer Vertriebspartner, Wefox bevorzugt den traditionellen Direktvertrieb über Makler. Die Zahlen belegen, dass ein Wachstum durchaus vorhanden ist. Auch der Ausblick überzeugt, was für die Zukunft hoffen lässt.

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